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The Quarry im Test: Die perfekte Symbiose aus Spiel und Horrorfilm

9 Jugendliche müssen durch Geschick und richtige Entscheidungen lebend durch die Nacht gebracht werden.

Man muss es dem Studio Supermassive lassen: Seit Until Dawn hat sich der Spieleentwickler nicht nur Ansehen in der Gamingbranche erarbeitet, sondern auch die Verbindung zwischen Film und Spiel weiter gefestigt.

Dabei wurde eigentlich gar nichts neues gemacht: Berühmte Schauspieler*innen wurden in der Vergangenheit schon für Videospiele gewonnen und Quicktime-lastige Games, bei denen man nur zuschaut und ab und zu im richtigen Moment einen Knopf drückt, gab es auch schon vorher. Neu war aber, dass das alles ganz gut miteinander funktioniert hat: Story, Charaktere, Spannung und Spielzeit bildeten eine gute Balance und der Wiederspielwert war hoch. 

Das alles hat nun mit The Quarry seinen momentanen Höhepunkt gefunden. Das Spiel trifft genau meinen Geschmack und macht alles besser, was mich an den Vorgängern und vielen vergleichbaren Spielen bisher gestört hat.

Ferienlager des Grauens

Wir spielen abwechselnd die jugendlichen Betreuer eines Ferienlagers, irgendwo in einem abgelegenen, schönen Waldstück in den USA. Die Kinder sind bereits abgereist, doch die Gruppe sitzt wegen eines unglücklich verliebten Hitzkopfs eine Nacht länger als geplant fest. Der Chef des Ferienlagers ist darüber gar nicht erfreut und es wird nicht lange dauern, bis die Gruppe herausfindet, warum. Sobald der Mond aufgeht, treiben Monster ihr Unwesen und wollen sich einen nach dem anderen holen.

Ich fürchte mich sehr schnell bei Horrorfilmen, alles was sich „Grusel“ zuordnen lässt liebe ich aber. Desto ekliger und expliziter, desto weniger interessiert es mich. Deswegen freut mich besonders, dass The Quarry sich nicht einfach auf Gore und Jump-Scares verlässt. Letztere sind inzwischen abgenutzt und nur noch ärgerlich. Blutig ist The Quarry natürlich trotzdem, man übertreibt es nur einfach nicht. Im Kern spielt man einen unheimlichen Mystery-Thriller.

Wichtige Entscheidungen

Besonders cool finde ich, dass mein Talent Quicktime-Events gut auszuführen, weniger relevant für das Überleben meiner Spielfiguren ist, als in früheren Titeln. Stattdessen können kleine Entscheidungen viel bewirken. Das hat mich immer wieder überrascht. In meinen 3 Spieldurchgängen habe ich immer wieder andere Entscheidungen getroffen und der Spielverlauf hat sich entscheidend geändert.

Manchmal starben Figuren aufgrund von vielen falschen Entscheidungen, manchmal aus Versehen. Und manchmal überlebten zwar alle, ich konnte aber nicht alle Beweise und Hinweise sammeln, um ein tatsächlich gutes Ende zu sehen.

Kurz und -weilig

Die 10 Kapitel kann man in 7 bis 12 Stunden durchspielen, je nachdem was man erkundet und was verborgen bleibt. Bei meinem zweiten Durchlauf konnte ich beispielsweise eine lange und entscheidende Sequenz spielen, die mir beim ersten Durchlauf überhaupt nicht möglich war. Nur so konnte ich die gesamte Geschichte verstehen. Das Spiel ist interessant und unterhaltsam genug, dass ich es auch sofort noch einmal spielen wollte.

Hammer oder Zange - nicht alle Entscheidungen sind gleichermaßen wichtig, aber sie formen die Charaktere

Klischees richtig eingesetzt

Was mich bei früheren Supermassive Spielen gestört hatte, waren die vor Klischees triefenden, unsympathischen Figuren. Immer wieder habe ich den Spiel-Tod von mehreren Charakteren herbeigesehnt, damit sie mich endlich in Ruhe lassen. Bei The Quarry haben sie es geschafft, dass ich jeden irgendwie mochte.

