"Nacktscanner-Produzent kauft sich EU-Beamten"
Anfang September hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments beschlossen, die Einführung von Nacktscannern, die reale Abbildungen von Menschen anzeigen, zu erlauben. Das geschah aufgrund von einer Intervention der EU-Kommission (die futurezone hat berichtet) und kam relativ überraschend, da es zuvor eine Einigung gegeben hatte, die besagt hat, dass nur Piktogramme zugelassen werden.
Der unabhängige EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser hat nun aufgedeckt, wie es tatsächlich zu diesen „Interventionen“ seitens der EU-Kommission gekommen sein könnte. Dazu ist wichtig zu wissen, dass es beim Geschäft mit den Körperscannern derzeit wenige Anbieter am Markt gibt und es sich um einen Milliardenmarkt handelt. Die Anschaffungskosten für ein einziges Gerät betragen etwa 120.000 Euro.
Strichmännchen vs. reale Abbildungen
Derzeit bietet der US-Konzern L3 Communications (der übrigens auch Streubomben herstellt) als einziger Konzern eine Lösung an, bei der der durchleuchtete Mensch als Piktogramm angezeigt wird. Der Mensch ist dabei höchstens als „Strichmännchen“ erkennbar. Die EU-Kommission sieht darin, dass der Konzern derzeit ein Monopol hat, eine „Wettbewerbsverzerrung“. Mit der britischen Smith Group gibt es nun aber einen Konzern, der statt Piktogrammen reale Abbildungen von Menschen anzeigt, die nicht ausreichend verschleiert werden können und dadurch die Datenschutzauflagen bei der Bildgebung wesentlich niedriger sind.
Dieser Konzern, der unter anderem auch das Europäische Parlament mit Sicherheitstechnologie beliefert, soll nun bei der EU-Kommission Lobbying betrieben haben und dafür verantwortlich sein, dass die Richtlinien aufgeweicht wurden. Mit Magnus Ovilius holte sich die Smith Group Ende des Jahres 2008 einen ehemaligen für die Anti-Terror-Politik verantwortlichen Beamten von der EU-Kommission ins Boot. Der EU-Beamte wechselte zur Smith Group, um dort als „Vice President Government Relations“ ein Europabüro in Brüssel aufzubauen.
Von der Anti-Terror-Politik zum Nacktscanner-Konzern
Ehrenhauser stellt nun folgende Zusammenhänge her: "Man kann wohl kaum von einem Zufall ausgehen, wenn genau jener Produzent, der sich einen EU-Beamten als Cheflobbyisten kauft, auch das erfolgreichste Lobbying betreibt.“ Der von Ehrenhauser als "klassischer Fall von Drehtürlobbyismus" bezeichnete Wechsel ereignete sich zufällig genau zu dem Zeitpunkt, als die EU-Kommission eine Konsultation über die Auswirkungen des Einsatzes von Nacktscannern gestartet hat und die EU-Regulierungsbestrebungen ihren Anfang genommen haben.
Der EU-Politiker hat am Mittwoch dazu eine parlamentarische Anfrage (PDF) an die EU-Kommission eingereicht. Darin fordert er eine Aufklärung seitens der EU-Kommission, wie oft der erst seit September 2011 im EU-Lobbyregister eingetragene Schwede seit seinem Ausscheiden aus der Kommission seine ehemaligen Kollegen traf, um die Interessen seines neuen Arbeitgebers zu vertreten und in welcher Funktion und bis wann Ovilius zuletzt bei der EU-Kommission tätig war.
"Entscheidungsprozess transparent machen"
Die EU-Kommission hat nun laut Geschäftsordnung sechs Wochen Zeit, um auf die parlamentarische Anfrage zu reagieren. „Es ist bei solchen Entscheidungen besonders wichtig, den Entscheidungsprozess transparent zu machen. Man wird sehen, wie offen die Kommission auf die Fragen antwortet. Es ist in gewisser Art und Weise ein Kampf um die parlamentarische Kontrolle“, so Ehrenhauser zur futurezone.
Am Donnerstag gab es erneut eine Debatte im Europäischen Parlament zum Einsatz von Nacktscannern an europäischen Flughäfen. Diese zeigte die gespaltene Stimmung der Parlamentarier bei dieser Thematik. Ein Mitentscheidungsrecht darüber, welche Scanner-Typen zum Einsatz kommen, hat es nicht. Es kann nur noch für oder gegen die Regeln für den Einsatz von Nacktscannern stimmen.
Ehrenhauser sieht in den Nacktscannern ein „Placebo“. „Sie bekämpfen das Problem nicht bei den Wurzeln“, so der EU-Politiker. Dass sich für derartige Regelungen, die den Schutz der Privatsphäre verletzen, immer wieder Mehrheiten im Parlament finden, findet er schlichtweg „traurig“.