Smartphones stressen immer mehr Jugendliche
98 Prozent der Jugendlichen besitzen heutzutage ein Handy und fast alle davon nutzen dieses täglich. Die meisten bekommen im Alter von acht bis neun Jahren ihr erstes Smartphone von den Eltern. Doch nicht alle Kinder sind damit glücklich, denn sie fühlen sich von den Handys zunehmend unter digitalen Druck gesetzt. „Manche Kinder werden zappelig, andere grantig, wieder andere werden müde. Das hängt vom Typ an, wie sich dieser Stress auswirkt. Man kann es herausfinden, wenn man seine Kinder genau beobachtet“, erklärt Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin der Plattform Saferinternet.at.
Gruppenzwang und Langeweile
Einer aktuellen Untersuchung im Auftrag von Safer Internet unter 400 Jugendlichen zwischen elf und 17 Jahren fühlen sich 35 Prozent zunehmend von ihren digitalen Geräten gestresst. Bei den 15 bis 17-Jährigen sind es sogar 44 Prozent. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie das Handy oft von Hausaufgaben ablenkt. Manchmal greifen Jugendliche aber auch einfach aus Langeweile zu ihrem Handy. Auch das Gefühl, etwas zu verpassen, hält viele davon ab, ihre Geräte längere Zeit auf die Seite zu legen.
„Mit zwölf will man sich anpassen und der Gruppenzwang ist größer und man fühlt sich sonst schnell ausgeschlossen“, sagte etwa eine 17-jährige Schülerin, die im Zuge der Untersuchung befragt wurde. Oft sind es nämlich WhatsApp-Gruppen, die Jugendliche dazu bringen, ihr
Smartphone regelmäßig zu benutzen. Hier werden oft hunderte Nachrichten innerhalb von wenigen Minuten verschickt.
Handy auch in der Nacht im Zimmer
Die Hälfte der Jugendlichen erwartet von ihren Gegenübern zudem entweder sofort oder binnen ein paar Minuten eine Antwort auf ihre Nachrichten. Gleichzeitig fühlen sie sich aber selbst davon
gestresst, sofort antworten zu müssen. Bei 60 Prozent der Jugendlichen liegt das Smartphone auch in der Nacht in ihrem Zimmer, manchmal sogar direkt neben dem Bett. Bei 31 Prozent ist der Blick aufs Handy sogar das erste, was sie in der Früh nach dem Aufwachen machen.
„Da gibt es zwischen Kindern und Eltern oft stark unterschiedliche Angaben. Viele Eltern glauben, dass das Handy in der Nacht nicht im Zimmer ihres Nachwuchses liegt“, sagt Buchegger. Die Expertin empfiehlt, dass Eltern gemeinsame Regeln zur Handynutzung in der Familie festlegen sollten. In rund 36 Prozent aller Fälle gibt es solche bereits. „Die häufigsten Regeln, die zum Einsatz kommen, sind das Handyverbot beim gemeinsamen Familienessen oder das Verbot während des Erledigens von Hausaufgaben“, sagt Buchegger.
Technische Maßnahmen zum Abschalten
Viele moderne Smartphones bieten außerdem bereits technische Funktionen an, mit denen sich bestimmte Apps zeitlich limitiert sperren lassen. Damit lässt sich etwa festlegen, dass Jugendliche in der Nacht zwischen 22.00 und 07.00 Uhr keine Nachrichten per
WhatsApp abrufen können, oder in einem definierten Zeitraum am Nachmittag, um in Ruhe Hausaufgaben zu erledigen. „Bei Smartphone-Herstellern und Anbietern von Apps hat hier in den vergangenen Jahren ein Umdenken eingesetzt. Auch sie wollen, dass die Nutzung des Geräts mit positiven Gedanken verknüpft wird“, erklärt Maximilian Schubert vom Internet-Provider-Verband ISPA. Der „Flugmodus“ oder die „Nicht-Stören“-Funktion auf den Handys sind ebenfalls wertvolle Tools, um für weniger digitalen Stress zu sorgen.
Auf iOS 12 heißt die Funktion, die die Zeit, die man mit dem Smartphone verbringt, anzeigt, etwa „Screen Time“. Auf Android Pie gibt es mit „Digital Wellbeing“ ebenfalls ein Pendant dazu, auf Facebook heißt die Funktion „Deine Zeit auf Facebook“ und bei YouTube „Wiedergabezeit“. Damit lässt sich jeweils auch die Nutzungszeit einer bestimmten Anwendung extra regeln. Eltern sollten bei den Smartphones ihrer Kinder zudem die Benachrichtigungen deaktivieren.
Eltern oft nicht besser als Kinder
Doch die Jugendlichen ärgern sich oft nicht nur über ihr eigenes Verhalten, sondern auch über das ihrer eigenen Eltern. 34 Prozent nervt es, wenn ihre Eltern zu viel aufs Handy schauen, bei 24 Prozent schauen die Eltern selbst während des Familienessens ständig auf ihre Smartphones. „Das ist problematisch, weil Erwachsene hier eine ganz starke Vorbildwirkung haben“, so Buchegger.
59 Prozent der befragten Jugendlichen sind auch genervt, wenn ihre Freunde zu oft aufs Handy schauen, wenn sie gemeinsam unterwegs sind. Hier empfehlen Experten von Safer Internet etwa, einen sogenannten „Handyturm“ zu bauen. „Gleich wenn man sich gemeinsamen an den Tisch setzt, werden die Handys eingesammelt und auf einen Stapel gelegt. Erst am Ende des Treffens werden die Geräte wieder verteilt“, rät Buchegger.
Alternativen zur Motivation
Damit Kinder sich nicht aus Langeweile mit ihren Smartphones beschäftigen, seien oft ebenfalls die Eltern gefragt. „Es ist wichtig, den Kindern auch Alternativen aufzuzeigen und sie zu Aktivitäten zu motivieren. Sei es, dazu ein altes Spiel aus ihrer eigenen Kindheit wieder auszugraben, oder ihnen erlauben, auf den elterlichen Betten herumzuhüpfen“, sagt Buchegger. Jugendliche seien sehr an Maßnahmen interessiert, um zwischendurch abzuschalten so Buchegger. Ein Tag ohne Handy löst nur bei rund einem Drittel der Befragten negative Gefühle aus. „Am Anfang waren Offline-Zeiten ein bisschen gewöhnungsbedürftig“, erklärt eine 18-jährige Schülerin. „Doch jetzt haben sich alle damit abgefunden.“