Netzpolitik

Informatik-Studium: Beschränkung trotz Mangelberuf

An der TU Wien und der Uni Wien gibt es seit dem Vorjahr Zugangsbeschränkungen beim Informatik-Studium. 581 Personen werden im Winter 2017 an der TU Wien dazu zugelassen, 390 Personen an der Universität Wien. Laut Insider-Informationen sollen sich an der TU Wien dieses Jahr rund 900 Personen erfolgreich mit Motivationsschreiben und Registrierung für den Reihungstest, der am 11. Juli stattfinden wird, angemeldet haben. Die Quote derer, die abgewiesen werden, beträgt somit rund 40 Prozent.

Fehlende Programmierer

Unterdessen fehlen in Österreich laut Martin Puaschitz, Obmann der Fachgruppe UBIT der Wirtschaftskammer Wien (WKO), rund 2500 bis 3000 IT-Arbeitskräfte. „Ich persönlich kenne wenige Firmen, die nicht sofort Mitarbeiter im IT-Bereich aufnehmen würden, wenn sie denn welche finden würden“, sagt Puaschitz bei einer Diskussion zum Thema Zugangsbeschränkungen beim Informatik-Studium an der WKO.

Auch Benjamin Ruschin, Gründer und Geschäftsführer von WeAreDevelopers schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Wir wollen Wien als Technologiestandort positionieren. Dazu brauchen wir gut ausgebildete Entwickler. Wir sind gegen alles, was eine Beschränkung in der Ausbildung verursacht.“ Ruschin wisse von österreichischen Firmen, die auf einen Schlag „hunderte von Entwicklern“ einstellen, aber keine finden würden.

"Wir ziehen hier nur nach"

Hannes Werthner, Dekan der Informatik Fakultät der TU Wien, sagt zu Ruschin: „Wir bilden keine Entwickler oder Programmierer aus, sondern Generalisten.“ Der Dekan verteidigt die Beschränkung des Informatik-Studiums an der TU Wien, die sich die Rektoren vom Wissenschaftsministerium gewünscht hatten, zudem vehement. "Bei der Diskussion wird immer die halbe Wahrheit verschwiegen. Die Fachhochschulen suchen sich seit Beginn ihre Studierenden aus und wir ziehen nur nach. Wenn man keine ausreichenden Kapazitäten hat, muss man eben Zugangsbeschränkungen einführen“, erklärt Werthner. Die WKO hat auch Vertreter von Fachhochschulen zur Diskussion geladen, diese sind jedoch ferngeblieben.

Die TU Wien sei vor allem eine Forschungsuniversität, die sich mit anderen, internationalen Forschungseinrichtungen messen müsse. „Die ETH Zürich hat ein Betreuungsverhältnis von 1:36 von Lehrerenden zu Studierenden. Bei uns ist das derzeit 1:120. Wir nehmen nun nur unser Recht in Anspruch, für adäquate Lehrbedingungen zu sorgen.“Auch Stefanie Rinderle-Ma, die Dekanin der Informatik Fakultät der Universität Wien, ist der Meinung, dass Studienbeschränkungen zur Qualität der Lehre beitragen würden. „Am Ende kommen mehr Absolventen raus, die dann in der Wirtschaft unterkommen.“

Budget für bessere Betreuung

Selbst wenn die beiden Universitäten durch den jüngsten Beschluss zum Uni-Budget für die Jahre 2019 bis 2021 (beschlossen wurde ein Plus an Geldern von 1,35 Milliarden Euro) profitieren würden, würden sich beide nicht für die Aufhebung von Zugangsbeschränkungen stark machen. „Wir würden diese Gelder zu allererst dazu nutzen, um das Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden zu verbessern. Die Zukunft Österreichs wird sich im internationalen Forschungswettbewerb entscheiden, und nicht darin, ob ein bestimmtes Unternehmen genügend Entwickler hat“, sagt der Dekan der TU Wien. Die Studienvertretung fordert hingegen eine "Ausfinanzierung des Informatik-Studiums".

Einen Einwurf der Gefahr, dass an der Praxis „vorbeigeplant“ werde, schmettert Rinderle-Ma folgendermaßen ab: „Natürlich steht auch die Anwendungsorientierung im Fokus und unsere Studierende lernen Programmieren.“ An der Uni Wien führe man deshalb ab dem kommenden Wintersemester auch das Fach „Computational Thinking“ für Nicht-Informatiker ein.

Neue Programme und Lehrpläne

An der Uni Wien habe man zudem die Lehrpläne umgestellt und fokussiere jetzt etwa auch auf die Ausbildung zu „Data Scientists“. „Wir müssen da erst schauen, wie sich das entwickelt.“ An der TU Wien will man ab dem übernächsten Jahr in allen Bachelor-Programmen verpflichtend eine „Einführung in Computational Thinking“ starten. „Ob alle Fakultäten zustimmen, weiß ich allerdings noch nicht“, so der Dekan.

Im vergangenen Jahr mussten an der TU Wien beim Aufnahmeverfahren tatsächlich einige wenige (rund 70) Personen abgewiesen werden, während an der Uni Wien noch Plätze freigeblieben waren. Es war damals scharf kritisiert worden, dass die abgewiesenen Studierenden nicht an der Uni Wien aufgenommen worden waren, nachdem das Aufnahmeverfahren gemeinsam durchgeführt worden war. Die beiden Dekane wollen sich vorerst nicht dazu äußern, wie dies im Jahr 2017 gehandhabt wird. Man müsse schauen, wie sich die Situation konkret entwickle, heißt es auf futurezone-Anfrage. Die Tests am 11. Juli werden auf jeden Fall fix durchgeführt, heißt es.

Die besten Entwickler seien nach wie vor die, die das Informatik-Studium abgebrochen haben, meint Ruschin. Er appelliert am Ende an die Wirtschaft, künftig „mehr Kurse zu finanzieren, die Entwickler in der Praxis ausbilden.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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