"Die USA wollen die Fluggastdaten eben haben"
Vertreter des Europäischen Parlaments trafen sich vergangene Woche mit Vertretern der Europäischen Kommission und der juristischen Dienste in Straßburg, um in einer geheimen Sitzung über das umstrittene Fluggastdaten-Abkommen mit den USA zu diskutieren. Das Abkommen zwischen der EU und den USA zur Übermittlung von Passenger Name Record (PNR)-Daten wurde 2011 fertig verhandelt und bekam im Dezember seinen Segen vom EU-Rat.
Für EU-Abgeordnete war der Text nur in einem Leseraum des Parlaments zugänglich, den sie nur studieren dürften, nachdem sie ein 20-seitiges Dokument mitsamt Geheimhaltungsverpflichtung unterschrieben hatten. Im März soll nun im zuständigen LIBE-Ausschuss darüber abgestimmt werden, im April wird das EU-Parlament über das Abkommen ein finales Urteil fällen.
"Rechte der Bürger zählen nichts"
Die Initiative NoPNR veröffentlichte am Mittwoch Teile dessen, was in der geheimen Diskussion in Straßburg besprochen wurde. Dort soll der EU-Rechtsdienst der EU-Kommission auf die Frage der Notwendigkeit der Maßnahme mit folgender Aussage geantwortet haben: "Die USA wollen die Daten eben haben." Die EPP-Fraktion (zu der auch die ÖVP gehört) unterstützte diese Begründung. Alexander Sander von NoPNR sieht dies folgendermaßen: "Stumpf werden die Forderungen der USA erfüllt, die Rechte der europäischen Bürger zählen da offensichtlich nichts."
Erst Anfang Februar hatte die für das Fluggastdaten-Abkommen zwischen der EU und den USA zuständige Berichterstatterin des Europaparlaments, Sophie in `t Veld, eine Empfehlung an das EU-Parlament abgegeben, das Abkommen nicht zu unterzeichnen, da es keinen vollständigen Rechtsbehelf für EU-Bürger vorsehe. In `t Veld sah auch die Notwendigkeit und die Proportionalität einer Massensammlung und -speicherung von Passagierdaten noch nicht ausreichend bewiesen.
Auch für den Grenzschutz
Während der Debatte in Straßburg stellte sich zudem heraus, dass die USA die Daten auch für den Grenzschutz heranziehen wollen. Bisher wurde stets versichert, dass das Abkommen "nur" zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität geschlossen werden soll. Der EU-Datenschützer Peter Hustinx forderte beispielsweise die Einrichtung einer Liste von Strafbeständen, die für mehr Klarheit sorgen würde.
Laut NoPNR konnten bei der Diskussion auch die derzeitigen Stimmungslagen der einzelnen Fraktionen im Europaparlament eingefangen werden. So würden etwa laut derzeitigem Stand die Liberale Fraktion (ALDE), die Grünen (Greens), die Linke (GUE), große Teile der Rechten (EFD) und der Fraktionslosen (NI) gegen das Abkommen stimmen. Dafür werden sich die beiden konservativen Fraktionen EPP und ECR aussprechen.
"Ein Grenzfall eines Abkommens"
In der Regel folgt die Mehrheit der EU-Volksvertreter der Empfehlung von Berichterstattern, also dem "Nein" der Berichterstatterin In `t Velt. Die europäischen Sozialdemokraten S&D, die die zweitgrößte Fraktion im EU-Parlament darstellen, haben sich aber bisher noch keine eindeutige Meinung gebildet. Der neue Chef dieser Fraktion ist seit kurzem der Österreicher Hannes Swoboda.
Dieser sagte auf futurezone-Anfrage, welche Position die S&D einnehme, folgendes: "Wir beginnen mit der Detailberatung erst nächste Woche. Das PNR-Abkommen ist sicherlich ein Grenzfall eines Abkommens, das wir abschließen können. Im neuen Abkommenstext finden sich einige Verbesserungen wieder, nun müssen wir beurteilen, ob diese reichen oder nicht."
"Es kommt trotzdem zum Datentransfer"
"Meine persönliche Meinung dazu ist: Wenn wir es nicht machen, kommt es trotzdem zum Datentransfer. Ohne das Fluggastdaten-Abkommen hätten wir keine rechtlichen Möglichkeiten, uns zu wehren, falls Daten missbräuchlich verwendet werden. Wenn das Abkommen also garantiert, dass Daten nicht missbräuchlich verwendet werden, bin ich für das Abkommen."
Es sei allerdings eine "genaue Prüfung" notwendig, wofür die Daten wirklich verwendet werden. Es gebe Bestimmungen, die die Verwendung für andere Verwendungen offen lasse, so Swoboda in Anspielung auf die Verwendung im Bereich des Grenzschutzes.
"Ich glaube nicht, dass die US-Amerikaner die Kapazität haben, Daten permanent zu verwenden. Wenn wir aber sehen würden, dass die US-Amerikaner die Daten auch für andere Zwecke als zur Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten verwenden würden, hätte ich Einwände und müsste von der Kommission die Kündigung des Abkommens verlangen." Die Fraktion sei hierzu noch mit der Kommission im Gespräch. "Ich möchte eine klare Zusage der Kommission, dass das Abkommen bei Missbrauch gekündigt wird", so Swoboda.
Auch Überwachung von innereuropäischen Flügen geplant
Während über das Abkommen zur Weitergabe der Fluggastdaten an die USA bald von den EU-Parlamentariern abgestimmt wird, liegt im LIBE-Ausschuss demnächst bereits ein erster Entwurf des zuständigen Berichterstatters für ein entsprechendes Abkommen zwischen den EU-Staaten auf dem Tisch. Die Totalüberwachung des innereuropäischen Flugverkehrs steht somit als nächstes zur Debatte.
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