Patient auf der Intensivstation

Patient auf der Intensivstation

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Science

Ein Punkt Belohnung für die KI, wenn der Patient überlebt

In der Medizin wird künstliche Intelligenz (KI) immer relevanter. Denn eine KI kann riesige Datenmengen in kürzester Zeit auswerten und Ärzt*innen bereits dabei unterstützen, schnellere und genauere Diagnosen zu stellen. Den zeitlich veränderlichen Zustand von Patient*innen zu untersuchen und daraus ableitend Behandlungsschritte vorzuschlagen, war bisher hingegen eine Hürde. 

Ein Forschungsteam rund um Clemens Heitzinger vom Institut für Analysis und Scientific Computing an der TU Wien hat gemeinsam mit der MedUni Wien nun aber genau das geschafft. Entwickelt wurde eine KI, die mit umfangreichen Daten aus den Intensivstationen verschiedener Spitäler trainiert wurde. Im Fokus stehen Patient*innen mit Sepsis (Blutvergiftung), laut Heitzinger eine der häufigsten Todesursachen auf der Intensivstation. 

Fakten

Eine Sepsis, oft auch als Blutvergiftung bezeichnet, ist eine der häufigsten Todesursachen der Welt. Sie kann bei Infektionskrankheiten als lebensbedrohliche Komplikation auftreten. Ausgelöst wird sie durch Bakterien, Viren oder Pilze und deren Gifte.

500.000 Menschen erkranken in Europa pro Jahr an einer Sepsis. In Österreich sind rund 18.000 Menschen jährlich davon betroffen – mehr als 40 Prozent der Patient*innen sterben daran

Historische Daten

Konkret wurden historische Daten von Patient*innen verwendet, die in der Vergangenheit gesammelt wurden. Dazu zählen unter anderem demografische Daten, Laborwerte, medikamentöse und andere Behandlungen sowie Mortalität auch nach Entlassung. Diese Werte werden in stündlichen Intervallen oder länger erfasst und zum Trainieren der KI verwendet.

Clemens Heitzinger, Forscher an der Technischen Uni Wien 

„Wichtig ist, dass wir genau wissen, welche Medikamente in welcher Dosis verabreicht wurden, um die Patienten zu stabilisieren. Aus diesen Informationen werden dann optimale Behandlungsstrategien gelernt“, sagt Heitzinger. Den Patient*innen werden intravenöse Flüssigkeiten und sogenannte Vasopressoren in verschiedenen Dosen verabreicht. Im Zeitverlauf können sich durch unterschiedliche Kombinationen der Dosierungen so verschiedene Medikationsmöglichkeiten ergeben.

Bestärkendes Lernen

„Aus diesen Möglichkeiten wählt die KI diejenige aus, die aufgrund des aktuellen Zustands des Patienten die beste ist“, sagt der Forscher.  Die Form des maschinellen Lernens, die zum Einsatz kommt, wird als „bestärkendes Lernen“ bezeichnet. Die Maschine lernt dabei durch ein Punktesystem mit Belohnung und Bestrafung: Geht es dem Patient gut, wird sie belohnt – geht es ihm wieder schlechter oder stirbt er, wird sie bestraft.

Mathematisch übersetzt heißt das: „Wenn der Patient die Intensivstation verlassen und 28 Tage überlebt hat, bekommt die KI eine Belohnung von +1. Wenn der Patient innerhalb dieses Zeitraums stirbt, gibt es eine Bestrafung von –1“, sagt Heitzinger. 

Besser als Mensch

Alternativ könne man auch mit 90 Tagen arbeiten. Diese Zeiträume werden deswegen verwendet, weil 28-Tage- und 90-Tage-Mortalitäten in den Datensätzen gespeichert sind. Die KI verfolgt das Ziel, ihre Belohnungssammlung zu maximieren. Anders als das Fachpersonal kann sie in kürzerer Zeit mehrere Parameter berücksichtigen, die ein Mensch übersehen kann. „In der letzten Studie konnten sogar über 200 Parameter über jeden Patienten verwendet werden.“

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Das Ergebnis: Die Heilungsquote ist bei Einsatz der KI höher als bei einer rein menschlichen Entscheidung. Generell könnte die KI auch bei anderen Erkrankungen zum Einsatz kommen – vorausgesetzt, es gibt gute Daten.

„Das ist methodisch möglich und etwas, woran wir arbeiten werden. Der Grund, warum die KI, die wir entwickelt haben, derzeit gerade auf Sepsis und Intensivmedizin ausgelegt ist, ist, weil die Datenlage und -verfügbarkeit in diesem Bereich am besten ist“, so Heitzinger. Auf der Intensivstation werden die Patient*innen rund um die Uhr überwacht.

Entscheidungshilfe für Ärzte*innen

Das Programm soll nun weiter verbessert werden. „Wichtig ist, dass die KI nicht nur optimale Strategien lernt, sondern dass wir die Ergebnisse auch intensiv validieren und evaluieren.“ Ziel ist es, das Programm in die Praxis zu übersetzen und ein System zur Entscheidungsunterstützung zur Verfügung zu stellen, das man im Krankenhaus mitlaufen lässt. „Der behandelnde Arzt kann dann interaktiv Rücksprache mit dem System halten und sich ansehen, was es vorschlägt. Er kann diesen Vorschlag mit seiner eigenen Einschätzung vergleichen“, sagt Heitzinger. 

Besonders hilfreich sei so ein System etwa mitten in der Nacht oder in Situationen, die von der KI als besonders kritisch erkannt worden sind. Die aktuelle Hürde für den Einsatz im Krankenhaus seien juristische Fragen und Zulassungsstudien. Läuft alles wie erhofft, könnte das System in etwa 5 Jahren routinemäßig  eingesetzt werden.

Algorithmus kann natürliches und gesundes Gebiss erstellen

Künstliche Intelligenz (KI) könnte schon bald Zahnärzt*innen helfen, bessere Zahnkronen zu bauen. Forscher*innen der Universität Hongkong haben eine auf maschinelles Lernen basierte KI entwickelt, die personalisierte Kronen präziser herstellen kann als durch herkömmliche Entwurfsmethoden. 

Die KI analysiert dabei Daten der an der Krone angrenzenden Zähne, um so eine natürlichere und präzisere Passform zu gewährleisten, als bei Kronen, die mit heutigen Methoden erstellt werden. Aktuell werden die meisten Zahnkronen mit einer Software für computergestütztes Design (CAD) und Fertigung (CAM) entworfen.

Zahnbibliothek

Diese Methode funktioniert zwar gut, hat aber auch Grenzen. Bessere Ergebnisse liefert die  KI. Sie verwendet eine „Zahnbibliothek“, welche Vorlagen für Kronen enthält, die in der Regel im Anschluss noch manuell an die Bedürfnisse der Patient*innen angepasst werden müssen.

Für die Studie wurden der KI über 600 Fälle für natürliche und gesunde Zahnergebnisse gezeigt und damit trainiert. Auf diese Weise konnte das Programm die formpassenden Merkmale dieser Zähne erlernen und Zahnkronen entwerfen, die mit einem natürlichen Zahn vergleichbar sind. Beim Vergleich mit den Kronen, die mit CAD und CAM erstellt wurden, zeigte sich, dass jene mit der KI erstellten sowohl ästhetisch als auch funktionell überlegen waren. 

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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