Senioren wollen keine Seniorenhandys
Die Generation 60+ steht bei der Handy- und Internetnutzung jüngeren Usern kaum mehr nach. 93 Prozent der über 60-Jährigen besitzen ein oder mehrere Handys, und auch das Internet wird mittlerweile von knapp der Hälfte täglich verwendet. Das sind die Ergebnisse einer Seniorenstudie der GfK Austria, die von A1 in Auftrag gegeben und am Dienstag in Wien präsentiert wurde.
Wachsender Markt
Der Senioren-Markt im Bereich Internet und Mobilfunk wächst A1 zufolge stark. Um noch mehr Seniorinnen und Senioren für moderne Technologien zu begeistern, bietet A1 seit zwei Jahren kostenlose Computer- und Smartphone-Kurse an, die eigenen Angaben zufolge schon von knapp 15.000 Senioren besucht wurden. Die ältesten Teilnehmer bewegen sich zwischen 90 und 100 Jahren. Gelehrt werden neben Einsteigerwissen auch der Umgang mit Bildbearbeitung, E-Mails oder Skype.
Fast die Hälfte mit Smartphones
Das zeigt sich auch in der Gerätenutzung. So verwenden bereits 43 Prozent der 60- bis 70-Jährigen ein Smartphone, Seniorenhandys sind mit fünf Prozent Marktanteil praktisch kaum verbreitet. Und selbst bei den über 70-Jährigen, von denen jeder vierte ein dezidiertes Seniorenhandy besitzt, sind die Smartphone-Nutzer laut GfK-Studie mit 22 Prozent am Aufholen. „Entgegen der weit verbreiteten Annahme kaufen sich zwei Drittel aller über 60-Jährigen ihre Handys selbst und fast jeder Dritte hat sich sogar den Internet-Anschluss selbst organisiert und installiert.“
In einer aktualisierten Gratis-Broschüre, die mit Saferinternet.at entwickelt wurde, versucht A1 der Internet-interessierten älteren Generation den Einstieg zu erleichtern. „Viele ältere Menschen haben zunehmend das Gefühl, digitale Analphabeten zu sein. Während wir uns bei jüngeren Menschen eher um die Bewusstseinsbildung bezüglich etwaiger Gefahren und Preisgabe persönlicher Daten kümmern, geht es bei Älteren in erster Linie darum, diesen die Angst vor den neuen Technologien zu nehmen und ihnen Mut zu machen, Dinge einfach auszuprobieren“, sagt Bernhard Jungwirth von saferinternet.at, der die Broschüre mitentwickelt hat.
Respekt vor dem Computer
Dass Einstiegshürden existieren, bestätigt im Interview mit der futurezone auch die junggebliebene Internet-Nutzerin Mathilde Menches, die mit ihren 78 Jahren längst nicht zu den ältesten Kursteilnehmerinnen zählte. „Natürlich ist da eine gewisse Furcht da, dass man alles richtig macht. Auch die Bedienung der Maus war anfänglich ein wenig mühsam. Aus diesem Grund überlege ich mir auch, als nächstes ein Tablet zu kaufen, da die Bedienung da um ein Vielfaches einfacher ist“, sagt Menches, die ihr selbst gekauftes Notebook in erster Linie zum Surfen, E-Mailen und zum Spielen benutzt.
Tabu Online-Banking
Einen gewissen Respekt hat Wilhelm Menches trotz seiner langjährigen Computernutzung aber dennoch: „Persönliche Daten, Kontonummern, Online-Banking – das ist für mich Tabu. Da kenne ich mich einfach zu wenig aus bzw. fühl ich mich dem Medium einfach nicht gewachsen“, sagt Menches. Man müsse im Internet schon stark aufpassen, immer wieder werde man auch verleitet, irgendetwas anzuklicken oder zu laden, was dann Geld kostet. Auch die Installation von Sicherheitssoftware überlasse er seinem Sohn, so Menches zur futurezone.
Bei der Handynutzung gibt es noch deutlichere Unterschiede zu jüngeren Bevölkerungsschichten. Denn ungeachtet der hohen Verwendungsdichte nutzen über 60-Jährige ihre Mobiltelefone in erster Linie neben dem Telefonieren für den SMS-Versand bzw. als Uhr-Ersatz. Spielen, Musik hören oder überhaupt Apps installieren probiert nur jeder Fünfte aus, hier liegen vor allem News- und Wetter-Apps sowie Foto- und Navigation-Apps im Trend.
Preis spielt kaum eine Rolle
Wider erwarten spielt laut GfK-Untersuchung der Preis für Internet- und Mobilfunkdienste nur eine untergeordnete Rolle. „Die heutige Konsumentenschaft ist weniger durch ihre sozioökonomischen Voraussetzungen wie Einkommen, Berufsschicht, Bildung geprägt, sondern eher durch die Interessen und den Lebenstil bestimmter Gruppen. Gerade der Kommunikationssektor ist ein Bereich, wo Menschen traditionellerweise eher bereit sind, Geld auszugeben“, sagt Marktforscher Bretschneider.
Dass moderne Technologien die Kommunikationsbarrieren für ältere Menschen mit Sicherheit verringert hätten, sei ein positiver Nebeneffekt, der das subjektive Wohlbefinden im Alter erhöht habe, so Bretschneider. „Die Altersstruktur hat sich in den vergangenen 30 Jahren definitiv stark gewandelt. Das zeigt auch das durchschnittliche Eintrittsalter in Seniorenheimen, das von über 70 auf über 80 stark gestiegen ist. Die gesundheitlichen und finanziellen Voraussetzungen sowie die Lebenserwartung haben sich ebenfalls stark verbessert, all das prägt natürlich die Selbst- aber auch die Außenwahrnehmung von Seniorinnen und Senioren“, sagt Bretschneider.