"Die Roboter kommen nicht, sie sind schon da"
"Die Roboter kommen nicht, sie sind schon da", sagt Oliver Nachtwey, Soziologe an der Universität Basel, am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "Die Roboter kommen. Fürchtet euch (nicht)!" bei den Technologiegesprächen beim Europäischen Forum Alpbach. Bei großen deutschen Autoherstellern seien in den Produktionsstätten bereits Automatisierungsgrade von 80 Prozent erreicht: "Trotzdem steigt der Personalstand. Die Automatisierung ist ein offener Prozess und gestaltbar."
In Zukunft werden Roboter auch in anderen Industriezweigen und wohl auch außerhalb der Produktionshallen eine immer größere Rolle spielen. Diese Entwicklung wird kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite des Meinungsspektrums stehen jene, die fürchten, dass eine neue Generation von Robotern zu Heerscharen von Arbeitslosen führen werden.
Auf der anderen Seite gibt es jene, die sich auf einen vollautomatsierten Luxus-Kommunismus freuen. "Die Frage ist, ob es in Richtung Überflüssigmachung von Arbeitern oder Komplementarität geht. Historisch gesehen haben Automatisierungsschübe eher Komplementarität gefördert, wodurch die Produktivität und die Löhne gestiegen sind", sagt Nachtwey.
Digitalisierungswelle
Bei der durch das Internet ausgelösten Digitalisierungswelle hat das allerdings nur begrenzt gestimmt. "Die Marktkonstitution der Internetkonzerne macht mir Sorgen. Hier ist es durch den Monopolisierungsdruck zu einer Dualisierung der Arbeiter gekommen. Während Google-Ingenieure in der Mittagspause ins Dampfbad gehen können, will Amazon seinen Lagerarbeitern in Deutschland keinen normalen Tariflohn zahlen und droht mit der Einführung von Robotern", sagt Nachtwey.
Neben solchen wirtschaftlichen Bedenken gibt es auch noch andere Vorbehalte gegen eine Verbreitung von Robotern. "Die öffentliche Wahrnehmung von Robotern oszilliert zwischen Bewunderung und der Angst dominiert zu werden", erklärt Martina Mara vom Ars Electronica Futurelab in Linz. Der negativen Wahrnehmung könnte etwa entgegengewirkt werden, indem Roboter nur für Tätigkeiten eingesetzt würden, die nicht in der menschlichen Kernkompetenz liegen.
"Menschen haben auch ein Problem, wenn Roboter zu menschlich wirken. Sie sollten deshalb vielleicht besser als eindeutige Maschinen konstruiert werden", sagt Mara. Auch das Verhalten der Roboter kann angepasst werden, etwa indem ihre Bewegungen nicht nur auf geradlinige Effizienz ausgerichtet werden. Runde Bewegungen könnten die Kooperation mit Menschen erleichtern und den Wohlfühlfaktor erhöhen.
Politische Vorgaben
Ein Schritt in diese Richtung soll der österreichische Roboterrat sein (die futurezone berichtete). "Wir haben noch keine Antworten auf diese Fragen, aber eine Diskussion mit Experten aus möglichst vielen Bereichen ist eine Grundvoraussetzung", sagt Sabine Theresia Köszegi, Arbeitsforscherin an der TU Wien. In Zukunft werden die Problemfelder tendenziell nämlich noch größer.
"Nur einige Beispiele: Intelligente Prothesen können das Leben von Menschen verbessern, aber wenn die Technik zur Leistungsverbesserung genutzt wird, wirft das Fragen auf. Elon Musk hat kürzlich ein Verbot von Killerrobotern gefordert. In virtueller Form können Bots künftig schwer zu erkennen sein. Und wenn unsere Kinder in der Schule und zuhause mit Hilfsrobotern konfrontiert werden, kann das Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Diese grundlegenden Fragen soll sich der Rat stellen", sagt Köszegi.
Arbeitnehmerrechte
Falls Roboter wirklich vermehrt menschliche Arbeitskräfte aus verschiedenen Jobs verdrängen sollten, müsste die Politik wohl auch auf dem Arbeitsmarkt neue Wege gehen. "Ich glaube, hier wäre eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte zentral. Heute ist die Anteilnahme am Sozialsystem stark mit dem Betrieb verknüpft, etwa was Renten und Mitbestimmung angeht. Wenn die Kernbelegschaften aber zurückgefahren werden und immer mehr Menschen dann praktisch selbstständig arbeiten, muss die Politik reagieren. Die Institutionen der alten Arbeitsgesellschaft treffen diese Anforderungen nicht", sagt Nachtwey.
In Deutschland habe die Gewerkschaft einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht, indem sie Anlaufstellen geschaffen hat, wo Clickworker, die Minijobs im Netz übernehmen, sich austauschen können. Minister Leichtfried glaubt allerdings nicht, dass die zunehmende Verbreitung von Robotern Anlass zur Panik geben sollte: "Die Art, wie Menschen Tätigkeiten ausführen, hat sich im Verlauf der Geschichte immer wieder geändert. Jetzt erleben wir einen weiteren Schritt. Gegensteuern sollten wir aber trotzdem. Das Steuersystem in Österreich etwa hängt an Lohnarbeit in Unternehmen. Neue Modelle brauchen ein neues Steuersystem. Wir müssen die Menschen auf Veränderungen vorbereiten."
Pflege
Das sieht auch Mara so: "Roboter können Werkzeuge für mehr Autonomie sein, aber nicht den komplexen Beruf eines Pflegers übernehmen." Trotzdem könnten Roboter als Unterstützung im Pflegedienst eingesetzt werden. "Durch den demografischen Wandel wird es Engpässe geben. Wenn Roboter einige Aufgaben übernehmen, bliebe menschlichen Pflegern vielleicht mehr Zeit für persönliche Beziehungen zu den Betreuten", sagt Nachtwey.
Selbstfahrende Autos
Aber auch hier ist mit Widerständen in der Bevölkerung zu rechnen. "Es kommt zu einem gefühlten Kontrollverlust. Hier sollte das Auto dem Fahrer und anderen Verkehrsteilnehmern stets signalisieren was es tut, etwa durch Lichtsignale oder Vibrationen im Sitz beim Abbiegen oder Beschleunigen. Das gibt den Menschen das Gefühl der Kontrolle zurück", sagt Mara. (siehe auch: futurezone-Interview mit Martina Mara über den Kontrollverlust bei selbstfahrenden Autos)
Die futurezone ist Online-Medienpartner der Technologiegespräche beim Europäischen Forum Alpbach.