Wassermann, ledig, sucht Jungfrau mit Aluhut
Viele von uns haben es schon bemerkt: Den Partner fürs Leben finden ist nicht so ganz einfach. Das gilt sogar für sozial durchaus verträgliche Menschen mit gesellschaftsfähigen Hobbys. Wie schwer muss die Partnersuche erst sein, wenn man einen Verbündeten für den gemeinsamen Kampf gegen Chemtrails sucht, wenn man sich ausschließlich von schamanisch energetisiertem Steinobst ernährt, oder wenn man sich für die Wiedergeburt eines kosmischen Einhorns hält? Zum Glück gibt es heute auch in solchen Fällen eine Lösung: Man registriert sich auf eigenen Online-Partnerbörsen für Esoterik-Gläubige und Verschwörungstheoretiker.
Das ist zweifellos sehr hilfreich, denn nun kann man gezielt vorselektieren: Wer sein Leben nach dem keltischen Baumhoroskop ausrichtet und verzweifelt nach einer gutaussehenden Eberesche sucht, will schließlich seine Zeit nicht mit schnöden Ulmen oder Zypressen vergeuden. UFO-Begeisterte müssen nicht länger darauf hoffen, endlich von attraktiven Aliens entführt zu werden, sie können es mit gleichgesinnten Menschen versuchen. Und wer von der Theorie der flachen Erde überzeugt ist, findet Partner für Urlaubsreisen, bei denen man sich garantiert möglichst weit vom Abgrund am Rand der Erdscheibe fernhält.
Immunisierung gegen Kritik
Doch was auf den ersten Blick kurios und lustig erscheint, ist auf den zweiten Blick durchaus gefährlich: Gerade die Leute, die von ihren Mitmenschen eigentlich dringend mal auf den Boden der Tatsachen gebracht werden sollten, geraten auf diese Weise an Gleichgesinnte, die sie in ihren merkwürdigen Gedankenverbiegungen noch bestärken.
Wer Impfungen für eine internationale Verschwörung hält, bräuchte eigentlich dringend einen Partner, der darauf besteht, die Kinder doch impfen zu lassen. Wer sich vor Chemtrails fürchtet und sich aus Angst vor mysteriösen Giften nicht nach draußen wagt, bräuchte einen ruhigen, einfühlsamen Gegenpol, der dabei hilft, diese Angst abzubauen. Wer die Wohnung zwanghaft nach Feng-Shui-Regeln einrichtet, bräuchte vielleicht jemanden, der ihm sagt, dass dieser Rosenquarz-Installation am Klo einfach nur nervt.
Wir kapseln uns ab
Aber wenn wir ehrlich sind, betrifft das Problem nicht nur Esoterikbegeisterte und Verschwörungstheoretiker, sondern uns alle. Es ist heute leichter als je zuvor, in eine abgeschlossene Filterbubble hineinzukippen, in der bestimmte Glaubensüberzeugungen nicht mehr hinterfragt werden. Wer früher am Stammtisch im Dorfgasthaus von Außerirdischen erzählt hat, wurde lachend mit Gegenthesen konfrontiert, heute verbringt man seine Zeit eher in einschlägigen Online-Foren.
Dasselbe gilt für andere Gesellschaftsgruppen: Wenn Physiker sich jeden Tag nur mit Physikern treffen, glauben sie irgendwann vielleicht, man könne jedes Problem auf der Welt mit Differentialgleichungen lösen. Wenn Rechts- oder Linksextreme immer nur mit Ihresgleichen Politik diskutieren, finden sie ihren Standpunkt irgendwann gemäßigt und ganz normal. Wenn Millionenerben ausschließlich in Hochfinanz-Kreisen verkehren, verlieren sie jedes Gefühl für den Lebensstil der Durchschnittsbevölkerung und ihre eigene glückliche, privilegierte Situation.
Das ist gefährlich. Eine demokratische Diskussionskultur ist nämlich nur möglich, wenn wir eine gemeinsame inhaltliche Basis finden, auf der wir diskutieren können. Kein Mensch kann sagen, wie Demokratie funktionieren soll, wenn die Gesellschaft in hermetisch abgeschlossene Subkulturen zerfällt, die nicht mehr miteinander reden.
In der Biologie definiert man den Begriff der Spezies meist als Fortpflanzungsgemeinschaft: Individuen gehören zur selben biologischen Art, wenn sie fortpflanzungsfähige Nachkommen zeugen können. Das funktioniert nur, wenn sie genetisch ausreichend ähnlich sind. In Analogie zur Genetik wurde die Memetik entwickelt – die Lehre von den Memen, den Grundbausteinen unseres Denkens und unserer Kultur. Vielleicht sind wir dabei, in verschiedene „memetische Spezies“ zu zerfallen, in Gruppen von Individuen, die nur noch innerhalb der Gruppe fruchtbare Gedanken hervorbringen können, weil die Ähnlichkeiten mit Vertretern anderer Gruppen einfach zu gering geworden sind?
Es ist wichtig, in Kontakt mit neuen Gedanken und Meinungen zu kommen. Dafür müssen wir die Zugehörigkeit zu den Gruppen, die uns wichtig sind, nicht aufgeben. Am besten funktioniert es, indem man sich zu mehreren Gruppen gleichzeitig zugehörig fühlt. Die Physikerin kann gleichzeitig Fußballfan sein und in diesem Umfeld mit ungewohnten Ideen konfrontiert werden, der Ufologe kann seine Wochenenden mit dem Alpenverein verbringen, wo seine Gedanken ein bisschen herausgefordert werden. Mischen wir uns ein bisschen durch! Das tut uns allen gut.
Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.