AK warnt: "E-Book-Reader, TV & Co are watching you"
„Intelligente“ Zahnbürsten, Fernseher & Co liefern Firmen Kundendaten über Vorlieben und Abneigungen „frei Haus“. Das zeigt eine Studie der Arbeiterkammer (AK) über die kommerzielle digitale Überwachung im Alltag. Die AK urgiert einen verbesserten Datenschutz und verlangt Risikoanalysen.
Die geltenden Datenschutzgesetze böten keine Antworten auf digitale Risiken, bemängelte die AK Wien am Mittwoch in einer Aussendung. Aktuell klaffe eine Lücke zwischen Datenschutzrecht und Praxis.
E-Book-Reader senden Daten zum Leseverhalten an Unternehmen, Fitnessarmbänder messen Puls und liefern Gesundheitsdaten an Dritte. Immer mehr Firmen preisen Dinge an, die ins Internet integriert sind und Konsumenten durchleuchten.
Ein Albtraum für Datenschützer
Die Geräte erlauben den Firmen noch tiefere Einblicke in unser Leben - das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen oder Prognosen über künftiges Verhalten inbegriffen, hieß es in der Aussendung. „Mit dem 'Internet der Dinge' tut sich gerade eine Vision auf, die für Datenschützer ein Albtraum ist“, warnte AK-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer.
Smartphones und mobile Apps gelten momentan als Einfallstor für Datensammler, aber es komme „noch dicker“. Immer mehr Firmen bieten - mit Sensoren ausgestattete und dem Internet verbundene - Geräte an, die uns durchleuchten, so die AK. Die Zahl der Daten, die Konsumenten Datensammlern selbst bereitstellen, nimmt zu: E-Book-Reader übertragen Daten zum Leseverhalten an Unternehmen.
Vernetzte TV liefern Angaben über gesehene Filme. Mit Fitness-Trackern oder -armbändern überwachen sich Konsumenten im Dienst ihrer Gesundheit nicht nur selbst, sondern liefern auch Facebook-Freunden und Firmen Daten über etwa Puls, Schlaf, Gewicht. Das habe eine Studie des Wiener Instituts für kritische digitale Kultur (Studienautor Wolfie Christl) im Auftrag der AK ergeben.
"Optimierung des Selbst"
Hunderte Angebote zur Vermessung der eigenen Körperfunktionen und zur "Optimierung des Selbst" sind bereits auf dem Markt. Für 2018 werden 80 Millionen verkaufte Geräte und 30 Milliarden Dollar Umsatz in diesem Bereich vorhergesagt. Aber es gehe noch wilder, so die AK: Biometrische Kopfhörer, T-Shirts und Büstenhalter messen den Puls. Intelligente Zahnbürsten melden Zahnputzaktivitäten via Bluetooth auf das Smartphone. Mit einer App können Putzprogramme eingestellt und das -verhalten ausgewertet werden. Ein US-Forscherteam hat Gesundheitssensoren entwickelt, die sich wie entfernbare Tattoos auf die Haut drucken lassen. Sie messen Temperatur und ausgeübte Kräfte.
Alles wird aufgezeichnet
Entwickler haben auch die Arbeitswelt im Auge. Als Beispiel führte die AK das US-System Theatro an. Es ermöglicht die Ortung von Angestellten und bietet die Auswertung von deren Verhalten, Produktivität und Bewegungsmuster an. Überwachungsboxen im Auto zeichnen das Fahrverhalten auf und übertragen etwa Beschleunigungswerte an Versicherungen, die die Höhe der Prämienzahlung von den Daten abhängig machen. In Spanien, Großbritannien und den USA ist dieses Prinzip schon etabliert.
„Die Entwicklung wirft zahllose Fragen in Bezug auf Privatsphäre und Überwachungsgelüste auf“, erklärte Zimmer. „Informationen über das Privatleben können noch intensiver ausgebeutet werden. Falsche Schlussfolgerungen haben negative Auswirkungen auf Einzelne.“
Mehr Schutz: Gesetzgeber und Kontrollbehörden müssten schützend eingreifen, wenn eine Aushöhlung des Datenschutzes droht. Datenschutzkritische Trends müssten frühzeitig erkannt werden. Die Gestaltung von datenschutzrelevanten Geschäftsideen dürfe nicht allein den Unternehmen überlassen werden.
- Regeln für den Datenhandel: Anbieter berufen sich oft auf Einwilligungsklauseln, die viel zu unbestimmt seien. Meist fehle es auch an der Freiwilligkeit der Zustimmung - dann nämlich, wenn der Konsument keine andere Alternative vorfindet, als einen Dienst gar nicht zu nutzen. Wo die freiwillige und informierte Zustimmung der Konsumenten eine bloße Fiktion ist, müsse der Schutz der Nutzer gesetzlich geregelt werden.
- Datenschutz-Gütesiegel: Heikle neue Trends sollten eine Datenschutz-Zertifizierung durchlaufen müssen, etwa das europäische Datenschutz-Gütesiegel EuroPriSe.
- Europäischen Entwurf zur Datenschutz-Verordnung verbessern: Es brauche strengere Anforderungen für eine „informierte Zustimmung“ der Betroffenen, damit ihre persönlichen Daten verarbeitet und genutzt werden können für andere (Marketing)-Zwecke. Ebenso wichtig seien die (internationale) Durchsetzbarkeit, die Sanktionierung und die Ausstattung der Kontrollbehörden mit angemessenen Ressourcen.
- Anbieter müssten Geschäftsmodelle entwickeln, die verantwortungsbewusst, also auch sparsam mit den Kundendaten umgehen. Das Vertrauen vieler Nutzer in digitale Kommunikationstechnologien sei bereits angekratzt. Das World Economic Forum hat schon 2012 festgehalten, dass dieser Mangel an Vertrauen in Bezug auf persönliche Daten eine Bedrohung für die digitale Wirtschaft sei.