Das sind Europas neue Weltraumbahnhöfe
Eigentlich befindet sich Europas großer Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guyana (mehr dazu hier). Das gehört als französisches Gebiet zwar zur EU, liegt aber auf dem südamerikanischen Kontinent. Die Nähe zum Äquator ist hier entscheidend, denn die schweren Raketen nutzen hier den Slingshot-Effekt, um mit mehr Schwung und damit weniger Treibstoff ins All zu gelangen.
Doch in Zukunft sollen auch vom europäischen Kontinent aus Raketen starten. Von nördlichen Regionen aus können leichtere Satelliten in einen polaren und sonnensynchronen Orbit gebracht werden. Das heißt, sie fliegen von Norden nach Süden und bleiben in einer fixen Position relativ zur Sonne.
Deshalb passieren sie jeden Tag zur gleichen Zeit den gleichen Ort. Bei Klimabeobachtungen und bestimmten Wettersatelliten ist das wichtig, um jeden Tag zur gleichen Zeit ein Foto machen zu können. Die Satelliten sind dann im niedrigen Low-Earth-Orbit (LEO), meist auf 600 bis 800 Kilometer Höhe.
Europa schickte z.B. bisher seine Sentinel-Satelliten vom russischen Plessezk aus ins All. Wir erklären, wo in Zukunft Satelliten starten sollen und wer hinter den Bauprojekten steckt.
Esrange in Schweden
Das Esrange Space Center liegt in der Nähe von Kiruna, im Norden des Landes. Der Startplatz ist nicht neu, Anfang Jänner wurde dort aber ein neuer Komplex eröffnet (futurezone berichtete). Seit 1966 finden hier Raketenstarts im Rahmen von Forschungsprojekten statt. Verwaltet wird er seit 1972 von der schwedischen Raumfahrtorganisation SCC, gebaut wurde er aber vom ESA-Vorgänger, der European Space Research Organization (ESRO).
Hier starten seither Forschungsraketen und Stratosphärenballons. Koordiniert werden sie vom Esrange Andøya Special Project der ESA. 3 Hauptprogramme starten von dort aus Experimente in den Suborbit: Texus (Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit), Maser (Material Science Experiment Rocket) und Maxus. Während die Raketen wieder zur Erde fallen, befinden sie sich einige Minuten in der Schwerelosigkeit, was Mikrogravitationsforschung ermöglicht.
Neu ist, dass von Esrange nun auch Raketen in den Orbit geschossen werden sollen. Ende des Jahres soll hier erstmals eine Rakete mit Satelliten abheben. Wer den Start durchführt ist aber noch unklar.
Andøya Spaceport in Norwegen
Der norwegische Startplatz Andøya liegt ähnlich wie Esrange weit im Norden. Auch von hier aus werden suborbitale Flüge durchgeführt. Der erste Raketenstart fand bereits 1962 statt, damals mit Unterstützung der NASA. Neben der Forschung werden hier auch militärische Tests durchgeführt.
Seit einigen Jahren findet dort auch das Studierendenprogramm "Fly a Rocket!" der ESA statt. 2021 konstruierten und starteten zuletzt 24 Jungingenieur*innen von dort aus eine eigene Rakete, das aktuelle Programm läuft noch bis Februar (mehr dazu hier).
Auch in Norwegen wurde erkannt, dass die Masse an kleineren und leichteren Satelliten, die auch zukünftig ins All geschossen werden sollen, ein lukratives Geschäft sind. Daher befindet sich auch dort ein Weltraumbahnhof im Bau. Dieser soll bis 2025 fertiggestellt werden, wie der Entwicklungsleiter des Andøya Spaceport, Henrik Strøm, mitteilte (hier, norwegisch). Bisher konnte man für zukünftige Starts die deutschen Firmen Rocket Factory Augsburg (RFA) und Isar Aerospace gewinnen.
Cornwall Spaceport in Newquay
Ganz knapp hat es Virgin Orbit Anfang Jänner verpasst, erstmals einen Flug von Großbritannien aus erfolgreich ins All durchzuführen. Zwar erreichte man den Weltraum, den Zielorbit verpasst die Rakete aber. Ort des Geschehens war der Cornwall Airport in Newquay im Südwesten von England.
