Digital Life

Jimmy Wales: "Wer sich rassistisch äußert, muss gehen"

Ohne Österreich wäre die Wikipedia nicht möglich gewesen, sagte Jimmy Wales, der Gründer der Online-Enzyklopädie am Mittwoch beim Pioneers Festival in Wien. Zur Wikipedia habe ihn auch ein Text des österreichischen Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Hayek inspiriert, in dem es darum ging, Menschen dazu zu ermuntern, ihr Wissen zu teilen. "Wenn man Leuten die geeignete Werkzeuge zur Verfügung stellt, können sie großartige Dinge machen", sagte Wales.

Gemeinsam mit Craig Palmer, dem Chef des Wikihosters Wikia, stellte Wales beim Pioneers-Festival das Portal Fandom vor, das Hintergrundwissen zu TV-Serien, Spielen und Filmen bietet. Die futurezone hat mit Wales und Palmer am Rande der Veranstaltung zum Autorenschwund bei der Wikipedia, zur Dominanz von Facebook und Google im Web und zu rassistischer Hetze in Online-Foren befragt.

futurezone: Mr. Wales, sie wurden als "wohlwollender Diktator" der Wikipedia beschrieben. Trifft das auf ihre Rolle bei der Online-Enzyklopädie zu?
Jimmy Wales: Ich bin nicht wohlwollend (lacht). Nein, im Ernst, ein Diktator war ich nie. Ich bin noch immer sehr stark in die Wikipedia involviert, in der Community und auch beim Spendensammeln. Die Wikipedia ist noch immer ein Teil meines Lebens.

Studien zeigen, dass die Zahl der Wikipedia-Autoren zurückgeht.
Jimmy Wales: Wir nehmen das sehr ernst, sehen es aber nicht dramatisch. Zuletzt haben wir sogar einen kleinen Anstieg gesehen. Die meisten Autoren hatten wir vor rund zehn Jahren. Früher war es auch einfacher etwas zur Wikipedia beizutragen. Sie konnten etwa schreiben: "Wien ist eine Stadt in Österreich". Wenn Sie heute in der Wikipedia etwas über Wien schreiben wollen, müssen sie schon sehr gut recherchieren, um noch etwas Neues hinzuzufügen. Derzeit bemühen wir uns vor allem die Qualität der Artikel zu verbessern.

Wann haben Sie zuletzt etwas für die Wikipedia geschrieben?
Jimmy Wales: (Denkt kurz nach) Gestern, ich habe einen Fehler ausgebessert. Jemand hat geschrieben, dass der Chef eines Unternehmens gegangen ist, was nicht stimmte. Ich habe das korrigiert.

In Österreich gab es zuletzt heftige Diskussionen über Hasspostings. Was kann man gegen rassistische Äußerungen im Web unternehmen?
Jimmy Wales: Wenn ich Kommentare in Online-Zeitungen lese, habe ich auch oft das Gefühl über den Zustand der Menschheit weinen zu müssen. Wenn sich jemand in der Wikipedia rassistisch äußert, wird er aufgefordert zu gehen. Software kann dazu beitragen, dass Leute, die Räume, in denen sie sich unterhalten, im positiven Sinne kontrollieren können. Es ist aber eine Frage der Balance. Denn niemand wird in einem Umfeld diskutieren wollen, in dem etwa Kritik an der Regierung verboten ist. Umgekehrt wird sich auch niemand in einem Umfeld wohlfühlen, in dem eine ernsthafte Diskussion über die Regierung nicht möglich ist.

Das Web wird zunehmend von Konzernen wie Google oder Facebook kontrolliert. Sind Sie darüber besorgt?
Jimmy Wales: Ich bin Optimist, aber ich denke, dass uns diese Entwicklung zu denken geben sollte. Wir sollten über offene Plattformen nachdenken und die Unternehmen auch dazu bringen, den Datentausch zwischen den Plattformen zu erleichtern. Ich sehe aber keine Zukunft, in der das Internet mit Google oder Facebook gleichgesetzt wird. Sagen wir so: Ich hoffe, dass es nicht soweit kommen wird.

Ihr Unternehmen Wikia, das Wikis zu Themen wie TV-Serien, Spielen und Filmen hostet, hat vor kurzem das Portal Fandom gestartet. Auch dort schreibt neben professionellen Redakteuren, Leute aus der Community. Was treibt sie an?
Craig Palmer:Viele Leute, die bereits an Fan-Wikis zu TV-Serien und anderen popkulturellen Inhalten mitarbeiten, sehen darin eine weitere Möglichkeit ihr Wissen zu teilen. Wir geben den Fans aber auch Zugang zu Events, den sie sonst nicht bekommen würden. Andere wollen aus dem Schreiben einen Beruf machen, und sehen in Fandom eine Chance auf sich aufmerksam zu machen. Zu Recht, denn bis zu 15 Prozent unserer angestellten Redakteure kommen aus der Community.

Sie haben von einem goldenen Zeitalter für Medien gesprochen. Die Ergebnisse von Medienunternehmen sprechen eine andere Sprache.
Craig Palmer: Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Allein in den USA sind im vergangenen Jahr 440 TV-Serien auf den Markt gekommen. Das sind doppelt so viele wie 2008. Und nicht nur das. Viele Serien sind von hoher Qualität und sehr komplex. Vergleichen Sie doch Serien wie "Game of Thrones" mit dem, was vor zehn Jahren produziert wurde.

Jimmy Wales: Ich halte es für einen Mythos, dass es Medienunternehmen schlecht geht. Die Qualität der Inhalte ist gestiegen, das gilt für TV-Serien, Spiele, Filme, aber auch für viele andere Inhalte. Traditionelle Medien müssen aber lernen, ihr Publikum mehr einzubinden.

Von welcher Serie sind Sie eigentlich Fans?
Jimmy Wales: Ich bin ein großer Fan von "Game of Thrones".
Craig Palmer: Das sehen wir beide. Jimmy ist ein Binge-Watcher, ich sehe mir jede Woche eine neue Folge an.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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