Netzpolitik

Karmasin fordert digitale Grundausbildung für alle Lehrer

In einem Innovationslabor für neue Lernszenarien haben Lehrer und Jugendleiter ab dem Herbst die Möglichkeit, den Einsatz von neuen Technologien und digitalen Lernmitteln für den Unterricht und die außerschulische Jugendarbeit zu erproben. Hilfestellung bekommen sie dabei von erfahrenen Pädagogen. Gemeinsam sollen neue Lernszenarien fürs Klassenzimmer entwickelt werden. Eine Anschubfinanzierung für das Projekt kommt dabei vom Familienministerium. Die futurezone traf Ministerin Sophie Karmasin zum Gespräch über das Future Learning Lab und digitale Schulbücher.

futurezone: Wie kam die Idee für ein derartiges Innovationslabor zustande?
Sophie Karmasin: Das Future Learning Lab gibt es bereits in zwölf Ländern. Wir haben uns die Labs in Brüssel und Norwegen angesehen und waren begeistert. Dort findet genau die Art von Lernen statt, wie wir sie uns seit Jahren vorstellen. Es gab etwa Programmier-Workshops für Kindergarten-Kinder oder die Möglichkeit, in einer Gruppe gemeinsam etwas mit digitalen Mitteln zu erarbeiten. Das war für uns die Initialzündung, etwas Ähnliches in Österreich zu starten.

An der Pädagogischen Hochschule Wien wurde nun ein Innovationslabor eingerichtet. Wie wurde dieses finanziert?
Das funktioniert in Österreich über einen Verein, in dem primär die Technologiepartner wie A1, T-Mobile, Samsung, Microsoft, Apple, Google oder IBM Mitglieder und Kooperationspartner sind. Sie tragen einerseits Sachleistungen bei, andererseits einen Mitgliedsbeitrag. Das Familienministerium fördert das Projekt über den Verein mit einer Summe von 110.000 Euro als Anschubfinanzierung.

Warum wurde dafür ein eigener Verein gegründet?
Über den Verein zur Förderung digitaler Bildungsangebote kann das Projekt über mehrere Legislaturperioden hinweg verankert werden, ähnlich wie die Bildungsstiftung.

Was genau soll im Future Learning Lab gelernt werden?
Es soll ein Ort sein, wo Lehrerinnen und Lehrer neue, digitale Unterrichtsmittel ausprobieren können. Es ist das Wichtigste, dass sie die Scheu verlieren und lernen, mit neuen Technologien umzugehen. Lehrerinnen und Lehrer können im Ausprobieren merken, welchen pädagogischen Mehrwert digitaler Unterricht mit sich bringt und wie man ihn im Klassenzimmer anwenden kann. Die Pädagoginnen und Pädagogen sollen damit wegkommen von den veralteten Stricherllisten und Hausübungen am Papier. Wenn man Hausübungen digital verschickt, kann man individueller auf die Kinder eingehen und man spart Administration und Zeit.

BM Sophie Karmasin iNTERVIEW fUTUREZONE AM 26.5.2017
Sie haben das Programmieren im Kindergarten erwähnt. Ab wann sollte man damit beginnen?
In Norwegen haben wir gesehen, dass das ganz rudimentär und spielerisch schon im Kindergarten angewandt wird, etwa mit Bienen, die sich durch ein Labyrinth bewegen sollen. Die Kinder haben einen Riesenspaß dabei. Auch da geht es darum, die Scheu zu verlieren. Technologie muss nicht immer komplex und herausfordernd sein, sondern kann auch lustig und spielerisch vermittelt werden. Hier ergänzend die ein oder andere Vertiefung digital anzubieten ist sicher nicht verkehrt.

