The Yes Men: "Revolution muss Spaß machen"
Sie haben die Website der Welthandelsorganisation (WTO) gefälscht und traten als Vertreter der Organisation jahrelang bei Konferenzen und in TV-Sendungen auf. Dort präsentierten sie etwa ein Penis-artiges Gebilde zur Steuerung von Arbeitern in Entwicklungsländern oder verkündeten Pläne der WTO zum Kauf von Wählerstimmen in den USA. Von Konferenzteilnehmern erhielten sie dafür höflichen Applaus. Die Konzerne Dow Chemical, Exxon Mobile, BP und General Electric brachten sie mit fingierten Presseaussendungen und TV-Interviews in Bedrängnis. The Yes Men, wie sich das aus Mike Bonanno und Andy Bichlbaum bestehende Aktivistenduo nennt, bezeichnen ihre Methode als "Identitätskorrektur". Mit der mitunter ins Absurde zugespitzten Aneignung ihrer Positionen stellen sie Konzerne und Organisationen bloß und machen auf umwelt- und sozialpolitische Themen aufmerksam.
Ihre Aktionen sind in zwei Filmen - "The Yes Men" (2003) und "The Yes Men Fix The World" (2009) - festgehalten. Ein dritter Film ist in Arbeit. Am Donnerstag war Mike Bonanno von The Yes Men auf Einladung des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft (TFM) im Rahmen der Reihe "Medienaktivismus" an der Universität Wien zu Gast. Die futurezone hat mit Bonanno, der mit bürgerlichen Namen Igor Vamos heißt, über The Yes Men und ihren Medienaktivismus gesprochen.
futurezone: Bevor Sie mit den Yes Men begannen, haben Sie bei den Netzaktivisten von RTMark mitgemacht und etwa gefälschte Webseiten von George W. Bush und der World Trade Organization (WTO) ins Netz gestellt. Wie hat sich Ihr Aktivismus im Laufe der Jahre verändert?
Mike Bonanno: Bei RTMark ist es darum gegangen, ein System zu schaffen, dass die Möglichkeiten der Architektur des Internet für Aktionismus nutzt. Die Leute konnten miteinander kommunizieren und ihre Fähigkeiten in Aktivitäten einbringen, die mitunter auch illegal waren. Es ging uns zwar auch schon damals darum, Medien-Spektakel zu schaffen, aber die Art des Engagements war sehr unterschiedlich. Heute konzentrieren wir uns mehr auf das Erzählen von Geschichten. Wir werden zum Teil dieser Geschichten und sind Schauspieler in unseren Inszenierungen. Deshalb machen wir heute auch Filme.
Gefälschte Webseiten werden mittlerweile auch schnell erkannt. Es ist nicht mehr sehr wahrscheinlich, dass Sie über eine solche Seite Einladungen zu Konferenzen bekommen, wie es etwa bei gatt.org - unserer Version der WTO-Seite - der Fall war. Allerdings bekommen wir über diese Seite vereinzelt auch heute noch E-Mails von Leuten, die glauben, wir wären tatsächlich die World Trade Organization.
Ihre Arbeit hängt zu einem hohen Grad auch vom Medienecho ab, das die Aktionen bekommen. Bei vielen Medienunternehmen hat es Einschnitte gegeben. Darunter hat auch der Journalismus gelitten. Ist es heute einfacher in die Medien zu kommen?
Ich glaube, es ist heute einfacher in die Medien zu kommen. Das liegt sicherlich auch daran, dass es einen großen Druck auf die Medienunternehmen gibt, Geschichten als Erster zu bringen. Journalisten haben nicht mehr die Zeit Dinge zu hinterfragen, es wird von ihnen erwartet, dass sie sie twittern.
Wir haben zuletzt etwa gemeinsam mit der Organisation US Uncut eine Presseaussendung im Namen von General Electric (GE) veröffentlicht, in der angekündigt wurde, dass GE 3,2 Milliarden Dollar, die dem Konzern von staatlicher Seite als Steuerrückzahlung überwiesen wurden, wieder zurückzahlen will. Die Nachrichtenagentur AP hat die Meldung als erster über Twitter verbreitet. Dort arbeiten sehr gute Journalisten, denen man nichts vorwerfen kann. Sie müssen solche Geschichten innerhalb von drei Minuten draußen haben. Da bleibt keine Zeit, die Fakten zu überprüfen. Das gilt übrigens für alle Medienunternehmen. Sie stehen auch unter großem wirtschaftlichen Druck. Was man den Medienunternehmen aber vorwerfen muss, ist das Verbreiten der gigantischen Betrügereien, die von den Unternehmen und Regierungen jeden Tag verbreitet werden.
Sie haben gefakte Versionen der "New York Post" und der "New York Times" verteilt, in letzterer haben Sie etwa den Irak-Krieg vorzeitig für beendet erklärt. Warum haben Sie für diese Aktionen Zeitungen gewählt?
Zeitungen haben noch immer so etwas wie Autorität. Das trifft auf viele Online-Medien nicht zu. Darüber hinaus kann man Zeitungen angreifen. Sie können auch sehen, wie die Leute auf Meldungen reagieren. Beim Verteilen unserer gefälschten Version der "New York Times" war es ein Vergnügen die Gesichter der Leute zu beobachten, als sie Nachrichten gesehen haben, die sie einfach nicht erwartet haben. Das ist unbezahlbar. Wir haben das auch in unserem Film "The Yes Men Fix The World" festgehalten.
