Digital Life

Tückische Kulanz-Deals nach Horrorrechnungen

Mobiles Internet auf Smartphones und via USB-Modem am Computer bleibt in Österreich weiter ein Sorgenkind: Der Wiener Harald B. etwa wurde kürzlich mit einer Monatsrechnung von 570 Euro konfrontiert, weil ein Virus offenbar übers Wochende unkontrolliert Daten aus dem Netz gesaugt hatte. Weil er einen älteren Tarif bei Drei hat, wurde die Übertragungsgeschwindigkeit nicht gedrosselt, und mit der Überschreitung seines Datenlimits schnellten die Monatskosten von 15 Euro plötzlich auf das 38-fache hoch.

Der Anbieter zeigte sich nach Anfrage von B. zuerst kulant und erließ ihm 220 Euro. Beim genaueren Hinsehen des Angebots stellt B. aber fest, dass er sich zusätzlich zu seinem bestehenden Vertrag weitere 24 Monate vertraglich an Drei binden musste. “Das ist reine Bauernfängerei”, so B. zum KURIER. Ihm würde die Vertragsverlängerung in Summe teurer kommen als die Schock-Rechnung. Er verlangt von Drei jetzt einen neuen Lösungsvorschlag und will gegebenenfalls auch rechtliche Schritte einleiten.

Viele Fälle

Dass Kulanzangebote seitens der Mobilfunker Vertragsverlängerungen als Bedingung haben, hat in Österreich Schule gemacht - B. ist kein Einzelfall. “Es scheint Gepflogenheit geworden zu sein, dass solche Deals angeboten werden”, sagt Renate Wagner, Rechtsexpertin vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). “Sie sind aber nicht immer im Sinne des Konsumenten, sondern nützen vielmehr dem Anbieter.” Das VKI hätte regelmäßig mit Fällen wie dem geschilderten zu tun, in den nächsten Wochen und Monaten rechne man mit weiteren vergleichbaren Konsumentenbeschwerden.

Der Hintergrund: Derzeit läuft in Österreich ein Musterprozess gegen Handy-Betreiber wegen Sachwuchers (die futurezone

). Ihnen wird zur Last gelegt, unverhältnismäßig hohe Kosten für Datennutzung nach Überrschreitung des Limits zu verrechnen, was wiederum Horrorrechnungen mit teilweise existenzbedrohenden Kosten zur Folge hätte. Bis es eine Entscheidung in dem Prozess gibt, sind betroffene Kunden auf Kulanzangebote der Mobilfunker angewiesen.

Weit verbreitet
Die Handy-Betreiber machen daraus auch kein Geheimnis. “Generell sieht eine Kulanz-Lösung oft folgendermaßen aus: Der Kunde bekommt von Drei einen gewissen Betrag gutgeschrieben, dies geht einher mit einer Bindungsverlängerung”, so Christine Weilhartner, Sprecherin von Drei, zum KURIER. “Die Höhe der Gutschrift sowie die Dauer der Bindung variieren von Fall zu Fall.” Auch bei T-Mobile und A1 sieht es ähnlich aus. “Oft einigt man sich bei einer einmaligen Datenüberschreitung auf eine Vertragsverlängerung”, sagt Christina Laggner, Pressesprecherin von T-Mobile. Meist würde mit dem Kunden gemeinsam ein Tarifwechsel, der auch eine Vertragsverlängerung zur Folge haben kann, vereinbart werden, so A1-Sprecherin Livia Dandrea-Böhm.

Einzig Anbieter Orange schert aus der Branchen-Praxis aus. Früher hätten Kulanzangebote oft Vertragsverlängerungen vorgesehen, “aber wird sind noch viel kulanter geworden und geben eine Gutschrift”, sagt Orange-Sprecher Tom Tesch zum KURIER. “Der Kunde kann, muss aber keine Vertragsverlängerung eingehen.”

Tipps
Betroffene müssen Kulanzangebote ihres Handy-Betreibers aber nicht annehmen, rät Wagner vom VKI, sondern könnten Einspruch erheben. Dazu würde aber nicht ein Anruf bei der Hotline oder eine eMail reichen, besser sollte der Einspruch per eingeschriebenen Brief erhoben werden. Außerdem solle man eine Kopie des Einspruchs an die österreichische Regulierungsbehörde RTR schicken, denn nur so könne die Fälligkeit der Forderung nach hinten verschoben werden.

Außerdem kan man die Schlichtungsstelle der RTR bemühen, die telefonisch unter 0810 511811 (EUR 0,07/Minute, Montag bis Freitag 8 bis 17 Uhr) oder unter online unter www.rtr.at/de/tk/Webformular erreichbar ist. In vielen Fällen kann so ein für den Kunden besseres Kulanzangebot mit dem Anbieter ausgehandelt werden.

Alles inklusive
Seitens der Mobilfunker gibt es bereits ein Mittel gegen Horrorrechnungen: Neue Tarifmodelle wie “Supernet” von Orange, “3Superphone”, “All Inclusive” von T-Mobile oder “A1 Smart 2000” sehen vor, dass die Internetgeschwindigkeit nach Überschreiten der inkludierten Menge gedrosselt wird (meist auf 64 Kbit/Sekunde). Dem Kunden wird die zusätzliche Online-Nutzung nicht verrechnet, er hat dafür aber nur eine sehr langsame Verbindung.

Da die neuen Endlos-Internettarife sehr neu sind, haben sie bis dato nur wenige österreichische Konsumenten aktiviert. Bei Orange, T-Mobile und A1 sind es weniger als zehn Prozent bei Kunden, allein beim kleinsten Mobilfunker Drei haben 45 Prozent der Handy-Kunden bereits unlimitiertes Breitband-Internet inkludiert. Alle Österreicher mit älteren Tarifen sind deswegen noch potenzielle Opfer einer Horrorrechnung bei Überschreitung ihres Datenlimits.

Neuer T-Mobile-Tarif
Wie der KURIER exklusiv erfahren hat, wird T-Mobile deswegen kommenden Dienstag neue Angebote für Bestandskunden einführen. Mit “Web Unlimited 300 MB” (5 Euro/Monat) und “Web Unlimited 3GB” (10 Euro/Monat) können sie Zusatzpakete zu ihren alten Tarifen aktivieren. Diese sehen außerdem vor, dass bei Überschreitung des inkludierten Volumens keine Zusatzkosten anfallen. Ein besonderes Zuckerl: Die Geschwindigkeit wird auf nur 128 kbit/s und nicht wie sonst auf 64 kbit/s gedrosselt.

Mehr zum Thema

Unter Kulanz versteht man das Entgegenkommen von Vertragspartnern (z.B.
Mobilfunker und Handy-Kunde) nach Vertragsabschluss und bedeutet einen Rechtsverzicht. Kulant zeigen sich Firmen meist dann, wenn sie Serviceleistungen auch nach Ablauf der Garantie gewähren, aber natürlich auch im Falle von Horrorrechnungen.
Für Unternehmen stellt Kulanz ein wichtiges Mittel zur Kundenbindung dar. Sie können so Unzufriedene mit einem besseren Angebot zufriedenstellen und sie als Kunden behalten.

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Jakob Steinschaden

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