Das Kampfjet-Desaster F-35
Als ein F-35A-Kampfjet am 23. Juni von der Eglin Air Force Base in Florida zu einem Trainingsflug abheben sollte, bricht noch auf der Startbahn ein Feuer im Triebwerk aus. Der Start wird abgebrochen, der Pilot entkommt ohne Verletzungen. Das US-Verteidigungsministerium verhängt eine Flugsperre über alle 97 Exemplare jenes Fliegers, mit dem die USA die "fünfte Generation" bei Kampfjets dominieren wollte.
Nach jahrelangen Verzögerungen, zahlreichen technischen Pannen, ausufernden Kosten und generell schlechter Publicity sollte die F-35 bei der Farnborough Air Show, der weltgrößten Luftfahrtmesse, seinen lange erwarteten ersten großen Auftritt auf internationaler Bühne hinlegen. Wird die Untersuchung der Flotte nicht innerhalb weniger Tage abgeschlossen, kann der Kampfjet erneut nicht präsentiert werden. Die Veranstalter hoffen darauf, dass die F-35 noch bis zum Ende der Woche auf dem englischen Flugfeld auftaucht.
Joint Strike Fighter
Die F-35 ist das Produkt des Joint Strike Fighter Programmes. Die USA wollten dabei gemeinsam mit Großbritannien, Italien, Canada, Australien und anderen Verbündeten eine Flugzeug-Plattform entwickeln, die für verschiedenste Einsatzzwecke geeignet sein sollte. Die F-35 sollte gleichzeitig ein leichtes Angriffsflugzeug, ein Aufklärungsflugzeug und ein Kampfflieger zur Unterstützung von Bodentruppen sein.
Bei ihren Einsätzen sollte das Flugzeug von normalen Landebahnen und von Flugzeugträgerdecks starten und sogar vertikal landen können. Es sollte mehrere in die Jahre gekommene Flugzeugtypen - F-16, A-10, F/A-18 und Harrier - ersetzen und als einstrahlige Ergänzung zur zweistrahligen F-22 Raptor dienen. Nach einem Design-Wettbewerb erhielt Lockheed Martin 2001 den Zuschlag, den fliegenden Alleskönner zu entwickeln. Als Referenz an ein legendäres Flugzeug aus dem zweiten Weltkrieg wurde das Flugzeug F-35 Lightning II getauft.
Vielzahl an Problemen
Innerhalb von zehn Jahren sollte die F-35 entwickelt und getestet werden. Doch Kosten und Zeitplan liefen bereits nach wenigen Jahren aus dem Ruder. Das Joint Strike Fighter Programm erhielt politischen Gegenwind, dazu kamen Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Kampfjets und Berichte über Cyberangriffe, bei denen geheime Baupläne des Fliegers gestohlen wurden. Das Pentagon geriet in Streit mit Lockheed Martin. Der Flugzeugentwickler wurde unterdessen zwischen den völlig unterschiedlichen Anforderungen von Air Force, Navy und Marines zerrissen.
Bis zum heutigen Tag kämpfen die Konstrukteure mit einer Reihe technischer Probleme. Die größte Schwierigkeit steckt darin, mit einer Plattform drei Flugzeug-Varianten zu konstruieren: Die F-35A (Air Force) ist für konventionelle Starts und Landungen (CTOL) optimiert, die F-35B (Marines) für kurze Startbahnen und vertikale Landung (STOVL), die F-35C (Navy) ist die Flugzeugträger-Variante (CV) mit großen, klappbaren Flügeln. Die Plattform-Lösung sollte ursprünglich dabei helfen, Kosten zu sparen. Dieses Ziel ist gründlich misslungen.
Teuerstes Militärprogramm aller Zeiten
Das F-35-Programm gilt als das teuerste Militärtechnikprogramm aller Zeiten. Die bisherigen Gesamtkosten werden auf rund 400 Milliarden Dollar geschätzt. Während des gesamten Lebenszyklus von 50 Jahren soll der Kampfjet Kosten von 1,5 Billionen Dollar verursachen. Um Entwicklungskosten nicht noch weiter in die Höhe zu treiben, wurden unter anderem Kompromisse wie ein verkürzter Einsatzradius und längere Startstrecken eingegangen.
Die drei Versionen der F-35 sind laut einem Bericht der RAND Corporation so weit auseinandergedriftet, dass die Verwendung einer gemeinsamen Basis mittlerweile teurer kommt, als wenn von vornherein drei ganz unterschiedliche Flugzeuge entwickelt worden wären.
