Netzpolitik

"Diskussion um Privatsphäre ist überbewertet"

"Die derzeitige Privatsphären-Diskussion wegen Facebook ist überbewertet." Zu diesem Schluss kam Buchautor und Open-Data-Experte Georg Holzer auf einer Diskussionsveranstaltung der Wirtschaftskammer Österreich zum Thema "Digitale Unternehmensidentitäten" in Wien. Viel wichtiger als Panik vor dem Web zu verbreiten, sei es, die Sensibilität der User beim Thema zu schärfen.


"So detaillierte Privatsphäre-Einstellungen wie von Facebook würde ich mir bei allen wünschen, die meine Daten online oder offline speichern", präzisiert Holzer auf Nachfrage der FUTUREZONE. Vielen Leuten sei etwa nicht bewusst, dass sie mit ihren Kundenkarten bei Geschäften ebenfalls die Zustimmung zum Sammeln und Verwerten ihrer persönlichen Daten geben würden.

Wenn man von Datenmissbrauch bei Facebook spreche, müsse man sich schon auch im Klaren sein, um welche Daten es sich dabei handle. "Wenn Facebook meine Schuhgröße kennt oder ich dort preisgebe, dass ich eine besonders liberale politische Einstellung habe, sind das wohl kaum die brisanten Daten, die missbraucht werden können", so Holzer. Als problematisch bei Facebook erachtet Holzer jedoch, dass viele Daten-Freigaben automatisch voreingestellt sind und vom User nachträglich geändert werden müssen.

Unternehmen sollten sich hüten

"Wer vieles über einen Kunden weiß, kann das tatsächliche Interesse des Kundens viel besser erkennen und bedienen", glaubt auch Wirtschaftspublizist Tim Cole . Ungeachtet des zweifelsohne vorhandenen Missbrauchpotenzials geht Cole davon aus, dass die Vorteile für Kunden überwiegen. Auch sollten sich Unternehmen davor hüten, Schindluder mit Daten zu betreiben, da sie sonst Gefahr laufen, die Kunden zu verlieren. "Das kann sich eigentlich kein Unternehmen leisten."

Unternehmen, die sich in der heutigen Zeit über Social-Media-Plattformen und moderne Service-Portale profilieren müssen, rät Cole jedenfalls zu einem maßvollen Umgang mit dem Thema. "Es ist schon zu hinterfragen, ob wirklich sämtliche Daten von einem User notwendig sind, damit er einen Service nutzen oder einen Newsletter empfangen kann", so Cole. Im Zweifelsfall solle man hier gegen die Marketingabteilung und für den User oder Kunden entscheiden, empfiehlt der Publizist und Unternehmensberater.

Social Media als Chance

Dass Glaubwürdigkeit das höchste Gut in der Social-Media-Welt ist, unterstrich auch David Lowey, Marketing-Stratege bei Fleishman-Hillard während der Diskussion. Um im Web-2.0-Zeitalter erfolgreich zu sein, rät Lowey Unternehmen zu einem aktiven und ehrlichen Umgang mit Kunden. "Wenn etwa ein Problem mit einem Produkt auftritt, sollte man dem Kunden gegenüber keine Informationen vorenthalten. . Durch die heutige Kommunikation im Web wird früher oder später ohnehin alles an die Öffentlichkeit dringen", sagt Lowey im Gespräch mit der FUTUREZONE.

Ob es sich dabei um einen Konzern oder ein kleines Unternehmen mit zehn Mitarbeitern handle, sei irrelevant. "Wer als Unternehmen einen Facebook-Account einrichten will, muss sich darüber im Klaren sein, dass dieser auch aktiv betreut werden muss", so Lowey. Denn mit seinem Account würden automatisch auch Erwartungen der Kunden geweckt.

"Kunden erwarten heute, sofort und ohne Umschweife direkt mit Verantwortlichen im Unternehmen sprechen zu können. Dazu kommt, dass diese gesamte Kommunikation über Facebook oder Foreneinträge öffentlich ist", erklärt Lowey. Wenn man die Sache richtig angehe, könne man als Unternehmen von der Social-Media-Welt aber in jedem Fall profitieren.

Mehr zum Thema:

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(Martin Stepanek)


Link:

Tim Cole

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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