Flugreisen werden stärker zum Mobil-Erlebnis
Während in Paris neue Flugzeugmodelle vorgestellt werden, werden einige hundert Kilometer weiter, in Brüssel, neueste Entwicklungen bei Software für die Luftfahrt präsentiert. Am Rande der belgischen Hauptstadt findet parallel zur Paris Air Show der Air Transport IT Summit statt. Dieser wird alljährlich vom IT-Dienstleister SITA veranstaltet, der die technischen Grundlagen für einen Großteil der Luftfahrt-Industrie liefert. In diesem Jahr war auch die futurezone zu Gast.
In mehreren Vorträgen und Panel-Diskussionen wurden beim Air Transport IT Summit Trends und neueste Entwicklungen im Luftfahrt-Sektor erörtert. Eines der größten Themen, das die Luftfahrt-Industrie in nächster Zukunft stark beschäftigen wird, ist der Ausbau von mobilen Diensten. Heute betreibt bereits ein Großteil aller Fluglinien eigene Mobil-Apps. Die meisten davon sind derzeit aber einzig auf die Ticketbuchung, also den Beginn einer Flugreise, fokussiert.
Mobile Zukunft
"In Zukunft wird auch der Rest einer Reise mit der App steuerbar", erklärt Thomas Knierim, IT-Trend-Analyst bei SITA. Mit dem Smartphone wird man bei immer mehr Fluglinien einchecken, Buchungsänderungen durchführen, sein Gepäck in Echtzeit verfolgen oder sich über das Service an Bord beschweren können. Mobilgeräte werden im gesamten Flugprozess eingesetzt werden, sowohl von Passagieren, als auch vom Bord- und Bodenpersonal.
Bezahlvorgänge werden immer öfters mittels Mobile Payment vonstatten gehen und NFC könnte zum Ersatz für Kreditkarten und Boardingpässe werden. Neben Smartphones und Tablets werden künftig zudem auch Wearable-Geräte ihren Einzug in die Welt der Luftfahrt feiern.
Apps
Momentan werden Flugtickets noch zu einem geringen Umfang über Apps erworben. In Märkten, wo die Durchdringung mit smarten Mobilgeräten besonders hoch ist, sollen Ticketkäufe über Apps aber angekurbelt werden. Einzelne Fluglinien könnten physische Verkaufsstände auf Flughäfen dagegen schon bald völlig eliminieren, etwa Saudi Arabian Airlines, erklärt deren Chief Information Officer (CIO) Muhammad Ali Albakri.
Mit Apps sollen Flugreisen in Zukunft mehr zu einem ganzheitlichen, personalisierten Erlebnis werden. Bei Qatar Airways kann man per App etwa einen Zeitplan für seinen Flugaufstellen und ans Bordpersonal übermitteln. Damit weiß dieses etwa sofort, wann man während eines Langstreckenflugs ungestört sein will oder wann man zu essen plant. Hotel- oder Mietwagen-Buchungen werden zum Standardrepertoire von Airline-Apps gehören.
Auch auf Flughäfen sollen Apps das Passagierleben erleichtern. Der Flughafen von Kopenhagen bietet etwa einen Augmented-Reality-Guide an, der einen durch den Shopping- und Gate-Dschungel lotst. Mehrere andere Flughäfen arbeiten an App-Funktionen, durch die man online Lebensmittel einkaufen kann, die dann nach Hause geliefert werden. Die Funktion soll Reisenden Zeit ersparen und enge Öffnungszeiten kompensieren.
Social Networking
"74 Prozent aller Fluggäste haben Smartphones dabei", erklärt Shanshank Nigam, CEO des Luftfahrt-Beratungsunternehmens SimpliFlying. Großteils werde dieses während einer Flugreise dazu genutzt, um in Verbindung mit Freunden und Verwandten zu bleiben. Vielflieger zählen zu besonders intensiven Internetnutzern. Sie sind weitaus aktiver als der Durchschnitt. Sie erstellen Postings, kommentieren, beteiligen sich an Konversationen. Missfällt ihnen der Bordservice, landet diese Beschwerde sofort im Netz.
Fluglinien werden sich auf diesen Umstand in Zukunft wesentlich stärker einstellen. Nigam bringt dazu ein Beispiel, bei dem sich ein Passagier über die Facebook-Seite der Turkish Airlines über die Temperatur an Bord beschwert. Der Kundendienst der Fluglinie leitet die Beschwerde an den Pilot weiter. Innerhalb weniger Minuten tritt das Bordpersonal an den Passagier heran. Dieser ist von der Betreuung überrascht und teilt seine Begeisterung wiederum mit der Facebook-Gemeinde.
Alaska Air wiederum nutzt Social Networks, um seinen Kunden eine Landkarte mit ihren Freunden zur Verfügung zu stellen, auf denen man die jeweiligen Preise für einen Besuch per Flug-Anreise sieht. "Der vernetzte Reisende ist Realität", meint Nigam: "Wer nahe an den Kunden bleibt, gewinnt. Wer nicht, verliert." Die Bereitschaft zu Lernen und außerhalb vorgefertigter Verhaltensmuster zu denken, sei im Social-Network-Bereich maßgeblich für Fluglinien.
