Digital Life

Ludologisches Lernen mit Lernspiel Ludwig

Spielen und dabei nicht merken, dass man etwas lernt. Auf diese Formel kann man jene Computerspiele reduzieren, die sich künftig in den Lehrplänen von Schulen finden. Die Idee ist simpel: Kinder lieben Computerspiele, also nützt man sie, um Lerninhalte zu vermitteln. In den USA sind solche Konzepte bereits im Einsatz. Ab sofort dürfen auch Österreichs Schüler im Unterricht ohne Reue spielen.

Das Pilotprojekt hört auf den Namen Ludwig und ist ein vom physikdidaktischen Institut der Universität Graz geprüftes Lernspiel für den Unterricht der fünften bis neunten Schulstufe. Ein außerirdischer Roboter, Ludwig, strandet auf der Erde und muss mittels erneuerbarer Energiequellen seine Heimkehr organisieren, indem er  naturwissenschaftliche Rätsel löst. So entdeckt man etwa, dass Holzkisten am Wasser schwimmen,  lernt so das Prinzip des Auftriebs und kann einen Heißluftballon basteln, um ein Hindernis zu überwinden. „Ludwig ist weltweit einzigartig. Es gibt kein Lernspiel, das so aufwendig gestaltet und auf den offiziellen Lehrplan zu 100 Prozent abgestimmt ist“, sagt Michael Wagner, wissenschaftlicher Leiter des Projekts.

Kein Ersatz für Lehrer und Bücher
Das Spiel soll den klassischen Unterricht aber nicht ersetzen. Lernspiele sind als Ergänzung zu sehen. „Ludwig ist nicht verpflichtend, Lehrer können über den Einsatz autonom entscheiden“, sagt Christian Dorninger vom Unterrichtsministerium. Durch die aktive Teilnahme könne der Lerneffekt gesteigert und durch das Mitgestalten Prozesse sowie Zusammenhänge besser verstanden werden. Das Interesse seitens der Lehrer sei groß, ein Testlauf habe durchwegs positives Feedback gebracht.

„Man muss die Kinder dort abholen, wo sie sich zu Hause fühlen“, sagt Jörg Hofstätter. Der Designer ist für Ludwig verantwortlich und hat das Spiel gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Team innerhalb der vergangenen drei Jahre entwickelt. Während der Entstehung wurde es an sechs Schulen getestet und anhand der Rückmeldungen verbessert. 11- bis 14-Jährige sollen so ihr Wissen über erneuerbare Energien erweitern. Für Schulen stehen 15.000 Vollversionen kostenlos zur Verfügung.

Keine Schleichwerbung
Unterstützt wird das Projekt vom Unterrichtsministerium, vom Klima- und Energiefonds sowie von der Verbund AG. Hofstätter betont, dass der Energielieferant im Spiel selbst nicht vorkommt, es sich um keine versteckte Werbung handelt. „Wir spenden 10.000 Lizenzen, haben aber sonst keinen Einfluss auf Inhalt und Gestaltung des Spiels“, sagt Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber.

Erfolg ist ungewiss
Erwartungen über den Erfolg hat keiner der Beteiligten. „So etwas gab es weder in Österreich noch international, weshalb Vergleichswerte fehlen“, sagt Hofstätter. Er wünscht sich, dass viele Schüler und Lehrer das Spiel einsetzen, eine Zahl kann er aber nicht nennen. Eine flächendeckende Verbreitung ist jedoch unrealistisch, da laut Dorninger nur ein Drittel der Schulen technisch für Ludwig ausgestattet sind – was aber immer noch rund 100.000 potenziellen Spielern entspricht.

Die Idee mittels Spielen zu Lehren gibt es an sich seit Jahrzehnten. Seitdem Videospiele fixer Bestandteil der Jugendkultur sind, wird nun verstärkt auf das digitale Lernpferd gesetzt. Durch das Übertragen ins Virtuelle ergeben sich jedoch Tücken. Während ein analoges Spiel alleine durch die Fantasie der Teilnehmer beschränkt ist, unterwerfen sich digitale Lernspiele technischen Restriktionen. „Damit ein Lernspiel überhaupt genutzt wird, muss es grafisch wie stilistisch gegen kommerzielle Spiele bestehen können. Sonst akzeptieren es die Schüler nicht“, sagt Hofstätter. Hinzu kommt natürlich, dass die Games Inhalte richtig und didaktisch korrekt vermitteln.

Großer Aufwand sucht Rechtfertigung
Diese Kombination stellt eine große Hürde dar. Will man ein gutes Spiel produzieren, das nicht binnen kürzester Zeit verstaubt wirkt, resultiert dies in großem Arbeitsaufwand. So stößt man schnell in Regionen eines regulären, kommerziellen Spiels, an dem mindestens 15 Mitwirkenden bis zu zwei Jahre arbeiten. Verschärfend kommt hinzu, dass gute Lernspiele meist nur einen kleinen Teilaspekt eines Wissensgebiets abdecken. All dies erklärt das geringe Interesse der Spielebranche an solchen Produkten.

Ohne Gelder der Privatwirtschaft nichts möglich
Digitale Lernspiele sind daher ohne Finanzierung der Privatwirtschaft nicht möglich sind. „Gute, aufwendig gestaltete Spiele brauchen Sponsoren“, sagt Wagner. Dorninger bestätigt dies. Kleine Spiele seien mit Fördermitteln möglich, große Projekte bedürfen aber der Unterstützung von Firmen. Dies wirkt sich dann auf die vermittelten Themen aus. Wenn sich kein Unternehmen findet, das mit der römischen Antike assoziiert werden will, gibt es auch kein entsprechendes Spiel für den Geschichtsunterricht. In solchen Fällen könne man aber auf bestehende, kommerzielle Computerspiele zurückgreifen, sagt Wagner. Civilization oder Europa Universalis seien durchaus für den Unterricht geeignet, solange man ein didaktisches Paket darum schnürt.

Pädagogisch nicht unumstritten
Kritik regt sich auch, am generellen Aufbau von digitalen Spielen: Sie sind streng reglementiert und linear. Will ein Schüler experimentieren oder aus dem Rahmen ausbrechen, ist dies nicht gestattet. Auch Scheitern, ein wichtiges Lernkonzept, ist wie im Fall von Ludwig oft nicht möglich.

Weiters wird von Medienpädagogik bemängelt, dass Schüler an ein Belohungsschema gewöhnt werden. Man schafft ein Rätsel oder lernt ein Fakt und wird sofort belohnt. Gibt es keine Instant-Gratifikation, verliert man die Lust am Lernen. „Solche Schemen gibt es überall in der Gesellschaft. Noten sind nichts anderes“, relativiert Wagner. Er stimmt aber zu, dass das „ständige Baumeln einer Karotte“ langfristig Probleme mit sich bringen könnte.

Warum man trotz großem Aufwand und offensichtlicher Grenzen auf das Game Based Learning setzt? Wagner: „An sich braucht man kein digitales Spiel. Aber es ist für Lehrer einfach praktikabel, da es ein kompaktes Lernpaket darstellt.“

Mehr zum Thema

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Benjamin Sterbenz

mehr lesen