Netzpolitik

Warum das Informatikstudium weiter beschränkt bleibt

Aktuell sind in Österreich rund 5000 IT-Stellen unbesetzt. Das Berufsbild Programmierer wurde im vergangenen Jahr zum „Mangelberuf“ erklärt. Auch die IT-Branche warnt bereits seit Jahren vor einem IT-Fachkräftemangel. Laut einer EU-Studie fehlen im IT-Sektor bis 2020 gar rund eine Million Fachleute. Trotzdem gibt es in Österreich an zwei Universitäten, nämlich der TU Wien und der Universität Wien, auch im Wintersemester 2017 wieder Studienbeschränkungen beim Informatik-Studium.

Dabei steht in der „Digital Roadmap“, einem 2017 vorgestellten Leitpapier zur Digitalpolitik des Landes, auf das sich die Regierung geeinigt hat, als eines der 12 Leitprinzipien: „Wir wollen durch die Digitalisierung mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen und die Menschen dafür entsprechend bilden und qualifizieren.“

Fristen für Informatikstudium

581 Personen werden im Winter 2017 an der TU Wien zum Informatik-Studium zugelassen, 390 Personen an der Uni Wien. Nun wurden die neuen Fristen für das kommende Studienjahr 2017/2018 veröffentlicht, die potentielle Studienanfänger beachten müssen: Im März wird der Prüfungsstoff veröffentlicht, ab 3. April kann man sich für den Reihungstest, der am 11. Juli 2017 stattfinden wird, anmelden.

Sabrina Burtscher, Studienvertreterin der Fachschaft Informatik an der TU Wien, kritisiert im Gespräch mit der futurezone, dass trotz einer lebhaften Debatte an der Politik der Zugangsbeschränkung festgehalten wird. „Wir fordern den freien Hochschulzugang zurück“, so Burtscher.

Beschränkung gilt bis 2021

Die futurezone hat nun beim Wissenschaftsministerium nachgefragt, warum an den Zugangsbeschränkungen beim Informatikstudium weiter festgehalten wird. Die Antwort, in einem Satz zusammen gefasst: Weil es sich die Rektoren der beiden Universitäten so wünschen. „Die derzeit bestehenden Zugangsregelungen wurden bereits im Herbst 2015 gemeinsam mit der SPÖ bis 2021 verlängert. Wir haben im Vorfeld der Verlängerung die Rektorate der betroffenen Universitäten nach ihren Wünschen gefragt, die sich für eine Verlängerung ausgesprochen haben“, heißt es in einer Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums.

„Weniger Anfänger bewirken mehr Raum für die Betreuung, was aufgrund besserer Betreuungsrelationen in weiterer Konsequenz weniger Studienabbrecher zur Folge hat, gleichzeitig aber mehr Absolventen hervorbringt“, fährt das Ministerium fort. „Die Annahme, dass die Zulassung von weniger Studierenden auch zu einer geringeren Drop-Out-Quote führen wird, konnte durch eine Studie bereits widerlegt werden“, meint Studienvertreterin Burtscher dazu. Im vergangenen Studienjahr mussten an der TU Wien rund 70 Personen auf ein Informatik-Studium verzichten.

Ausweichen auf MINT-Fächer

Viele davon haben laut Angaben Burtschers daraufhin artverwandte Fächer wie Mathematik- oder Elektrotechnik-Studien begonnen. An andere Standorte, wie etwa Graz oder Klagenfurt, seien kaum Personen ausgewichen. „Zugangsbeschränkungen als Steuerungselement zur besseren Verteilung der Studierenden funktioniert nicht“, so Burtscher.

Das Wissenschaftsministerium betont, dass die Zahl der Studienanfänger an den Universitäten in den sogenannten „MINT-Fächern“ in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sei. Der Anteil an Gesamtstudienanfängern ist von 26 auf 27 Prozent gestiegen und Österreich liegt damit über dem OECD-Schnitt von 24,7 Prozent.

Förderungen Uni vs. FH

Statt den freien Wissenserwerb aber gezielt zu fördern und etwa mehr Gelder für Universitäten zur Verfügung zu stellen, haben SPÖ und ÖVP im Zuge ihres neu beschlossenen Arbeitspaktes grünes Licht für zusätzliche Studienplatzbeschränkungen gegeben, die zu einer „höheren Studienqualität“ führen sollen. Gefördert wird stattdessen vor allem der Ausbau der Fachhochschulplätze. Die Förderungen im MINT-Bereich für Universitäten und Fachhochschulen unterscheiden sich folgendermaßen:

Beginnend mit dem Jahr 2011 wurden laut dem Wissenschaftsministerium Mittel von 40 Millionen Euro investiert, um MINT-Fächer an Universitäten zu stärken. Bei Fachhochschulen wurden im Studienjahr 2014/2015 von den insgesamt 263 Millionen Euro fast 50 Prozent für technische Fächer verwendet. Weitere 100 Millionen Euro werden nun zum Ausbau der Fachholschulplätze im Zuge der Neuregelung der Bankengabe beschlossen. „Auch hier wird der Schwerpunkt bewusst auf MINT-Fächer gelegt“, so das Ministerium.

Wirtschaft dominiert Wissenschaft

Burtscher von der Fachschaft Informatik sieht hier ein „Ungleichgewicht“ und hält es für problematisch, dass Geld vor allem in Fachhochschulen fließt. „Fachhochschulen sind nicht der perfekte Ersatz für Universitäten, außerdem entsteht hier ein soziales Ungleichgewicht. Die Ausbildung an Fachhochschulen ist berufsbegleitend möglich, während man beim Informatik-Studium bereits in den ersten Vorlesungen hört, dass es sich hierbei um ein Vollzeit-Studium handelt. Hier werden also bestimmte Bevölkerungsschichten vom Universitätsstudium ausgegrenzt.“

Die Strategie der österreichischen Regierung im Hochschulbereich ist zudem klar erkennbar: Der Erwerb von Wissen ist auch im technischen Bereich künftig stark wirtschaftsgetrieben. Laut dem Wissenschaftsministerium ist im Entwicklungsprozess „Zukunft Hochschule“ auch im Bereich Informatik der Fokus vor allem darauf gerichtet, „gemeinsam mit Industrie und Wirtschaft einen konkreten Bedarf nach Qualifikation und Ausrichtung“ zu diskutieren. „Das könnte man unter dem Schlagwort Bildungsökonomisierung zusammenfassen“, meint Burtscher dazu.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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