Mobile Payment
Ein weiterer Aspekt der mobilen Flugreise ist die mobile Geldbörse. Ticketkäufe sollen künftig etwa über eines der zahlreichen "wallets" abgewickelt werden. Wofür Mobile Payment aber noch wichtiger wird, sind die sogenannten "ancillary services", also Zusatzdienstleistungen. Wer künftig für größere Sitzabstände, Gepäckstücke oder Bordverpflegung zahlen will, soll dies wenigstens ohne größere Umstände tun können.
Für Airlines ist die Fragmentierung des Mobile-Payment-Marktes eine gewisse Herausforderung, der sie sich schnell annehmen sollten, meint Thomas Husson, Principal Analyst beim Marktforschungsunternehmen Forrester. Dem Mobile-Payment-Marktführer PayPal vertrauen jährlich mehr Kunden. 2013 sollen 20 Milliarden Dollar an Transaktionen über PayPal abgewickelt werden.
In Zukunft sollen aber andere Player den Ton angeben: Google, Microsoft, Amazon, Apple und Facebook haben eigene Mobile-Payment-Lösungen im Angebot und forcieren diese massiv. Zwischen den verschiedenen Anbietern gibt es eine Vielzahl an Abkommen und Allianzen. Für die Luftfahrt-Industrie bedeutet dies laut Husson: "Jetzt ist die Zeit um die eigenen Optionen abzuklären. Jetzt ist die Zeit um in den [Mobile Payment-]Markt einzutreten."
NFC
Für mobiles Bezahlen aber auch andere Anwendungen in der Luftfahrt wird Near Field Communication (NFC) ein großes Potenzial zugerechnet. NFC-befähigte Smartphones könnten in Zukunft etwa als Ersatz für einen ausgedruckten Boarding Pass dienen. Am Flughafen von Toulouse können Passagiere vom Parkhaus über den Security Check und in der Lounge mit NFC schneller vorankommen.
Als Vorreiter bei NFC am Flughafen gilt Japan. Im Fernen Osten expandieren mehrere Flugllinien ihre NFC-Funktionalitäten. Aber auch in Singapur oder Frankreich gibt es größere Initiativen zur Verbreitung der drahtlosen Übertragungstechnologie. SITA will einen globalen Standard namens "TAP n FLY" einführen, der die Kollaboration zwischen Airlines, Flughäfen und Mobile-Payment-Diensten erleichtern soll.
Derzeit ist NFC international noch ein Randthema. 45 Prozent aller Menschen haben bei drahtlosem Bezahlen noch Sicherheitsbedenken, meint Analyst Husson. 39 Prozent sind mit existierenden Zahlungsmethoden völlig zufrieden. "Der wahre Wert entsteht aus der Kombination verschiedener Technologien, nicht nur NFC", meint Husson: "Aber es wird noch Jahre dauern, bis die Kunden neue Methoden annehmen und genügend NFC-Geräte am Markt vorhanden sind."
Wearables
Wohin die Reise in Zukunft neben Smartphones und Tablets geht, zeigt Renaud Irminger, der Direktor des SITA Lab, als er bei seinem Vortrag plötzlich eine Vuzix Augmented-Reality-Brille aufsetzt. Für ihn ist klar: "Wearable Computing wird kommen. Vom Workflow-Standpunkt her sind diese Geräte fantastisch. Sie sind mobiler, agiler.
Irminger schildert Visionen von Boarding-Personal, die Passagiere und Boarding-Pässe durch eine Datenbrille ansehen. Ein grünes Licht im Blickfeld verrät ihnen, ob Gesicht und Zugangsgenehmigung zueinander passen. Die wartende Passagierschlange kann so schneller abgefertigt werden. Im Wearable-Bereich kann sich die Luftfahrt aber auch auf weiterführende Technologien einstellen. Irminger spricht etwa von Gehirnimplantaten, Augenimplantaten oder künstlichen Augenlinsen als transparente Displays für das gesamte Sichtfeld.
Durch Produkte wie Google Glass soll sich auch die Interaktion mit dem Passagier verändern. Während dieser im Shopping-Bereich eines Flughafen unterwegs ist, soll er etwa über seine Augmented-Reality-Brille (alternativ Smartphone oder Tablet) an das bevorstehende Boarding erinnert werden.
WLAN
Bei all den schönen Visionen kann man einen Haken erkennen, der heute noch unzureichend gelöst ist: Die nahtlose Internetverbindung. "Airlines könnten gratis WLAN anbieten", meint Berater Shanshank Nigam dazu. "Heute zahlt man meistens dafür. So funktioniert das einfach nicht." WLAN sei in der heutigen Welt ein Gut, das ständig gesucht wird.
Der vernetzte Kunde reise heutzutage "mit seinem Wohnzimmer in der Luft", so Nigam. Wie stellt man Kunden zufrieden, die netzwerkfähige Gadgets wie Tablets, Laptops, Kameras oder Smartphones ständig dabei haben. "Mit Steckdosen für jedes Gerät? Unmöglich." Kostenloses WLAN sei dagegen eine Leistung, die von drei Viertel aller Flugpassagiere begrüßt werden würde.
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