Forscher pflanzen Mäusen Erinnerungen ein
Im Gehirn von Säugetieren existieren spezielle Neuronen, in denen eine Art Landkarte kodiert ist. Diese Orts-Neuronen feuern immer in einem bestimmten Muster, wenn ein Ort aufgesucht wird oder wenn an ihn gedacht wird. Das haben sich Forscher jetzt zunutze gemacht, um schlafenden Mäusen positive Erinnerungen an bestimmte Orte einzupflanzen. Zuerst wurden den Mäusen dazu Implantate eingesetzt, um herauszufinden, welche Orts-Neuronen mit einer bestimmten Stelle in einem Labyrinth verknüpft sind. “Die Orts-Zellen werden dann im Schlaf in Echtzeit überwacht. Jedesmal, wenn die gesuchten Orts-Neuronen gefeuert haben, haben wir im Mäusegehirn gleichzeitig das Belohnungszentrum elektrisch stimuliert”, sagt Forscher Karim Benchenane im Gespräch mit der futurezone.
Wenn die Maus danach die relevante Stelle im Labyrinth wieder aufsucht, wird das Belohnungszentrum im Hirn aktiv. Je mehr Stimulation im Schlaf es gegeben hat, desto stärker wird die Verbindung im Gehirn. Die Mäuse steuern nach der Behandlung ohne Umschweife die ausgesuchte Stelle im Labyrinth an. “Wir haben bewiesen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den Orts-Neuronen und der echten Welt gibt. Zudem belegt unser Versuch auch, dass es im Schlaf zu einer Reaktivierung der im Wachzustand erlebten Umwelt kommt”, sagt Benchenane. Dass es eine Verbindung zwischen Orts-Zellen und Orten gibt, ist zwar schon seit den 1970er-Jahren bekannt, bislang war es aber nur eine Korrelation. Ob ein Tier tatsächlich an einen bestimmten Ort denkt, wenn das entsprechende Neuron feuert, war unklar. “Durch die Messung im Schlaf konnten wir das beweisen, weil es dann keine direkte Verbindung zwischen Ort und Zelle geben kann”, sagt Benchenane.
Auch für Menschen
Der Versuch macht auch deutlich, dass im Schlaf komplexe Erinnerungen geformt werden können. Das sollte laut den Forschern auch bei Menschen funktionieren. Allerdings ist das tatsächliche “Schreiben” von Erinnerungen heute noch nicht möglich. “Was wir hier gemacht haben, ist einen Ort im Hirn direkt durch Messungen zu finden und den emotionalen Kontext dieses Ortes zu verändern. Auch Menschen haben Orts-Neuronen, allerdings können wir dort nicht so tiefe Messungen durchführen, da das mit chirurgischen Eingriffen verbunden wäre”, erklärt Benchenane.
Ob auch andere Inhalte im Hirn auf dieselbe Weise kodiert sind wie Orte und sich ähnlich manipulieren lassen, ist derzeit noch unbekannt. “Wir haben gerade erst begonnen zu verstehen, wie das Ortsgedächtnis funktioniert. Das ist komplex, weil nicht einfach ein Neuron einem Ort zugewiesen ist, sondern ein ganzes Netzwerk aus Zellen mit verschiedensten Mustern unterschiedliche Orte beschreiben kann. Ob das etwa im auditiven Cortex für Geräusche ähnlich funktioniert, ist viel schwerer zu testen”, sagt Benchenane.
Es könnte aber sein, dass dasselbe Prinzip bei anderen Arten von Erinnerungen angewendet wird. “Wenn ein Mensch einen Film sieht, feuert dann ein Neuron für Star Wars? Wir wissen es nicht. Bisher haben wir mit Tieren nur bei belohnungsorientiertem Verhalten Fortschritte gemacht”, sagt Benschenane. Ob es jemals möglich sein wird, beliebige Erinnerungen in ein Hirn zu schreiben, ist also ungewiss. “In absehbarer Zeit werden Sie Französisch nicht im Schlaf lernen”, lacht Benchenane.