Netzpolitik

Videoüberwachung: Nachfragen nicht erwünscht

Wer in Österreich von einer Überwachungskamera aufgezeichnet wird, hat das Recht Auskunft darüber zu erhalten und kann die aufgezeichneten Bilder auch einsehen. So steht es zumindest im Datenschutzgesetz. In der Praxis ist das Auskunftsrecht aber kaum durchsetzbar, wie eine aktuelle Studie des Wiener Rechtssoziologen Robert Rothmann zeigt, die von der Kulturabteilung der Stadt Wien unterstützt wurde.

Der Wissenschaftler, der an der an der Universität Wien und am Forschungsinstitut Mediacult tätig ist, begehrte für seine Studie bei 18 Betreibern von Videoüberwachungskameras Auskunft über Aufnahmen, die von ihm gemacht wurden. Lediglich in fünf Fällen wurde ihm das entsprechende Videomaterial ausgehändigt. In drei Fällen davon war es unvollständig. In allen anderen Fällen wurde das Auskunftsbegehren zurückgewiesen oder abgewiegelt.

"Normbruch"

Häufig bekam der Soziologe auch zu hören, dass die betreffende Kamera gerade kaputt sei oder im Moment nicht speichere. Das Auskunftsbegehren wurde von den Betreibern immer wieder als Frechheit empfunden. "Wir sind so an die Videoüberwachung gewöhnt, dass es als Normbruch gesehen wird, wenn man nachfragt. Zwischen dem was im Datenschutzgesetz steht und dem, was im Alltag gelebt wird, besteht ein großer Unterschied", sagt Rothmann. "Wer Fragen stellt, macht sich verdächtig."

Das Auskunftsrecht solle für Betroffene Transparenz schaffen und die Möglichkeit bieten, dass durch die Überwachung entstehende Ungleichgewicht situationsbezogen aufzuheben. "Wenn es nicht funktioniert, ist das bedenklich."

"Taktieren, ausweichen, verweigern"

Vorstellig wurde der Rechtssoziologe für seine Studie unter anderem bei Betreibern von Videoüberwachungskameras in Trafiken, Supermärkten, Modegeschäften, Museen, Banken, Verkehrunternehmen, Restaurants und einem Würstelstand. "Je größer das Unternehmen, umso schwieriger ist es, verantwortliche Personen zu finden", erzählt Rothmann: "Die Betreiber taktieren, weichen aus und sprechen einem das Recht auf Auskunft ab."

Bei seinen Recherchen stieß der Wissenschaftler nicht nur auf unklare Zuständigkeiten und mißmutiges Sicherheitspersonal, sondern auch auf Verstöße gegen das Datenschutzgesetz. "Der Umgang mit den Daten war generell salopp". Viele Anlagen waren nicht gemeldet, Kennzeichnungspflichten wurden verletzt und Speicherfristen nicht eingehalten. Die Positionierung einzelner Kameras legte auch die Vermutung nahe, dass ihr eigentlicher Zweck die Überwachung der Mitarbeiter ist.

Ungleichgewicht

Das Ungleichgewicht zwischen Überwachern und Überwachten wurde auch durch das Verbot, in überwachten Arealen Fotos oder Videos mit dem Smartphone anzufertigen, deutlich. Es gehe auch um Fragen visueller Dominanz, meint der Studienautor: "Wer darf wann und zu welchem Zweck etwas sehen und filmen?"

Rechtlich gibt es bei der Nichtbeantwortung von Auskunftsbegehren auch die Möglichkeit zur Beschwerde bei der Datenschutzbehörde. Davon machte Rothmann keinen Gebrauch: Die Studie ziele lediglich auf die Analyse der formalen Umsetzung der Anfragen und die unmittelbare Reaktion der Betreiber ab, sagt er. Würden mehr Bürger ihr Auskunftsrecht einfordern, käme es bei vielen Betreibern vermutlich schnell zu einem untragbaren Mehraufwand und einem organisatorischen Versagen.

Sanktionsmöglichkeiten gering

Bei der ehemaligen Datenschutzkommission und nunmehrigen Datenschutzbehörde wurden im vergangenen Jahr rund 120 Beschwerden im Bereich Videoüberwachung eingebracht. Lediglich zwei davon betrafen das Auskunftsrecht, wie aus der Behörde zu erfahren war. Beide wurden abgewiesen.

Die Sanktionsmöglichkeiten der Behörde sind aber ohnehin begrenzt. Sie kann Bescheide erlassen und Empfehlungen aussprechen. Strafen darf sie nicht verhängen, das ist Sache der Bezirksverwaltungsbehörden oder der Bezirksgerichte.

Datenschutz aufgeweicht

Generell wurde der Datenschutz im Bereich Videoüberwachung in den vergangen Jahren zunehmend gelockert. Die zulässige Speicherdauer wurde von 48 auf 72 Stunden erhöht. Die Auskunftspflicht bei Echtzeitüberwachungen wurde abgeschafft. Viele Anlagen wurden von der Meldepflicht ausgenommen. "Es macht den Eindruck, als wären die Behörden mit der Flut an Bilddaten überfordert", sagt Rothmann.

Die Entwicklung im Bereich der Videoüberwachung sei auch symptomatisch für andere Formen der Überwachung, so der Rechts- und Kriminalsoziologe. Ob bei der Videoüberwachung im Fast-Food-Restaurant oder bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit, es zeigen sich die selben Mechanismen. "Die Überwacher wollen sich nicht in die Karten schauen lassen. Die Herstellung des informationellen Ungleichgewichts ist Teil des Spiels."

Das österreichische Datenschutzgesetz billigt Betroffenen das Recht auf Auskunft über die zu ihrer Person verarbeiteten Daten zu. Im Fall der Videoüberwachung müssen Bürger in ihrem Auskunftsbegehren möglichst genau beschreiben, wann und wo sie auf einer Videoaufzeichnung zu sehen sind, heißt es auf der Website der österreichischen Datenschutzbehörde.

Auftraggeber der Überwachung müssen innerhalb von acht Wochen nach Einlangen der Anfrage eine Antwort erteilen oder begründen, warum dies nicht geschieht. Betroffenen steht eine Kopie der Aufzeichnungen zu, auf denen sie zu sehen sind. Die Auskunft ist einmal pro Jahr und Betreiber kostenlos. Sollte die Auskunf verweigert werden, unvollständig oder nach Meinung der Betroffenen unrichtig sein, kann eine gebührenfreie Beschwerde bei der Datenschutzbehörde eingebracht werden. Musterformulare dazu stellt die Datenschutzbehörde bereit.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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