Chinas neuer Hyperschall-Gleiter wirft Streumunition ab
China hat ein neues Konzept für eine Hyperschallwaffe vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen Gleiter, der nicht selbst das Geschoß ist, sondern mehrere Bomben und Raketen zum Zielgebiet transportiert.
Der Gleiter heißt GDF-600 und wurde auf der Zhuhai Airshow in China vorgestellt. Zu sehen war ein Modell und ein Datenblatt, das auch verschiedene Munitionstypen darstellt, die GDF-600 nutzen kann.
Superschnell in 40 Kilometer Höhe
Der Gleiter selbst hat keinen Antrieb. Er wird mit einer Trägerrakete in die Höhe geschossen. Nachdem er sich dort abgekoppelt hat, sinkt er ein paar Kilometer ab, um Geschwindigkeit aufzubauen. Danach „gleitet“ er, laut dem Hersteller Gara, in bis zu 40 km Höhe Richtung Zielgebiet. Dort setzt er dann seine Ladung frei.
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Das unterscheidet GDF-600 von bisher bekannten Waffensystemen auf Basis von Hyperschall-Gleitern. Üblicherweise hat der Gleiter selbst ein Sprengkopf oder eine Wuchtmasse, um durch den Aufprall mit Hyperschallgeschwindigkeit große kinetische Energie freizusetzen.
Bewaffnet mit Raketen, Bomben und Drohnen
Auf der Airshow wurden 5 verschiedene Ladungen für GDF-600 gezeigt. Diese sind Überschall- und Unterschallraketen, Loitering Munition (Kamikaze-Drohnen), Aufklärungsdrohnen und Bomben. Die Munitionsarten sind gebündelt, weshalb Gara den Gleiter als „Cluster-Plattform“ bezeichnet.
Da GDF-600 nicht wiederverwendbar ist und damit eher ein gelenktes Projektil anstatt Drohne oder Flugzeug ist, ist das zutreffend, weil er mehrere Raketen oder Bomben gleichzeitig freisetzt. Man könnte ihn deshalb auch als Hyperschall-Streumunition bezeichnen.
Die Beladung von GDF-600 kann gemischt werden. Auf der Airshow hatte das Modell von GDF-600 6 Kamikaze-Drohnen, 6 Aufklärungsdrohnen und 13 Unterschallraketen geladen. Die Raketen könnten im Zielgebiet Fahrzeuge angreifen. Die später eintreffenden Aufklärungsdrohnen analysieren die Zerstörung. Die Kamikaze-Drohnen werden dann genutzt, um weitere Ziele anzugreifen oder beschädigte Prioritätsziele, wie z. B. Kampfpanzer, endgültig zu zerstören.
Reichweite und Geschwindigkeit
Die Waffen und Drohnen haben stark unterschiedliche Reichweiten, je nachdem, in welcher Höhe sie vom Gleiter freigesetzt werden. Die Überschallraketen kommen etwa bis zu 500 km weit, die Unterschallraketen nur bis zu 100 km. Am wenigsten Reichweite haben die Aufklärungsdrohnen, mit maximal 15 km. Der Gleiter selbst hat eine Reichweite von bis zu 600 km. Im Idealfall ergibt sich also eine Gesamtreichweite von mehr als 1.000 km, wenn die Überschallraketen zum bestmöglichen Zeitpunkt freigesetzt werden.
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GDF-600 erreicht auf seinem Flug bis zu Mach 7 (8.643 km/h). Ab Mach 5 spricht man von Hyperschall. Sein Startgewicht beträgt 5 Tonnen, die Traglast 1,2 Tonnen. Neben den bereits vorgestellten Waffen seien laut Gara weitere Ladungen denkbar, wie etwa Störsender oder Radar-Täuschkörper, um der Luftabwehr eine angreifende Fliegerformation vorzugaukeln. Zudem würden sich verschiedene Arten von Bomben nutzen lassen, solange diese das richtige Format haben. Neben regulären Sprengstoff könnten die etwa Brandsätze oder Bomblets haben – die Hyperschall-Streumunition würde dann nochmal Streumunition abwerfen.
DF-17 als mögliche Startplattform
Auf dem Datenblatt wird eine Skalierbarkeit genannt. Größere Versionen von GDF-600 könnten bis zu 6.000 km Reichweite haben. Eine Startplattform wird nicht genannt. Prinzipiell könnte der Gleiter aber auf jeder Rakete eingesetzt werden, die ihn hoch genug bringen kann. Dazu gehören ballistische Raketen, die von Bombern in der Luft gestartet werden und Raketen, die von Kriegsschiffen aus abgefeuert werden. Möglich wäre auch Chinas ballistische Rakete DF-17, die einen Lkw-Starter nutzt.
Die DF-17 wird bisher mit dem Hyperschall-Gleiter DF-ZF genutzt. Der soll bis zu Mach 10 erreichen. Nach dem Abkoppeln von der Rakete hat er bis zu 1.000 km Reichweite. Die DF-17-Rakete selbst hat 1.550 km Reichweite, wodurch, bei optimalem Zeitpunkt des Abkoppelns, über 2.000 km Reichweite möglich sind.
DF-ZF kann mit einem konventionellem oder nuklearem Sprengkopf bestückt werden. Der Gleiter soll nicht nur gegen statische Ziele genutzt werden können, sondern auch US-Flugzeugträger, sollten die USA Taiwan beistehen, falls China seine Drohung einer Invasion wahrmacht.
Hyperschall-Gleiter sind schwer abzufangen
Der Vorteil von Hyperschall-Gleitern: Durch ihre Flughöhe und -geschwindigkeit sind sie nur schwer mit Raketen oder anderen aktuellen Flugabwehrmaßnahmen abzufangen. GDF-600 könnte damit die erste Linie der Luftraumsicherung des Feindes durchbrechen. Werden über dem Zielgebiet dann z. B. Gleitbomben abgeworfen, die ebenfalls schwierig abzufangen sind, wäre auch eine Nahbereichs-Luftverteidigung womöglich wirkungslos.
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Bei GDF-600 kommt der Vorteil hinzu, dass viele Ziele gleichzeitig angegriffen werden können. Anhand des ausgestellten Modells wäre eine Waffenlast von 25 Stück Raketen oder Kamikaze-Drohnen möglich. Damit könnte ein GDF-600 z. B. einen ganzen Schiffsverband auf einmal bekämpfen oder auf einem Flugfeld alle dort geparkten Kampfjets, Hubschrauber, Bomber und Transportmaschinen zerstören.
Technische Herausforderung
Fraglich ist, wie GDF-600 technisch umgesetzt wird. Beim Flug mit Hyperschallgeschwindigkeit entsteht große Hitze. Diese könnte die Waffenladung beim Freisetzen gefährden. Speziell die Suchköpfe der Raketen und Gleitbomben müssten robust genug sein, um nicht beschädigt zu werden. Die Waffen wären sonst „blind“ und damit nutzlos.
Die einfachste Lösung ist, dass GDF-600 vor dem Abwerfen seiner Ladung auf Überschallgeschwindigkeit hinunterbremst. Das würde der Flugabwehr aber eine Gelegenheit bieten, den Gleiter abzufangen. Um dieses Risiko zu reduzieren, könnte der Gleiter einen U-Haken fliegen. GDF-600 könnte mit Hyperschall über das Ziel hinwegfliegen, umdrehen, dabei auf Überschall abbremsen und dann die Ziele mit seiner Waffenlast von hinten angreifen. Das könnte den Feind nicht nur zusätzlich überraschen, sondern Lücken in seiner Luftabwehr ausnutzen.
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