Gestartet wurde nicht vertikal, sondern horizontal mithilfe einer umgebauten Boeing 747 namens "Cosmic Girl". Es war der 5. Start mit Fracht an Bord für das Flugzeug. Die Rakete hängt dafür unten am Flugzeug und wird bei erreichen einer Flughöhe von zirka 10.000 Metern (35.000 Fuß) gelöst. Anschließend zünden ihre Triebwerke.
Im November 2022 erhielt der Spaceport Cornwall seine offizielle Lizenz, um Flüge in den Orbit zu starten. Damit ist der kleine Flughafen einer der wenigen Orte, an denen man in den Urlaub fliegen und gleichzeitig einen Raketenstart beobachten kann. Neben Virgin Orbit arbeitet der Spaceport Cornwall auch mit der ESA und der UK Space Agency zusammen. Der Fokus liegt auf dem Launch von Satelliten.
Sutherland Spaceport in Schottland
Im Gegensatz zu den bisher genannten Startplätzen findet man auf der Halbinsel A'Mhòine in Nordschottland bisher noch Wiese vor. Im November 2022 vergab die Highland and Island Enterprise (HIE) die Bauverantwortung an die schottische Firma Orbex (mehr dazu hier). Der Vertrag läuft zunächst über 50 Jahre.
Von dort aus sollen jährlich bis zu 12 Raketen Satelliten ins All bringen. Orbex will dabei Wert auf Nachhaltigkeit legen. Ein Ziel ist es, den Weltraumbahnhof CO2-neutral zu betreiben. Zudem soll sich der Bau in die Landschaft einfügen und keinen Einfluss auf die Flora und Fauna haben.
Orbex arbeitet unter anderem mit der ESA und der UK Space Agency zusammen. Ihre erste eigene Rakete, Orbex Prime, soll Nutzlasten von bis zu 200 Kilogramm in die sonnensynchrone Umlaufbahn (SSO) bringen können. Beim Bau der Rakete konzentriert man sich stark auf Nachhaltigkeit. So startet sie mit BioLPG (biogenes Liquefied Petroleum Gas), um Treibhausgase zu reduzieren.
SaxaVord Spaceport in Schottland
Ebenfalls in Schottland entsteht der SaxaVord Spaceport (zuvor Shetland Space Centre). Der Bau auf der Lamba Ness Halbinsel (Shetland Inseln) schreitet dabei schnell voran. Ende 2022 wurde der Startkomplex fertiggestellt, von dem die deutsche Firma Rocket Factory Augsburg (RFA) exklusiv starten möchte. Der allererste Launch einer RFA-Rakete ist von 2023 vom SaxaVord Spaceport geplant.
Auch die US-Firma Lockheed Martin, die unter anderem ein NASA-Partner ist, hat in den Bau des Weltraumbahnhofs investiert. Sie plant den Start des Projekts "UK Pathfinder" mit ABL Space Systems in Schottland. Dabei soll deren RS1-Rakete einen Raumschlepper sowie 6 CubeSats ins All bringen. Der Start ist noch in diesem Jahr geplant.
Möglicher Startplatz in Italien
2018 gab es eine Vereinbarung zwischen Virgin Galactic und Altec (Aerospace Logistics Technology Engineering Company), einen Spaceport zu bauen. Entstehen sollte er am Flughafen Tarent-Grottaglie in Apulien, Italien. Von dort aus sollten kommerzielle Flüge ins All starten.
Inzwischen sind aber sämtliche Informationen darüber aus dem Netz verschwunden, weshalb man wohl davon ausgehen kann, dass das Projekt zumindest auf Eis liegt. Ein Sprecher von Virgin Galactic teilte der futurezone mit, dass man weiterhin mit der italienischen Regierung zusammenarbeite. Es habe bisher aber keine weiteren Entwicklungen zu Tarent-Grottaglie gegeben.