Medikamente: Wie Künstliche Intelligenz neue Wirkstoffe findet
Einen neuen Wirkstoff für ein Medikament zu entwickeln, ist ein aufwendiges Unterfangen. Auf der kleinsten Ebene, der Molekülebene, gibt es schier unzählige Möglichkeiten, wie diese aufgebaut sein können, an welche Proteine sie sich im Körper binden und für welche Krankheit das relevant ist. Kleinste Abweichungen können ein Medikament wirkungslos machen oder im schlimmsten Fall schwere Nebenwirkungen auslösen.
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Künstliche Intelligenz (KI) soll bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen behilflich sein. Nils Kriege wurde über eine WWTF Förderung an die Universität Wien geholt und beschäftigt sich damit, die KI auf die richtige Spur zu führen. Denn aus allen relevanten Molekülstrukturen der Welt zu lernen, dafür ist selbst der stärkste Computer zu schwach.
Öffentliche Daten
Also beschränkt man sich auf öffentlich zugängliche, wissenschaftliche Datensätze, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben. „Diese sind sicherlich nicht perfekt. Unsere beste Möglichkeit ist es aber, uns auf diesen kleinen Raum zu konzentrieren“, sagt Kriege. „Pharmafirmen haben wohl bessere Datensätze, aber die hüten sie wie einen Schatz.“ Die KI wird dann mit bereits bekannten Moleküldaten gefüttert und „lernt“ daraus, wie andere Stoffe mit einer ähnlichen Wirkung aufgebaut sein könnten. Wie dieser Lernprozess genau abläuft, wissen die Forscher allerdings noch nicht. „Von der Erklärbarkeit sind wir weit entfernt, KI ist immer noch eine Blackbox“, sagt Kriege.
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Mit theoretischem Wissen aus Chemiebüchern können die Computeralgorithmen allerdings nichts anfangen. Um dem Programm also gezielt bestimmte Regeln mitzugeben, nach denen es neue Moleküle generieren soll, müssen es die Forscher mit entsprechenden Trainingsdaten füttern. Diese sind künstlich erzeugt und entsprechen genau jenen Regeln, die man der KI beibringen will. So verbessert man das Ergebnis mit wenig Aufwand.
Grundlagenforschung
Im Moment befinde sich die Forschung an solchen Werkzeugen allerdings noch in der Anfangsphase, meint Kriege: „Es ist dazu gedacht, dass Chemiker Ideen bekommen, wie ein neues Molekül aussehen könnte. Später kann sich immer noch herausstellen, dass das Molekül gar nicht geeignet oder nicht synthetisierbar ist.“ Auch der Rechenaufwand ist noch überschaubar – während große Sprachmodelle wie jene hinter dem Chatbot ChatGPT wochenlang in großen Datencentern trainiert werden, reicht in der Chemie aufgrund der kleinen Datensätze oft schon ein üblicher Desktop-PC aus.
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Bis Künstliche Intelligenz einen Wirkstoff selbstständig entwickeln kann und womöglich auch noch Tierstudien überflüssig macht, ist es noch ein langer Weg. „Das ist in den nächsten 10 Jahren nicht realistisch“, sagt Kriege. Was bereits realistischer ist, sei eine deutlich bessere Vorhersage in der Wirkstoffentwicklung – auch weil sich die Datenlage immer weiter verbessert.
„Das Endziel wäre, dass man eine Krankheit beschreibt, oder ein Protein, an das man binden will, und die KI generiert einen passenden Wirkstoff“, sagt Kriege. Das kann auch einen Beitrag zur personalisierten Medizin leisten, wo man der Frage nachgeht, wieso ein Medikament bei manchen Leuten wirkt und bei anderen nicht.