Stray im Test: Auf vier Pfötchen durch die Dystopie
Das Katzenabenteuer „Stray“ hat sich zurecht in kurzer Zeit vom Geheimtipp zum Hit entwickelt, denn es macht fast alles richtig. Spieler*innen lenken eine Katze durch überwucherte Beton-Ruinen. Ein Sprung geht aber ins Leere und befördert sie in eine mysteriöse Unterwelt voller niedlicher, aber tödlicher Monster und freundlicher Roboter. Zusammen mit einer kleinen Drohne, sucht sie einen Weg zurück nach oben.
Dabei lasse ich die Katze leichtfüßig von Vorsprüngen auf Rohre springen, über Geländer balancieren und sich durch Nischen quetschen. Es ist aber kein Plattformer bzw. keine Parcours-Kletterei wie bei Assassins Creed. Es reicht aus, einen erreichbaren Ort anzuvisieren. Dann muss man lediglich eine Taste drücken und die Katze springt und landet automatisch am Ziel.
Das klingt einfach und zumindest ist die Fallhöhe gering, wenn man sich keine Sorgen machen muss, überall herunterfallen zu können. Die Herausforderung ist es vielmehr zu wissen, was man eigentlich sucht und wo man dafür hin muss. Denn erklärt wird so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Das macht das Spiel intuitiver und weckt die Neugier.
Kratzen, klettern, schlafen
Die Entwickler*innen haben es dabei geschafft, wirklich das Wesen einer Katze einzufangen. Sie ist keine anthropomorphe Figur, die nur wie eine Katze aussieht, aber wie ein Mensch handelt.
So schubst man überall Farbeimer und Schachteln herunter, zerkratzt Sofas, Teppiche und Tapeten oder schläft auf und neben Robotern ein. Kann man dem Drang nicht widerstehen, den Kopf in ein Papiersackerl zu stecken, verliert man die Orientierung.
Drücke "O" für Miauen
Das ist aber mehr als ein netter Zusatz, denn in den Schachteln sind manchmal auch wichtige Gegenstände versteckt. Oder man kratzt an einem Rollo und das gibt einen neuen Weg frei. Außerdem gibt es einen Knopf, mit dem man einfach nur miaut, und das allein ist bezaubernd.
Gemeinsam mit der Drohne ist es möglich, mit den Robotern zu kommunizieren, Computer zu hacken und Gegenstände aufzunehmen. Der fliegende Gefährte hilft aber nicht nur aus gutem Willen. Sein Bewusstsein war in einem Computer gefangen und er braucht Hilfe dabei, seine Erinnerung zurückzuerlangen.
Niedliche Monster im Neonlicht
Die Welt, in der man sich bewegt, ist minimalistisch und übersichtlich, hat aber genug Tiefe, damit ich mich darin verliere. Sie ist zwar in aufeinanderfolgende Level aufgeteilt, man kann aber immer wieder an Orten verweilen und sie erkunden.
Die Slums und Städte in der Unterwelt erinnern stark an eine heutige asiatische Kleinstadt. Überall finden sich Neonlichter, außen an den Häuserwänden hängen ratternde Klimageräte, kleine Läden und Restaurants finden sich in engen Gassen.
Bewohnt werden die Orte aber von Robotern und merkwürdigen Blob-Wesen namens „Zurks“, die alles auffressen, was sich ihnen in den Weg stellt. Vor ihnen müssen Spieler*innen immer wieder fliehen. Ist man zu langsam, töten sie die Katze (aber das ist kein Problem, denn sie hat mehr als 9 Leben).
Nach und nach erfährt man, dass die Künstliche Intelligenz der Roboter versucht hat, die Menschen nachzuahmen, nachdem diese verschwunden sind. Heraus kam eine fast naive, meist sehr herzliche Gemeinschaft.
Schuftende Roboter
Die inflationär verwässerte Cyberpunk-Thematik, die in der aktuellen Popkultur meist wenig mehr als eine oberflächliche Style-Entscheidung ist, wurde hier zumindest ansatzweise umgesetzt. In dieser Zukunft gibt es keine Spuren von Menschen mehr, nur noch Roboter, die trotzdem täglich arbeiten gehen, sich in Bars betrinken, in Klassengesellschaften leben und ein autoritäres Regime entwickelt haben.
Obwohl diese Elemente durchaus die ursprünglich dystopischen Themen von Cyberpunk enthalten, bleibt es in „Stray“ unterm Strich weitestgehend eine hübsch glänzende Neonfassade mit futuristischer Ästhetik.
Fazit
Ich habe die PS4-Version gespielt, die grafisch leider ein wenig enttäuschend ist. Mir hat das Spiel aber trotzdem so gut gefallen, dass ich es einfach noch mal auf dem PC spielen werde - hier und auf der PS5 soll es deutlich hübscher aussehen. Auch wenn der Widerspielwert eigentlich gar nicht so hoch ist, da das Abenteuer nach 4 bis 6 Stunden abgeschlossen ist, zieht es mich in die Welt zurück.
Ich muss den Entwickler*innen einfach Respekt aussprechen, wie detailverliebt das Wesen einer Katze eingefangen und in ein gelungenes Spiel verwandelt wurde. Das habe ich so noch nie gesehen und bin daher auch sehr entzückt.
Stray (BlueTwelve Studio) hat mich 2 Tage lang an den Bildschirm gefesselt und das für günstige 29,99 Euro (PlayStation) bzw. 26,99 Euro (Steam). Wer ein PS Plus Extra oder Premium Abo hat, spielt sogar gratis.