Datenschützer gegen Facebook: Prozess in Wien startet
Fast vier Jahre sind vergangen, seit die Wiener Studenten-Gruppe europe-vs-facebook.org in Irland 23 Anzeigen gegen Facebook wegen Datenschutzverletzungen eingebracht hat. Der Initiator der Bewegung, der in Wien lebende Salzburger Max Schrems, ist mittlerweile fertig studierter Jurist. Und er will Facebook noch immer ärgern.
Prozess startet in Wien
Am Donnerstag startet offiziell der Prozess Max Schrems vs. Facebook Ireland vor dem Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen im Justizpalast. Schrems klagt das IT-Unternehmen, das seinen Europa-Sitz in Irland hat, nun auch in Österreich wegen mangelnder Datenschutzbestimmungen. Die Teilnahme am Überwachungsprogramm PRISM, die Graph-Suche, die Facebook-Apps, das Trackings auf anderen Websites - etwa durch Like-Buttons - und der Big Data-Anwendungen, die Nutzer ausspähen, sind in den Augen von Schrems allesamt nicht mit europäischem Recht vereinbar.
500 Euro pro Nutzer
Mit der Klage wird von Facebook die Unterlassung der datenschutzwidrigen Praktiken verlangt, und ein symbolischer Schadenersatz von 500 Euro pro Person für die bisherigen Rechtsverletzungen. Laut Schrems ist das ein vergleichsweise geringer Betrag. „In Österreich war der niedrigste Betrag, der jemals zugesprochen wurde, 750 Euro für eine Fehleintragung bei einer Kreditauskunftsdatei“, so Schrems. Ein mögliches Urteil könnte Facebook damit leicht mehr als 10 Millionen Euro kosten. Wenn das Gericht Teil des Geschäftskonzepts von Facebook in Europa für unzulässig erklären würde, wäre das jedoch ein noch viel größerer Schaden für das Unternehmen aus dem Silicon Valley. Die Klage in Österreich nimmt das Unternehmen daher sehr ernst. Facebook selbst, vor Gericht durch eine Wiener Anwaltskanzlei vertreten, schweigt zu den Vorwürfen, die Privatsphäre seiner Nutzer zu verletzen, bisher. "Leider kommentiert Facebook Ihre Fragen zu dem derzeitigen Zeitpunkt nicht und beteiligt sich auch nicht an Spekulationen", bekam futurezone.at als Antwort.
In insgesamt 30 Seiten schriftlichen Text führte das Online-Netzwerk bisher lediglich aus, wieso die Sammelklage abzuweisen sei. Unter anderem gab Facebook an, dass die 25.000 Teilnehmer an der Sammelklage nicht geschäftsfähig seien und darum gar nicht klagen können. „Dass ein Unternehmen pauschal die Geschäftsfähigkeit seiner eigenen Kunden bestreitet, hat wohl Seltenheitswert“, sagte Schrems dazu.
Schriftlicher Beschluss
Ob die Klage in Österreich zulässig ist, oder nicht, ist auch das, worum es am ersten Verhandlungstag des Prozesses in Wien geht. Es soll darin die Zuständigkeit der Gerichte geklärt werden. Ein entsprechender Beschluss kann erst Wochen später auf schriftlichem Weg erfolgen. Eine der beiden Parteien, entweder Schrems oder Facebook, wird mit dem Ausgang wohl unzufrieden sein - und möglicherweise in Berufung gehen. Schrems selbst rechnet mit einem langen Prozess. Es braucht also vor allem eines, um Unternehmen an die Einhaltung der europäischen Gesetze zu erinnern: Einen langen Atem.
"Facebook nicht nutzen"
Vor dem irischen High Court läuft derzeit außerdem ein Prozess wegen der Untätigkeit der irischen Datenschutzbehörde betreffend der Einhaltung der EU-Grundrechtecharta zum Schutz personenbezogener Daten. Damit hat sich erst vergangene Woche der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einer öffentlichen Anhörung beschäftigt, im Juni wird sich dazu der Generalanwalt äußern und eine Entscheidung fällen.
"Social Media ist gut"
Genau das will Schrems allerdings nicht – Facebook nicht nutzen und sich damit abfinden, dass das Soziale Netzwerk die Privatsphäre seiner Nutzer verletzt. „Ich finde Social Media gut. Man darf Social Media nicht generell verhetzen, sondern man muss sich eben an die Firma halten, die Mist baut“, sagte Schrems bereits 2011 im futurezone-Gespräch. Auch heute sieht er das noch genauso und fordert, dass sich das US-Unternehmen an geltende Rechte zu halten habe.
In Irland zog Schrems alle Anzeigen, bis auf die, die gerade vor dem EuGH verhandelt wurde, jedoch zurück. Die Prozesskosten seien in Irland extrem hoch, sagt Schrems. Stattdessen klagt Schrems nun vor dem Gericht in Österreich. Dieses ist bei Verbraucherschutz-Angelegenheiten seit jeher möglich. „Als ich die Anzeigen vor knapp vier Jahren in Irland eingebracht hatte, wusste ich noch nicht, dass die irische Datenschutzbehörde kein Interesse an der Aufklärung des Falls hat“, sagt Schrems.