Haben Social Media wie Twitter oder Facebook die Möglichkeiten des Aktivismus verändert?
Sie können heute sehr schnell sehr viele Leute erreichen. Das macht die Sache aber nicht unbedingt besser. Früher gab es etwa Telefonketten. Ein Person hat zehn Leute angerufen, um sie dazu zu bewegen auf eine Demonstration zu gehen. Von diesen zehn Leuten hat wieder jeder zehn weitere Personen angerufen. Die Leute wussten, dass sie Glieder eine Kette waren, das war verbindlicher. Jeder war dafür verantwortlich, dass die Kette nicht abreißt. Wenn Sie heute etwa über Facebook tausende Leute auf einmal erreichen fehlt dieses verbindliche Element. Wir sollten also nach Möglichkeiten suchen, wie wir diese sozialen Verträge, die viele sozialen Bewegungen erfolgreich gemacht haben, mit den Möglichkeiten solcher Netzwerke verbinden können.
Wie beurteilen Sie eigentlich andere Formen des Medienaktivismus, wie etwa WikiLeaks?
WikiLeaks ist fantastisch. Es vermittelt ein globales Verständnis dafür, dass das was in verschiedenen Ländern und verschiedenen Unternehmen passiert ein großes Netz von Lügen ist. WikiLeaks macht diese Lügen im großen Stil öffentlich.
Für ihren Film "The Yes Men Fix The World" haben sie auch eine eigene Version für Online-Tauschbörsen veröffentlicht, da wegen einer Klage der US-Handelskammer bestimmte Szenen aus der offiziellen Version herausgenommen werden mussten. Dabei haben Sie auch Spenden für weitere Filmprojekte gesammelt. Wie hat das funktioniert?
Wenn Sie Filme über P2P-Netzwerke veröffentlichen, haben sie mit dem Vertrieb keine Arbeit. Filme in die Kinos zu bekommen ist sehr mühsam und aufwendig. Wir hatten in den USA keinen Vertrieb für den Film, weil wir die Rechte für die Erstausstrahlung an den Kabelsender HBO verkauft haben. Nachdem der Film dort gelaufen ist, haben wir den Kinovertrieb selbst übernommen. Das war sehr mühsam und letztlich zählte der Film nur rund 100.000 Kinobesucher. Über BitTorrent wurde "The Yes Men Fix The World" mehr als 800.000 Mal heruntergeladen. Dafür mussten wir keinen Finger rühren. An Spenden haben wir etwa 30.000 Dollar eingenommen. Das ist nicht sehr viel. Aber wir haben jetzt die E-Mail-Adressen der Spender und können sie für unseren nächsten Film wieder um Spenden fragen. Die Aktion hat uns also beim Aufbau einer Community geholfen, die uns in unserer Arbeit unterstützen will.
Natürlich hat der Film weit mehr als 30.000 Dollar gekostet. Als Filmemacher gibt man seine Filme auch nicht sehr gerne einfach so her. Wir zahlen heute noch Schulden ab, die uns durch die Produktion des Films entstanden sind. Wir haben daraus auch unsere Lehren gezogen. Unsere Strategie ist es jetzt, Filme so zu produzieren, dass dafür kein Geld notwendig ist.
Wie finanzieren Sie eigentlich Ihre Arbeit?
Wir haben Jobs, wir unterrichten etwa an Universitäten, und machen Tourneen und Präsentationen. Wir werden auch von Stiftungen unterstützt und haben unsere Bemühungen verstärkt, Spenden für unsere Aktionen zu sammeln. Die Aktion mit der "New York Times" wurde etwa zum Großteil über unsere Mailing-Liste finanziert. Wir überlegen uns auch Dienste wie Kickstarter zur Finanzierung von Projekten zu nutzen. Das ist vor allem für unser Yes Lab interessant, wo wir mit vielen verschiedenen Organisationen zusammenarbeiten.
Was machen Sie im Yes Lab genau?
Im Yes Lab bieten wir Aktivisten und Organisationen Hilfestellungen bei ihren Aktionen. Es ist eine Art Unterrichtsprogramm. Wir arbeiten mit Leuten zusammen, die unsere Methoden für ihre Aktionen und Kampagnen nutzen wollen und geben ihnen Feedback. Wir machen das seit etwa einem Jahr und haben mit dem Yes Lab bisher an rund einem Dutzend Aktionen mitgewirkt, die auch sehr erfolgreich waren. Im Laufe des nächsten Jahres wollen wir auch eine Art Social-Networking-Plattform rund um Aktionen und Projekte im Zusammenhang mit umwelt- und sozialpolitischen Themen starten.
Was macht eine gute Aktion oder Kampagne aus?
Eine Möglichkeit das zu messen, ist etwa die Medienaufmerksamkeit, die die Aktion bekommt. Wieviele Artikel darüber geschrieben werden oder wie oft sie in sozialen Medien erwähnt wird. Es gibt aber auch Fälle, in denen das keine Bedeutung hat. Eine gute Aktion ist mit einem guten Gedicht vergleichbar. Es geht nicht darum, wieviele Leute es lesen, sondern es geht um ästhetische und poetische Kriterien. Manchmal wird durch die Aktion auch nur eine Person beeinflusst, die sehr viel bewirken kann. Ebenso wichtig ist es, wieviel Spaß wir bei der Sache haben. Das gibt uns auch die Energie für weitere Aktionen. Die Revolution muss Spaß machen.