Ein Babyboomer weniger, ein Roboter mehr
Die Linzer Industrieelektronikfirma Schmachtl hat sich unlängst ihm Rahmen der Fachtagung "Momentum" dem Thema Industrie 4.0 und Robotik gewidmet. In mehreren Vorträgen wurden dabei verschiedene Aspekte der Produktion der Zukunft beleuchtet. Michael Mayr von Roboterhersteller KUKA hielt einen Vortrag über die Herausforderungen und Lösungen der Mensch-Roboter-Kollaboration am Arbeitsplatz. Mayr ist der Überzeugung, dass Roboter zunehmend Arbeitsplätze in der Produktion ausfüllen werden.
Zunehmende Automatisierung
Einige globale Trends sprechen laut Mayr für die Einführung von Robotern in der Produktion der Zukunft. Angesichts der Globalisierung haben viele Unternehmen Angst vor einer Produktionsverlagerung in Regionen mit günstigeren Rahmenbedingungen. Die alternde Gesellschaft sorgt wiederum für einen Arbeitskräftemangel. So genannte "Knochenjobs" oder "rote Arbeitsplätze" locken kein Personal. Die Kombination dieser Punkte spricht für einen vermehrten Einsatz von Robotern.
Der deutsche Autohersteller VW ist laut Mayr genau wie viele andere Unternehmen mit einer Masse an älteren Mitarbeitern aus den Babyboomer-Jahrgängen (zwischen 1946 und 1964 Geborene) konfrontiert, die kurz vor der Pension stünden. Roboter werden zunehmend als Ersatz für die große Abgangswelle gesehen. Aber nicht nur Babyboomer könnten künftig durch Roboter mit immer ausgereifteren Kollaborationsfähigkeiten ersetzt werden. Steigende Fluktuation in Unternehmen, hohe Personalkosten und der Mangel an Fachkräften bewegen viele Industrieunternehmen dazu, mehr "Unabhängigkeit vom Arbeiter" zu suchen, meint Mayr. Als Beispiele für eine immer stärker eingesetzte Automatisierung nennt er unter anderem die Elektronik-Giganten Foxconn und Samsung.
Chance für Kollaboration
Roboterhersteller wie KUKA sollen von dieser Entwicklung freilich profitieren. Robotik wird als einer der maßgeblichen Bestandteile der so genannten Industrie 4.0 betrachtet. Diese trachtet danach, sämtliche Bereiche der Produktion durch weitgehende Automation effizienter zu machen. Kollaborierende Roboter sollen in ihrer Geschicklichkeit dem Menschen halbwegs nahe kommen. Im Gegensatz zu Industrierobotern, die meist hinter Gittern arbeiten, werden sie in unmittelbarer Nähe zum Menschen eingesetzt. Sie erkennen Objekte, verstehen Gesten, lernen aus ihren Tätigkeiten und können vom Menschen auch mal per Hand manövriert werden.
Unternehmen im Robotikbereich sind beliebte Investitionsobjekte. KUKA sorgte zuletzt für Aufsehen, als das chinesische Unternehmen Midea ein milliardenschweres Kaufangebot vorlegte. Aktionäre und hochrangige Politiker warnten daraufhin vor einem Ausverkauf von deutschem Know-How an China. Die Firmenspitze versuchte, die Gemüter zu beruhigen und versicherte, dass KUKA nicht auswandern werde. Mayr hält die ganze Affäre für schwer übertrieben: "Wer eine AG gründet, muss mit so etwas rechnen." Das große Interesse an KUKA, Investitionen und Unterstützung beim Eintritt in den großen chinesischen Markt sieht er positiv.
Herausforderungen
Den wirklich breiten Durchbruch am Markt haben kollaborative Roboter noch nicht geschafft. Noch befinde man sich in der "Leuchtturmphase", meint Mayr. Robotikunternehmen betreiben derzeit noch viele Projekte mit hohem finanziellen Einsatz, etwa durch staatliche Forschungsförderung. Entwicklungen fänden oft unabhängig voneinander statt. Globale Normen und Standards fehlten noch in vielen Bereichen.
Die Wachstumsziele von KUKA sind unterdessen ehrgeizig. Bis 2020 will das Unternehmen um 50 Prozent wachsen. Die Kooperation mit Partnerunternehmen soll die Verbreitung der eigenen Technologie beschleunigen. Gemeinsam sollen auch Probleme wie die oft aufwändige Integration von Robotern in Produktionsprozesse gelöst werden. Roboter sollen künftig relativ schnell in Betrieb genommen werden, etwa durch grafische Programmierung.
Mensch in neuer Rolle
Schlussendlich müssen auch ethische Widerstände überwunden werden, um Roboter beliebter zu machen. "Der nimmt die Arbeitsplätze weg", zitiert Mario Urmann vom oberösterreichischen Maschinenbauer Trumpf eine verbreitete Meinung unter Angestellten in Produktionsbetrieben. In seinem Unternehmen werden seit Kurzem kollaborative Roboter eingesetzt. "Wenn die Mitarbeiter entlastet werden, wenn sie weniger schleppen müssen, ist das ein gutes Argument", sagt Urmann.
Dass Roboter Menschen immer öfter im Arbeitsleben ersetzen, sei nichts grundlegend Schlechtes, findet der Soziologe Roland Girtler. In seinem Vortrag bei der "Momentum"-Fachtagung erinnert er daran, dass es früher dem Adel vorbehalten war, keine körperliche Arbeit verrichten zu müssen: "Der Roboter ermöglicht es dem Mensch, nobel zu sein." Bereits in der Antike hielten es griechische Philosophen für einen Fortschritt, Dinge durch Automaten erledigen zu lassen. Karl Marx' Schwiegersohn, der Autor Paul Lafargue, vertrat die Ansicht, dass der Mensch danach streben sollte, nichts zu tun.
In einem größeren Kontext, abseits von Arbeitslosigkeit und Existenzängsten, sei die Übernahme von Arbeit durch Roboter laut Girtler zu befürworten. Roboter seien wichtige Werkzeuge für die Forschung und die Weiterentwicklung der Menschheit, etwa im Weltraum. Der Mensch hätte durch Roboter außerdem die Chance, sich Zeit für schönere Dinge (als Arbeit) zu nehmen, etwa Philosophieren, Lesen oder Theaterbesuche.