Uni Salzburg liegt in Googles Händen
Die Begrenzung auf 100 MB Speicherplatz und ein automatischer Auslog-Prozess nach wenigen Minuten sorgte unter Salzburgs Studenten für Unmut mit dem bestehenden Webmail-System von Microsoft. "Das Postfach ist nach spätestens einem Semester voll", hieß es im Zuge der "Unibrennt"-Proteste. Die ÖH setzte sich daraufhin im Namen der Studenten für eine neue Lösung ein. Die IT-Abteilung setzte sie um - und bietet den Studenten jetzt Postfächer mit 10 GB Speicherplatz.
Laut dem Leiter der IT Services der Uni Salzburg, Florin-Czesar Guma, wurden Vorschläge von Microsoft, IBM und Google eingeholt, man entschied sich für "Google Apps for Education". "Die Studenten wollen untereinander größere Daten austauschen, wir stellen dafür eine Lösung bereit", erklärt Guma gegenüber der FUTUREZONE. Seit Dezember können die Studenten im Web auf ihre E-Mails sowie die weiteren Google-Dienste Kalender, Text & Tabellen, Sites, Talk und Groups zugreifen und diese für ihre Aktivitäten nutzen. Die Daten werden dabei "in der Cloud" gespeichert.
Proteste gegen "gezwungene Verlagerung"
Nicht alle Studenten sind damit glücklich. Studierende des Fachbereichs Computerwissenschaften haben eine Initiative "gegen die aufgezwungene Verlagerung der universitären Mailaccounts zu Google" gegründet. Auf der eigens eingerichteten Website noapps.at finden sich Informationen und eine Unterschriftenliste zum Ausdrucken. Mehr als 400 Studenten haben bereits unterschrieben. "Unsere Bedenken sind datenschutzrechtlicher Natur", erzählt Xaver Kienzerle, einer der Kritiker, der FUTUREZONE. "Es ist für uns nicht klar ersichtlich, welcher Gesetzgebung der Dienst unterliegt und was im Zweifelsfall mit unseren Daten passiert."
So werden etwa Prüfungsergebnisse automatisch, wenn sie vom Professor ins dafür vorgesehene PlusOnline-System eingetragen werden, an die universitäre E-Mail-Adresse verschickt. Das sind personenbezogene Daten, die einem der Universität fernen Unternehmen überlassen werden, so die noapps.at-Initiatoren. "Damit könnte Google sich passende Absolventen aussuchen und diese anschreiben", spekuliert Kienzerle.
"Nette Profile über zukünftige Akademiker"
Über den E-Mail-Verkehr lasse sich zudem ein detailliertes Bild der Studenten anfertigen - vorausgesetzt, Google greift auf die Daten der Studenten zu und liest die Mails mit. "Anhand dieser Daten lassen sich nette Profile über zukünftige Akademiker erstellen", kritisiert auch der Vorsitzende des Datenschutzrates, Nationalratsabgeordneter Johann Maier. Laut dem Leiter der IT-Services sei dies ausgeschlossen. "Die Mails werden von Google nicht durchleuchtet", so Guma. "Sie liegen außerdem nicht alle in einem Datenzentrum, sondern werden zerstückelt gespeichert und sind somit nur Datenmüll", erklärt der IT-Verantwortliche.
Der Vizerektor für Lehre, Rudolf Mosler, erklärte, dass die Lösung rechtlich entsprechend geprüft worden sei. Zudem merkte er an: "Datenschutz wird maßlos überschätzt. Die Studenten geben auf Facebook sowieso alles von sich Preis." Kienzerle zeigt sich darüber entsetzt: "Wie Studenten das Internet privat nutzen, bleibt jedem selbst überlassen. Aber ich finde es nicht in Ordnung, wenn eine Uni, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die Daten ihrer Studenten einem globalen Player wie Google in die Hände legt."
Verwirrende Nutzungsbestimmungen
Seit 1. Jänner sorgt zudem ein Pop-up für weiteren Unmut. Studenten müssen darin neuen Nutzungsbestimmungen von Google zustimmen. Diese sind allerdings laut Guma für zusätzliche, freie Google-Dienste wie Picasa oder Blogger gedacht, die von der Universität für die Studenten gar nicht freigeschalten worden sind. "Das ist tatsächlich etwas ungeschickt von Google und wirft ein schlechtes Bild auf das ganze System. Wir warten jetzt auf weitere Informationen von Google", erklärt Guma. "Die Nutzungsbestimmungen gelten aber nicht", fügt er hinzu. "Für die meisten Studenten ist das außerdem kein Problem. Wir haben derzeit etwa 7000-8000 unterschiedliche Nutzer pro Tag", versucht er den Google-Faux-Pas zu verteidigen.
[[1185:body / Zustimmung für Webnutzer erforderlich]]
Studenten, die ihre Accounts übers Web abfragen, können auf ihre Mails ohne diese Zustimmung allerdings nicht mehr zugreifen. "Normalerweise muss so etwas über gesonderte Nutzungsbedingungen geregelt werden und darf in dieser Form nicht vorkommen", so der Informatiker Kienzerle. Er ist einer Zustimmung umgangen, indem er über einen Mailclient auf seinen Account zugreift. Vizerektor Mosler versteht die Aufregung nicht: "Bei Großkonzernen muss ich mich immer Nutzungsbedingungen unterwerfen, da müsste man ja sonst auf alles verzichten."
Sind Alternativmodelle finanzierbar?
Die ÖH Salzburg fordert nun einen runden Tisch, bei dem über Alternativmodelle und Datenschutzthemen gesprochen werden soll. "Der Unmut bei den Studierenden ist groß, das muss man ernst nehmen", so die stellevertretende ÖH-Vorsitzende Svjetlana Vulin. Unterdessen treffen sich die noapps.at-Initiatoren mit dem Leiter der IT-Abteilung, um ein Alternativmodell vorzustellen. Laut Guma soll es im Juni auch eine Befragung unter den Studierenden geben, bevor die Testphase von Google Apps am 30. Juni abläuft.
Einem potentiellen Alternativmodell steht Guma prinzipiell "neutral" gegenüber. Die Google-Apps-Lösung wäre für die nächsten drei Jahre allerdings mit keinen zusätzlichen Kosten verbunden, erklärt er. "Auch für die Zeit danach gibt es eine grundsätzliche Absichtserklärung seitens Google". Gerade dieser Punkt ist letztendlich wesentlich. So wäre die Aufrüstung des Speicherplatzes für Studenten mit dem alten, Server-gebundenen System mit Kosten im "sechsstelligen Bereich" verbunden gewesen.
(Barbara Wimmer)
Umstellung
Das Webmail-System der alten Studierenden-Postfächer wird am Dienstag, 14.02.2011, abgedreht. Studenten können ihre Mails in Folge nur noch über den neuen Zugang abrufen. Die Weiterleitungen von den alten auf die neuen Adressen sind bis Ende Juni 2011 aktiv.
Links:
Wer nutzt Google Apps?
Die Universität Salzburg weist auf ihrer Websitedarauf hin, dass eine Reihe von internationalen Institutionen Google Apps nutzt. Darunter befinden sich Land Rover und Motorola. Auch die Universitäten Westminister (UK), Leeds (UK), Amsterdam (NL) und Linköping (Schweden) würden das System benutzen.