Pinterest: “Ein Pin ist nicht nur ein Bild“
Es ist der allererste Tag im brandneuen Büro in der 808 Brannan Street in San Francisco, an dem die futurezone zu Gast ist bei der Bilder-Plattform. Die alten Räumlichkeiten gleich nebenan seien mit der Zeit einfach zu klein geworden, erzählt wie Barry Schnitt Kommunikationschef bei Pinterest. Nun breitet sich das Pinterest-Team, insgesamt an die 150 Leute, auf zwei loftartigen Ebenen aus. Bei einem kleinen Rundgang sind noch deutliche Umzugsspuren zu sehen, hie und da müssen Kleinigkeiten noch fertig gestellt werden. Davon abgesehen bietet das Büro natürlich alle Annehmlichkeiten und Spielereien, die man sich von einem Start-up an der kalifornischen Westküste erwartet.
Erst seit drei Jahren ist Pinterest in der Social-Media-Welt vertreten, zuletzt zählte die Plattform laut Zahlen von Comscore rund 50 Millionen Nutzer weltweit und wurde auf einen Wert von 2,5 Milliarden Dollar geschätzt. In den USA ist die Plattform neben Twitter und Facebook längst einer der meist frequentierten Dienste im Social Web. Was dabei bislang auffällt, ist die klare Dominanz der weiblichen User. "In Europa sind die Nutzerzahlen in Bezug auf die Geschlechter etwas ausgeglichener als in den USA", sagt Schnitt. Warum das so ist, dass weiß man bei Pinterest offenbar auch nicht ganz genau. Man habe jedenfalls nicht versucht, bewusst ein weibliches Publikum anzusprechen. "Wir wollten immer eine Plattform sein, die von allen genutzt werden kann", sagt Schnitt. Mit diesem Gedanken sei Pinterest auch designt worden.
"Als die Seite gestartet ist, wurde sie zunächst vor allem durch Blogger beworben. Die haben dann mit gewissen Kategorien begonnen, die ihnen gut erschienen: Dekor, Mode, etc. Von dort weg ist Pinterest dann gewachsen", erklärt Schnitt. In jenen Ländern, wo die Plattform überhaupt nicht vermarktet worden sei, habe sich von Beginn an ein natürlicheres Wachstum, mit mehr Ausgewogenheit zwischen den Geschlechtern, entwickelt. "Aber auch wenn man meint, Themen wie Essen oder Mode interessieren vor allem Frauen, so denke ich, dass sich auch immer mehr Männer für diese Bereiche begeistern", so Schnitt. Pinterest versuche jedenfalls nicht, sich gewaltsam in irgendeine Geschlechterrichtung zu entwickeln. "Wir konzentrieren uns auf unsere Kern-Funktionen."
Marketing-Spielwiese
Zwar hat Pinterest seinerseits bislang kein Werbemodell anzubieten, dennoch tummeln sich vor allem Marketing- und Werbeleute besonders gerne auf der Plattform. Sie haben schnell erkannt, dass sie sich mit den richtigen Pins beachtlichen Traffic auf ihre Seiten holen bzw. so ihre Produkte und Marken bewerben können. "Marken sind ein Teil des Pinterest-Erlebnisses", sagt Schnitt. "Die Leute bringen diesen Content auf die Seite, weil sie sich in einer Weise mit den Produkten verbunden fühlen und ein gewisses Interesse daran haben." Daher habe man auch Tools wie den "Pin-it"-Button, den Firmen auf ihren Webseiten integrieren können, erklärt Schnitt.
Nützlichkeit steht im Vordergrund
Auch wenn Pinterest wie viele andere Plattformen zumindest in weiterem Sinne unter dem Begriff Social Media zusammengefasst wird, will man sich mit Facebook, Twitter und Co eigentlich gar nicht vergleichen. Auch Tumblr, das zum Teil stark auf Fotos aufbaut, sei im Grunde etwas ganz anderes, sagt Schnitt. "Pinterest wird eher als Tool, aus praktischen Gründen genutzt, etwa wenn jemand ein Rezept braucht. Tumblr hingegen sehe ich viel mehr als Unterhaltungsplattform." Natürlich befänden sich letztlich alle im Rennen um die kostbare Zeit der User, die Nutzung von Pinterest sei aber eine völlig andere.
Herausforderung Urheberrecht
Von Beginn an warf Pinterest Fragen rund um das Urheberrecht auf, was geschieht, wenn Bildrechte verletzt werden? "Wir respektieren natürlich Copyrights und wollen jedem den Wert und Verdienst seiner Arbeit zuschreiben. Wir denken, dass die Leute von Pinterest profitieren." In der Regel sei es inzwischen eher so, dass die Urheber mehr von ihren Inhalten auf der Plattform sehen wollten als diese herunternehmen, so Schnitt.
Es gibt aber auch Tools für jene, die ihren Content wirklich nicht auf Pinterest sehen wollen. Diese verhindern, dass ein Bild von ihrer Webseite gepostet werden kann. "Die Webseitenbetreiber können einen Code ähnlich robots.txt auf ihren Plattformen implementieren, sodass man nicht einfach so ihre Bilder pinnen kann", erklärt der Unternehmenssprecher. Von gewissen Partnerseiten, beispielsweise Flickr, werden bei Pins darunter auch die Logos der jeweiligen Plattform angezeigt, von der die Bilder stammen. So sei die Quelle besser nachvollziehbar. Werden Fotos von Privatusern gegen deren Willen auf Pinterest gestellt, können diese gemeldet werden und Pinterest nimmt sie dann herunter. "Das stellt eigentlich die meisten Leute zufrieden", so Schnitt.
