Netzpolitik

Neues EU-Datengesetz ist fertig: Was bringt der Data Act?

Daten fallen praktisch überall an: Sowohl dann, wenn man mit einem vernetzten Auto von A nach B unterwegs ist, als auch wenn man seine Lampen mit dem Internet steuert. Doch auch in der Industrie werden Betriebe und Maschinen vernetzt, etwa Windanlagen oder Lieferketten. 

Bisher war nicht klar geregelt, zu welchen Bedingungen die Daten von anderen Firmen oder von den Kund*innen genutzt werden können. Es war unklar, wer die Daten verwenden und unter welchen Bedingungen darauf zugreifen darf. Die EU-Mitgliedsländer und das EU-Parlament haben nun die Details zum Datengesetz fertig ausverhandelt. Die Verordnung regelt den Handel mit Daten für die Wirtschaft sowie für Verbraucher*innen. 

Alles zu den Verhandlungen und Reaktionen

Data Act
Die EU-Kommission hat im Februar 2022 die erste Version der Verordnung vorgeschlagen. Nun gibt es eine Einigung zwischen Rat und Parlament für das europäische Datengesetz. Jetzt fehlt nur noch ein förmlicher Beschluss, bevor das Gesetz in etwa einem Jahr offiziell in Kraft treten kann

Reaktionen
„Das Datengesetz wird die Verwendung von Daten optimieren, indem es die Zugänglichkeit der Daten für Personen und Unternehmen verbessert. Dies sind sehr gute Nachrichten für unseren digitalen Wandel“, so die zuständige EU-Vizepräsidentin Margarethe Vestager über den Abschluss der Verhandlungen  

„Derzeit werden in ganz Europa nur etwa 15 Prozent der bestehenden Daten genutzt. Hier gehen uns viele Chancen und mögliche Innovationen verloren. Wir müssen daher den Datenschatz Europas besser einsetzen, ohne dabei den Datenschutz zu vernachlässigen. Mit dem Data Act schaffen wir es, das volle Potenzial der Daten zu nutzen, aber illegalen Zugriff zu verhindern“, sagt Florian Tursky, Digitalisierungsstaatssekretär (ÖVP)

Daniela Zimmer, Konsumentenschützerin der Arbeiterkammer (AK), warnt: "Im Data Act wird nicht unterschieden, von welchen Daten wir hier reden. Was für reine Industriedaten völlig legitim sein mag, könnte für höchstpersönliche Daten zum Problem werden. Da besteht Sorge, dass durch dieses neue Gesetz die Datenschutzgrundverordnung ausgehöhlt wird." 

Was bringt der Data Act für  Verbraucher*innen?

Der Data Act zielt vorwiegend auf Unternehmen ab, aber es gibt auch Vorteile für Verbraucher*innen. Auch sie können die Daten, die von den Herstellern bereitgestellt werden und die von den vernetzten Geräten stammen,  nutzen. Ein Beispiel: So wird es möglich, mit Daten eines vernetzten Autos in eine Kfz-Autowerkstätte seiner Wahl zu gehen. Davor gab es Fälle, wo nur bestimmte Vertragswerkstätten Zugriff auf die Daten hatten und diese nicht geteilt wurden. Dadurch könnte die Reparatur am Ende für Konsumenten billiger werden.

Was bringt der Data Act den Unternehmen?

Hersteller können die Daten unter bestimmten Bedingungen  teilen. Sie können sich etwa dafür entscheiden, die generierten Daten anonymisiert an eine Versicherungsgesellschaft weiterzugeben. Die gesammelten Daten können dazu beitragen, dass weitere Technologien entwickelt oder verbessert werden. Auch der Datentransfer zwischen Diensteanbietern soll einfacher werden. 

Gibt es da ein konkretes Beispiel?

Im Bereich der Landwirtschaft kann die Analyse von Daten vernetzter Geräte den Landwirten helfen. Wenn Echtzeitdaten zu Wetter, Temperatur, Feuchtigkeit oder GPS-Signale vom Hersteller zur Verfügung gestellt und mit den Landwirten geteilt werden, können etwa  Maßnahmen getroffen werden, um die Ernte zu schützen.

Müssen Unternehmen die Daten immer mit anderen teilen?

Es wurden  Ausnahmen für Unternehmen geschaffen, mit denen die Weitergabe der Daten  verhindert werden kann.   Das soll etwa dann der Fall sein, wenn es um die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen geht. Es gibt aber gleichzeitig auch Vorschriften zum Schutz vor einseitig auferlegten missbräuchlichen Vertragsklauseln für Unternehmen. Damit soll verhindert werden, dass große Technologieunternehmen einseitig Bedingungen diktieren können. Kleinen Firmen kann das helfen.

Werden Daten auch mit der öffentlichen Hand geteilt?

Es  gibt auch eine Verpflichtung für Unternehmen, unter bestimmten Bedingungen Daten für die Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn es um die Bewältigung eines „öffentlichen Notfalls“ geht. Damit soll eine schnelle Reaktion auf Krisen möglich werden, etwa auf Überschwemmungen oder Waldbrände. Als Beispiel angeführt werden auch anonymisierte Standortdaten von Mobilgeräten, die während einer Pandemie Überblick darüber geben sollen, wohin sich Menschen im Laufe des Tages bewegen.

Was sind die Schwachstellen des Gesetzes?

Das hängt vom Blickwinkel ab. Für Konsumentenschützer*innen ist die Position der Verbraucher*innen im Gesetz nicht sehr stark. „Die EU-Institutionen haben Unternehmen zu viel Flexibilität eingeräumt, die Verbraucher*innen daran hindern können, Daten mit anderen Dienstleistern zu teilen, beispielsweise mit der Begründung, dass es sich dabei um ein Geschäftsgeheimnis handelt“, bemängelt Ursula Pachl von der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC. Ergo: Sie fürchtet, dass sich viele Firmen einfach auf das "Geschäftsgeheimnis" beziehen werden, wenn sie nicht alle Daten teilen möchten.

Daniela Zimmer, Konsumentenschützerin bei der Arbeiterkammer (AK), weist zudem darauf hin, dass nicht klar zwischen personenbezogenen Daten und aggregierten, anonymisierten Betriebsdaten unterschieden wird. Das könnte etwa dann zum Verhängnis werden, wenn Firmen Daten mit der öffentlichen Hand aus "Notfällen" heraus teilen müssen. Sie nennt ein Beispiel: "Wer sagt, dass bei einem Klimanotfall die Mobilität des Einzelnen nicht dadurch eingeschränkt wird, dass plötzlich ersichtlich wird, wer sich wann mit welchem Fahrzeug wohin bewegt?" 

Dem Lobby-Verband Information Technology Industrie Council (ITI) ist der weit gefasste Anwendungsbereich in der aktuellen Fassung des Gesetzes ein Dorn im Auge. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) monierte die Gleichbehandlung aller smarten Geräte „vom Heizungsthermostat bis zum Flugzeug“. Der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) begrüßte das Gesetz. „Auf dem Sekundärmarkt ist der Zugang zu Daten für einen freien Wettbewerb und damit dafür entscheidend, dass Handwerksbetriebe Wartungs- und Reparaturdienste erbringen können.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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