Massive Kritik am geplanten Sicherheitspaket
Die Kritik am geplanten Sicherheitspaket der Regierung ist umfangreich - und vernichtend. Gestern Abend endete die Begutachtungsfrist zum umstrittenen Gesetzesvorstoß, der weitreichende Überwachungsmaßnahmen wie etwa die Überwachung verschlüsselter Kommunikation (Bundestrojaner), IMSI-Catcher, Netzsperren und eine Vorratsdatenspeicherung für Videoüberwachung vorsieht. Knapp 9000 Stellungnahmen sind insgesamt beim Parlament eingetroffen. Das sind so viele wie nie zuvor bei einem Gesetzesvorhaben.
Wirtschaftsstandort gefährdet
Nicht nur Datenschützer, die den Ausbau einer flächendeckenden Überwachung naturgemäß ablehnen, äußerten Bedenken. Die Wirtschaftskammer Österreich fürchtet etwa um den guten Ruf des Wirtschaftsstandorts Österreich: „Die vorgeschlagenen Ermittlungsmaßnahmen untergraben das Vertrauen in die österreichische Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Österreich, der aufgrund der hohen Datenschutz- und Sicherheitsstandards geschätzt wird“, heißt es in der Stellungnahme.
Das „Österreichische Rote Kreuz“ (ÖRK) spricht davon, dass das Gesetzesvorhaben gar verfassungswidrig sei. „Nach Ansicht des ÖRK ist eine Umsetzung der gegenständlichen Plattform verfassungswidrig.“ Auch der Verein der Internet Service Provider Austria (ISPA) warnt in seiner Stellungnahme vor verfassungswidrigen „Online-Durchsuchungen“ und einer unverhältnismäßigen „Internet-Inhaltsüberwachung“. Der geplante Einsatz von Überwachungssoftware durch die Nutzung von Sicherheitslücken untergrabe das Vertrauen in den österreichischen Wirtschaftsstandort.
"Förderung von Kriminalität"
Der Oberste Gerichtshof warnt in seiner Stellungnahme vor der Einführung eines „Bundestrojaners“. Der Oberste Gerichtshof nimmt dabei das Wort, welches das Justizministerium seit Beginn der Diskussion verhindern will, in den Mund. Laut Experten des Gerichtshofs sei eine derartige Schadsoftware „zum einen de facto kaum machbar und zum anderen mit gravierenden negativen Begleiterscheinungen verbunden“, wie etwa der „Förderung von Internet-Kriminalität“.
Der „Chaos Computer Club Wien“ sieht in dem Gesetzesvorhaben eine „Absicht, als Staat am Grau- und Schwarzmarkt für Sicherheitslücken teilzunehmen“ und damit „die Sicherheit aller nicht zu schützen, sondern zu gefährden“. „Es fehlt immer noch eine Evaluierung bereits vorhandener Überwachungs- und Bespitzelungsmöglichkeiten“, warnt der Chaos Computer Club Wien. Zudem fehle ein angemessener Rechtsschutz, heißt es. „Eine Sanktionierung von unbegründetem oder überschießendem Kontroll- und Überwachungsverhalten von Behörden oder Einzelpersonen ist nicht vorgesehen.“
"Umfangreicher als angekündigt"
Laut der Datenschutz-NGO epicenter.works gehen die konkreten Gesetzesvorschläge „weit über das hinaus, was die Koalition in ihrem Arbeitsprogramm Ende Jänner angekündigt hat.“ Die NGO hat vor, die Reaktion der Politik auf die Kritik der Bürger nun ganz genau zu beobachten. Auf der Website überwachungspaket.at werden alle Stellungnahmen gesammelt und analysiert. Am Montag wurden zudem die Tausenden Stellungnahmen, deren Annahme das Justizministerium durch eine "technische Maßnahme" blockiert hatte, auf einem USB-Stick übergeben.
"Wir brauchen eine Sicherheitspolitik, die tatsächlich geeignet ist, den Problemen unserer Zeit zu begegnen. Die Politik übt sich in gefährlichem Aktionismus, der keine Lösungen bringt“, so Thomas Lohninger.
Taubes Ohr
Obwohl die Kritik derart niederschmetternd ist, hat Justizminister Wolfgang Brandstetter am Dienstag Früh verlautbart, dass die „Maßnahmen ausreichend diskutiert“ und „mangels ernst zu nehmender Alternativen reif für die Beschlussfassung“ seien. Bereits am Wochenende hatte das Ministerium auf eine rasche Umsetzung gedrängt. Die Stellungnahmen würden nun lediglich dafür genützt, um „mögliche Verbesserungen aufzugreifen“. Die „generellen Eckpfeiler“ seien aber unverrückbar, so der Justizminister.