Dass User es bewusst darauf anlegen, Urheberrechte zu verletzen oder unerlaubten Content zu verbreiten, komme nur in wenigen Ausnahmefällen vor, sagt Schnitt. "Die überwiegende Mehrheit der Nutzer versucht sich konstruktiv zu verhalten." Dass man jemanden wirklich sperren muss, weil regelmäßig gegen die Nutzungsregeln verstoßen wird, sei sehr selten, so Schnitt. Bisher werde das hauptsächlich manuell überwacht. Für die Zukunft plant Pinterest allerdings, einige automatisierte Tools einzuführen, die diese Arbeit für das Team erleichtern sollen.
Zukunft: Empfehlungen und Fokus auf Mobile
Kürzlich führte Pinterest einige neue, kostenlose Business-Tools ein, mit denen Webseiten beispielsweise den durch Pins generierten Traffic analysieren können. "Letztlich soll das dazu führen, dass die Nutzer bessere Inhalte zu sehen bekommen und dass die Marketer bessere Informationen erhalten", so Schnitt.
Außerdem wurde Pinterest einem Redesign unterzogen, dabei wurde auch ein neues Feature gestartet, das anzeigt, in welchem Kontext bzw. in welcher Collection andere Nutzer ein bestimmtes Bild gepinnt haben. "Wie sich herausgestellt hat, ist das ein sehr cooler Faktor, um neue Dinge zu entdecken, wir nennen das auch den Interest Graph", erklärt Schnitt. In Zukunft sollen auf dieser Basis noch bessere und auf den User zugeschnittene Empfehlungen gegeben werden. Auch neue Businesstools sollen hinzu kommen. "Wir versuchen Pinterest noch nützlicher zu machen", so Schnitt. "Ein Pin ist nicht nur ein Bild, es repräsentiert etwas. Wenn es da eine Mahlzeit gibt, dann wollen wir dabei helfen, sie zuzubereiten."
Die mobile Nutzung hat mittlerweile die Desktop-Nutzung bei Pinterest überholt. "Noch am selben Tag, als wir die iPad-App gestartet hatten, überschnitten sich auf einmal die beiden Kurven", sagt Schnitt. Insofern ist das Thema auch eines der vodersten bei der Plattform. "Allerdings denken wir hier eigentlich nicht in der Kategorie Mobile, wir schauen uns die einzelnen Geräte an. Auf jedem Gerät - Desktop, Tablet, Smartphone - wird Pinterest unterschiedlich genutzt", so Schnitt. Daher gehe es darum, für diese Nutzungsgewohnheiten die jeweils besten Features anzubieten.
Unbeeindruckt von Copycats
Pinterest wurde, besonders frech von den berühmt berüchtigten Samwer-Brüdern, auch schon mehrfach kopiert. Kopfzerbrechen bereiten diese Webseiten dem Unternehmen laut Schnitt jedoch nicht wirklich. "Natürlich sind wir nicht glücklich darüber, wenn jemand unser Design kopiert, aber wir konzentrieren uns in erster Linie auf uns selbst und unsere Kernfunktionen." Sorge bereite das also keine, es gebe vieles im Hintergrund, das das Geheimnis von Pinterest ausmache. Einfach nur eine Idee oder ein Design zu kopieren, sei längst nicht genug, um Schritt zu halten. "Wir sind damit beschäftigt das nächste Pinterest zu bauen, die sind damit beschäftigt das alte Pinterest nachzumachen", zeigt sich Schnitt gelassen.
Auf der Suche nach dem Geschäftsmodell
Noch weiß die Plattform allerdings nicht so recht, wie sie eines Tages auch Geld verdienen soll. "Es gibt eine gewisse Vorstellung davon, in welche Richtung es gehen soll", sagt Schnitt. Man habe derzeit jedoch nichts anzukündigen. "Der grobe Gedanke ist, dass Pinterest eine einzigartige Möglichkeit bieten könnte - durch welche Einnahmequelle auch immer, potenziell Werbung - den Nutzern einen Mehrwert zu verschaffen."
Marken, Produkte, Interessen seien auf Pinterest ein Teil des Nutzungserlebnisses. "Wenn also jemand sagt: Mir gefällt diese Lampe, dann soll auch jemand die Möglichkeit haben, zu sagen: Ja, ich habe diese Lampe im Angebot und du kannst sie ohne Versandkosten bestellen", erklärt Schnitt. Möglicherweise müssten die Anbieter dafür dann Geld an Pinterest bezahlen. "So würden alle Seiten voneinander profitieren", so Schnitt weiter. Bisher sucht Pinterest allerdings noch nach der passenden Form, diese Idee auch umzusetzen.
Momentan konzentriert man sich noch darauf, die Plattform weiter aufzubauen. "Wichtig wird jedenfalls sein, den Usern einen Nutzen zu verschaffen und sie nicht abzulenken", sagt Schnitt. Freemium-Modelle, also zusätzliche kostenpflichtige Services, schließt der Kommunikationschef jedenfalls aus. "Das ist für uns keine Überlegung."
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