Schlechtes Geschäft
Für Kritiker steht die F-35 sinnbildlich für alles, was in den USA falsch läuft. Politiker verschwenden Steuergeld an ein Privatunternehmen, das sich mit überteuerten Aufträgen bereichert und Politikern im Gegenzug ihre Wahlkampagnen bezahlt. Geld floss bereits in der Entwicklungsphase. Ein Ausstieg ist unmöglich, wenn man keine Riesenblamage riskieren will. Für die Allgemeinheit bringt der Auftrag nicht einmal besonders viele Jobs. Würde das Geld in öffentlichen Verkehr, das Gesundheitssystem oder die Bildung investiert werden, könnten wesentlich mehr Arbeitsplätze geschaffen werden.
Auf der Webseite f35baddeal.com werden sämtliche Argumente gegen die F-35 gesammelt. Das Flugzeug wird dort unter anderem als "Der Jet, der das Pentagon gefressen hat" oder "Das weltweit schlechteste neue Kriegsflugzeug" bezeichnet.
"Schreckliches Flugzeug"
"Die F-35 ist ein durch und durch schreckliches Flugzeug. Es ist zu nichts gut", meint der Flugzeugdesigner Pierre Sprey in einem TV-Interview. Sprey war an vielen maßgeblichen Kampfjetprojekten in den USA beteiligt und gilt als der "Vater" der F-16 und der A-10. Seiner Einschätzung nach ist ein Multi-Missions-Flugzeug für jeden Einsatzzweck im Nachteil gegenüber spezialisierten Flugzeugen. Im Luftkampf räumt er der F-35 nur geringe Chancen ein: "Flugzeuge aus den 50ern wie eine MiG-21 oder eine Mirage würden die F-35 hoffnungslos fertigmachen."
"Sobald du ein Multi-Missions-Flugzeug baust, hast du verloren", lautet die Einschätzung, der auch Fachleute etwas abgewinnen können, die nicht alle von Spreys Aussagen teilen. Die Anforderung des senkrechten Landens - umgesetzt in der Variante F-35B - führt etwa auch bei den anderen Varianten zu gewissen Einbußen bei Gewicht, Aerodynamik und Manövrierfähigkeit.
Abwehrschwäche
Auch die Wirksamkeit der Stealth-Technologie, mit der die F-35 ausgestattet ist, zweifelt Sprey an: "Stealth ist ein Betrug. Es funktioniert nicht. Radars, die 1942 gebaut wurden, können jedes Stealth-Flugzeug entdecken, weil sie eine lange Wellenlänge verwenden. Russland baut genau diese Radars seit dem zweiten Weltkrieg gebaut und verkauft sie an jeden, der Geld hat." Auch Lockheed-Konkurrent Boeing zweifelt an der Effektivität von Stealth angesichts der in China und Russland vorhandenen Technologien.
Bei der Abwehr von elektromagnetischen Signalen könnte die F-35 sogar auf Hilfe angewiesen sein. Obwohl Lockheed Martin überzeugt davon ist, dass der Kampfjet sich gegen diese Form des Angriffs ausreichend verteidigen kann, überlegen Air Force und Navy, F-35-Geschwadern Geleitschutz durch die F/A-18-Version EA-18G Growler zu geben, die speziell auf die Abwehr elektronischer Signale ausgerichtet ist. Die Navy überlegt, einen Teil seiner F-35-Bestellung zu stornieren und stattdessen EA-18G zu kaufen.
Zu groß, um zu scheitern
Durch die Projektverzögerungen und die immer höheren Kosten haben einige der Projektpartner ihre F-35-Bestellungen angepasst. Italien ordert nur noch 90 statt 131 Kampfjets, Großbritannien hat die Entscheidung für Bestellungen künftiger Produktionsschübe aufgeschoben, Australien sah sich gezwungen, seinen unmittelbaren Bedarf durch den zusätzlichen Kauf anderer Kampfjets zu decken.
Abgesehen von gewissen Modifikationen der Beschaffungspläne stehen die Joint Strike Fighter Projektpartner hinter der F-35. Durch die schiere Menge an hineingepumptem Geld ist die F-35 für viele Beobachter "zu groß, um zu scheitern". Bis alle Probleme behoben sind, muss sich der Kampfjet jedoch weiterhin unangenehmen Vergleichen stellen. Pierre Sprey ist überzeugt: "In einer Ausschreibung würde die F-35 gegen die europäischen Kampfflugzeuge wie Eurofighter oder Gripen verlieren, aus einer ganzen Reihe von Gründen: Kosten, Verlässlichkeit, Leistung, egal was."