Das Video dürfte schon einige Jahre auf dem Buckel haben.
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Militärtechnik

Transportflugzeug startet 12 Hyperschallraketen mit Revolver

Ein angeblich revolutionäres Startsystem für Hyperschallraketen ging in den vergangenen Tagen durch verschiedene Medien. "Die C-17 kann jetzt mit einem neuen Revolver-System Hyperschallraketen starten" schreibt etwa Interesting Engineering. Die Seite armyrecognition.com spricht von einer "bahnbrechenden Entwicklung in der militärischen Luftfahrt und der Raketentechnologie".

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Neuartiges Revolver-Startsystem?

Worum geht es? Boeing soll überraschend ein Video veröffentlicht haben, das ein neuartiges Revolver-Startsystem für Hyperschallraketen zeigt. Das System könne ein Transportflugzeug wie die C-17 Globemaster III in einen beeindruckenden Hyperschallraketenträger verwandeln. 

Die Abschussvorrichtung besteht aus 2 hintereinander angeordneten Trommeln mit je 6 Raketen. Ein elektromagnetisches Katapult befördert jeweils eine Rakete durch die Luke des Flugzeuges nach draußen, wo sie ihren Antrieb zündet. Die Trommel dreht sich weiter, sodass die nächste Hyperschallrakete gestartet werden kann. Bis zu 12 Boeing X-51A Waverider Hyperschall-Marschflugkörper sollen so in kurzer Folge gestartet werden können.

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Mehr als 10 Jahre altes Versuchsfluggerät 

Dass die Nachrichten Humbug sind und es sich um keine aktuellen Pläne handeln kann, wird spätestens an diesem Punkt klar. Bei Boeings X-51 handelt es sich nämlich um ein mehr als 10 Jahre altes Versuchsfluggerät mit Scramjet, mit dem man ursprünglich eine Geschwindigkeit vom Mach 6 übertreffen wollte. Die X-51A erreichte bei ihrem letzten Flug im Jahr 2013 allerdings nur Mach 5,1 und lag damit knapp über der Grenze der Hyperschallgeschwindigkeit (Mach 5).

Die Entwicklungen für die X-51 begannen Mitte der 2000er-Jahre. Am 26. Mai 2010 kam es zum Erstflug.

Insgesamt wurden nur 4 X-51 Waverider gebaut, wovon die letzte im Jahr 2013 ihren Testflug absolvierte. Daraufhin wurde die Entwicklung eingestellt. Aus der X-51 ist nie ein serienreifer Hyperschall-Marschflugkörper geworden.

Dass Boeing diese Technologie nach mehr als 10 Jahren wieder ausgräbt, ist mehr als unwahrscheinlich. Die futurezone hat beim Konzern zur Echtheit der Informationen nachgefragt, bislang jedoch noch keine Antwort erhalten.

Auf den offiziellen Kanälen von Beoing findet man ebenso wenig Hinweise auf den Revolver-Launcher. Die Falschmeldung lässt sich allerdings auf einen russischen Tweet zurückverfolgen, der lediglich von einem Konzept spricht und keinerlei Angaben zur Aktualität macht.

US-Militär testet bereits neue Hyperschallraketen mit Scramjet

DARPA, die Forschungsabteilung des US-Verteidigungsministeriums, ist weiterhin an Hyperschallraketen mit Scramjet interessiert . Das zeigt das Hypersonic Air-breathing Weapon Concept“ (HAWC), das 2021 erstmals einen Testflug durchführte.

2022 konnte der Scramjet bei einem zweiten Testflug eine Geschwindigkeit von mehr als Mach 5 erreichen. In diesem Test legte HAWC 555 Kilometer zurück und flog in einer Höhe von 19,8 Kilometern, etwa doppelt so hoch wie ein kommerzieller Passagierflieger.

Bei HAWK handelt es sich um eine kinetische Energiewaffe, die ohne explosiven Gefechtskopf auskommt. Der Schaden beim Ziel entsteht rein durch die Aufschlagkraft des Geschosses. Und je höher die Geschwindigkeit ist, desto höher die Krafteinwirkung am Ziel. Die Erkenntnisse aus dem HAWC-Programm werden dazu genutzt, um die massentaugliche "Hypersonic Attack Cruise Missile" der US Air Force zu entwickeln.

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Scramjet-Hyperschallraketen haben den Vorteil, bei niedrigerer Höhe fliegen zu können als zum Beispiel Hyperschall-Glider, die von Raketen auf die notwendige Höhe gebracht werden müssen. Durch die niedrigere Flughöhe können sie schwieriger von feindlichen Abwehrsystemen erfasst zu werden.

Scramjets benötigen allerdings Unterstützung, da sie zunächst auf Überschallgeschwindigkeit gebracht werden müssen, bevor der Scramjet-Antrieb übernehmen kann. Dazu kann ein Kampfflugzeug mit Überschallgeschwindigkeit fliegen, wenn der Marschflugkörper gestartet wird. Ist das nicht möglich oder wird etwa vom Boden oder Wasser aus gestartet, ist ein Booster mit gewöhnlichem Raketenantrieb nötig oder eine hybride Antriebslösung.

Rapid Dragon: Die Marschflugkörper auf der Palette

Dass Transportflugzeuge zu Bombern umgewandelt werden können, hat die US Air Force bereits mehrfach bewiesen. Im Rahmen des Rapid-Dragon-Programms entwickelte man ein "Bomb in a Box"-System. Darin befinden sich Marschflugkörper in einem palettengroßen System, das aus dem Frachtraum der Transportflieger abgeworfen wird.

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Mehrere Fallschirme bremsen den Fall des Waffensystems ab und stabilisieren die Palette, die die Marschflugkörper dann nach unten freigibt. Danach werden die Antriebe der Raketen bei ausgeklappten Flügeln gestartet, wodurch die Marschflugkörper wieder an Höhe gewinnen und ihre Mission ausführen können.

Mit solchen Lösungen können Transportflugzeuge sehr schnell und ohne Umbauten in Bomber verwandelt werden, beschreibt es die Air Force. Verglichen mit dem vermeintlich neuen Revolversystem mit elektromagnetischen Katapulten ist die Komplexität des Systems sehr überschaubar.

Mit Rapid Dragon können maximal 2 6-Rohr-Module von einer C-130 Hercules und 5 9-Rohr-Module von einer C-17 Globemaster III gestartet werden. Als Bewaffnung eignen sich mehrere Marschflugkörper, darunter auch die JASSM-XR mit einer Reichweite von mehr als 1.900 Kilometer. Einige der mit Rapid Dragon kompatiblen Marschflugkörper können auch mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden.

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