Auch in Österreich gibt es bereits einige Vorzeige-Projekte im digitalen Bereich. Doch wie kann man hier eine Flächendeckung herstellen?
Zum einen durch E-Books (Anmerkung: digitale Lerninhalte, die über die Online-Plattform Digi4School abgerufen werden können), die bereits in der Sekundarstufe II 50 Prozent der bestellten Schulbücher ausmachen. Jede Lehrerin und jeder Lehrer kommt dadurch in Kontakt mit digitalen Unterrichtsmitteln. Das ist der wichtige erste Schritt: „Die Gewöhnung ans Gerät.“ Denn die große Herausforderung ist, die Lehrer in der Digitalisierung des Unterrichts mitzunehmen. Die Schülerinnen und Schüler sind da sofort dabei. Die Idee ist also, über die Lehrerfortbildung und Workshops alle Lehrerinnen und Lehrer zu schulen.

Besteht nicht die Gefahr, dass sich nur die Lehrer weiterbilden, die bereits eine Affinität dazu haben?
Es wird über die Pädagogische Hochschule digitale Weiterbildungsprogramme geben, die im Rahmen der Lehrerfortbildung besucht werden können. Wichtig wäre es, dass alle Lehrerinnen und Lehrer eine digitale Grundausbildung bekommen und es keine freiwillige Neigungsgruppe wird. Wie das ausgestaltet wird, ist Angelegenheit des Bildungsministeriums.

Warum wird eigentlich erst jetzt mit so einer Initiative gestartet und nicht schon vor Jahren?
Diese Dinge brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Aus anderen Ländern ernten wir Bewunderung, weil wir das Future Learning Lab so schnell aufsetzen konnten.

Bei der Initiative beteiligt sind Großkonzerne wie Microsoft oder Samsung. Besteht hier nicht die Gefahr, dass Schüler schon von Kleinauf an eine Plattform eines Soft- und Hardware-Giganten gewöhnt werden?
Diese Befürchtung ist natürlich berechtigt. Um dem entgegenzuwirken, ist der Einsatz von digitalen Schulbüchern, die es in Österreich seit 2016 gibt, auf allen Geräten möglich. Ob Android oder Apple, da gibt es keine Präjustiz für eine Technologie. Das war uns sehr wichtig.

Sie erwähnen die digitalen Schulbücher, für dessen Finanzierung ihr Ministerium verantwortlich ist. Die E-Books sind auf der Plattform Digi4School für die Schüler mit einem Zugangscode abrufbar. War es einfach, eine derartige Umsetzung in Österreich durchzusetzen?
Zwischen der ersten Idee im Jahr 2014 und dem Einsatz an Schulen lagen zwei Jahre harter Verhandlungen mit den Verlagen. Im Schuljahr 2016 gab es dann erstmals digitale Schulbücher im Unterricht in der Sekundarstufe II. Wir hatten bereits im ersten Jahr Bestellquoten von über 50 Prozent. Für den Herbst 2017 liegt die Bestellquote schon bei 63 Prozent. Diese Zahlen übertreffen unsere Erwartungen, weil wir zu Beginn eher mit 20 bis 30 Prozent gerechnet hatten.

Sehen Sie E-Books eher als Ergänzung oder sollen diese das gedruckte Schulbuch ersetzen?
Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Das E-Book muss zunächst flächendeckend in die Anwendung kommen. Ab dem Schuljahr 2018 werden die E-Books nicht nur die analogen Bücher wiederspiegeln, sondern auch zusätzliche, multimediale Inhalte anbieten. Diese Entwicklung wird man abwarten müssen. Ich glaube aber, dass die Forderung, auf E-Books umzusteigen, von den Lehrerinnen und Lehrern kommen wird, sobald an Schulen die entsprechende Hardware-Ausstattung vorhanden ist.

Hier gibt es noch viele Baustellen. Derzeit gibt es noch nicht an allen Schulen Internet-Anbindung.
Sie haben Recht, hier fehlt leider noch einiges. Eine leistungsfähige Internet-Anbindung ist Aufgabe des Infrastrukturministeriums. Wir waren die ersten, die den Anstoß gegeben haben und einen wichtigen Schritt gesetzt haben, auch wenn nicht jedes Kind einen Laptop hat. Jetzt ist bereits jedes zweite Schulbuch ein digitales Buch. Mit dem Future Learning Lab setzen wir jetzt einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung des Unterrichts.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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