Die Klischees werden so eingesetzt, dass aus ihnen Stilmittel werden. Zum Beispiel Liebschaften, die zu Streitigkeiten werden und dafür sorgen, dass die Gruppe sich trennt. Oder verdächtig scheinende Personen mit fragwürdigen Familienbeziehungen, bei denen man bis zum Schluss nicht ganz sicher ist, ob sie jetzt gut oder böse sind. Die Autor*innen haben hier einen guten Mittelweg gefunden.

Grafik legt Messlatte hoch

Ein großer Star ist die Grafik. Insbesondere an den Gesichtsanimationen werden sich ab jetzt alle anderen Spiele messen müssen. Ja, Zähne sind immer noch schwierig, aber selbst die funktionieren irgendwie.

Den Schauspieler*innen wurde ein guter Dienst erwiesen, denn ihre gelungene Performance überträgt sich hervorragend. Gerade wenn man sich schon Leute wie David Arquette (Scream), Ted Raimi (Tanz der Teufel), Justice Smith (Detective Pikachu) und Skyler Gisondo (Booksmart) ins Boot holt, die man zumindest schon mal gesehen haben kann, dann sollten die auch überzeugend aussehen.

Bis zum Schluss gerät man immer wieder ins Staunen, wie unglaublich gut dieses Spiel aussieht. Zusammen mit der überlegten Musikauswahl – ­ mal verträumter Indie-Pop, mal düsterer Folk – entsteht eine dichte Atmosphäre, die ihre Spannung bis zum Ende aufrechterhalten kann. Übrigens habe ich mir die Deluxe-Edition gekauft, die verschiedene Farbfilter für gelbstichigen Indie-Horror, körnig-rauschenden 80s-Horror und schwarz-weißen Classik-Horror mitliefert. Das ändert die Atmosphäre nochmals sehr deutlich.

Den ersten Spieldurchlauf habe ich gemeinsam mit einem Freund absolviert (weil wir alleine Angst hatten). Das schöne an The Quarry: Bis zu 8 Spieler*innen können lokal und online gemeinsam spielen. Jeder kann dann bestimmte Charaktere steuern, Entscheidungen können gemeinsam getroffen werden. Wer gar nicht selbst in die Geschichte eingreifen möchte, kann sie sich auch als Film ansehen.

Dann hat man die Wahl zwischen „alle überleben“, „alle sterben“ oder man führt Regie. Hier gibt man den Figuren bestimmte Charaktereigenschaften und Regieanweisungen und kann beobachten, wie sich die Story aufgrund dieser Entscheidungen entwickelt. Ich finde das ist eine nette Möglichkeit Dinge zu entdecken, die man beim eigenen Spielen verpasst hat.

Fazit

Für mich ist dieses Spiel wirklich eine Offenbarung für die Schnittstelle Film-Spiel. Sympathische Charaktere, eine fesselnde Story und interessante Entscheidungen ziehen einen stark ins Geschehen.

Von der Kritik, die Entscheidungen würden sich nicht auf die Story auswirken, muss man sich auch langsam mal verabschieden. Es ist kein Fehler des Spiels, dass es nicht Hunderte komplexe Storys gibt. Es ändern sich Nuancen, die im Kontext der immer gleichen Kernstory Veränderungen bringen – etwa ob eine Figur lebt oder nicht. Das halte ich schon für einen großen Unterschied, andere mögen das nicht so sehen.

Wenn ich mich über irgendwas beschweren kann, dann über die unrealistischen Akku-Laufzeiten der Handys in diesem Spiel, mit denen die ganze Nacht mit knapp 30 Prozent Batterie gefilmt und geleuchtet wird. Abgesehen davon ist The Quarry ein wirklicher Meilenstein in seinem Genre und ich hoffe, Supermassive hält sich weiterhin an dieses Erfolgsrezept.

The Quarry kostet je nach Plattform 59,99 bis 74,99 Euro bzw. 69,99 bis 84,99 Euro für die Deluxe-Version. Es ist für PC (Steam), Xbox Series X/S, Xbox One, PS4 und PlayStation 5 verfügbar. Ich habe die PC-Version getestet.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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