"Netzneutralität zum Scheitern verurteilt"
Angesichts emotionsgeladen geführter Debatten um die Netzneutralität will der Professor, der die Forschungsgruppe "Future Communication" am Informatikinstitut der Universität Wien anführt, seine Aussage aber keinesfalls als Einschränkung des Informationszugriffs und der Informationsfreiheit verstanden wissen. „Zunächst einmal geht es um die technische Frage, wie Ressourcen aufgeteilt werden können, damit das Internet auch in Zukunft leistungsfähig bleibt. Wird die Information zentral im Netz verwaltet oder am Rand – etwa durch ein Peer-to-Peer-ähnliches System“, so Tutschku.
Gleichbehandlung nicht zukunftsfähig
Auch dass alle Anwendungen, unabhängig von ihren spezifischen Anforderungen wie Datendurchsatz oder notwendiger Reaktionsgeschwindigkeit im Netz gleich behandelt werden, sei kein zukunftsfähiges Konzept. „Das Internet, wie es jetzt funktioniert, arbeitet enorm Ressourcen-ineffizient. Um auftretende Spitzen aufzufangen, ist es vielerorts überdimensioniert aufgezogen und also kaum ausgelastet. Auf der anderen Seite funktionieren VoIP-Services sowie andere Streaming- und Gaming-Applikationen dennoch nur bedingt gut“, analysiert Tutschku im Gespräch mit der
futurezone.
Neben der Frage, wie die Netzinfrastruktur der Zukunft in technischer Hinsicht aussehe, werde man aber auch nicht umhin kommen, gesellschaftspolitische Fragen diskutieren zu müssen. „Natürlich muss man angesichts der begrenzten Kapazitäten auch die Entscheidung treffen: Sind wir dafür, dass ein Notruf über VoIP gegenüber einem Musikdownload Vorrang hat, wenn das Netz überlastet ist?“ In den Anfangstagen des Internets habe kein Mensch vorhersehen können, das Video-Übertragung oder VoIP mit den damit verbundenen Anforderungen für das Netz jemals eine Rolle spielen würde.
Wirtschaftliche Überlegungen "legitim"
Aus wirtschaftlicher Sicht wiederum sei es legitim zu hinterfragen, wer für die Bereitstellung von Ressourcen verantwortlich ist und ob anwendungsspezifische Erfordernisse auch in neuen Geschäftsmodellen ihren Niederschlag finden. Für Gamer etwa seien enorm schnelle Reaktionszeiten wichtig, damit sie gegenüber ihren Mitspielern nicht benachteiligt seien. „Wenn Provider eine „Fast Path“-Option um fünf Euro anbieten, kann das kaum jemand für verwerflich halten“, so Tutschku.
Was die Netzinfrastruktur der Zukunft betrifft, glaubt der Wiener Informatik-Professor (die Professur "Future Communication" wurde von der A1Telekom Austria gestiftet), dass Glasfaser-, DSL- und Drahtlos-Netze allesamt eine Daseinsberechtigung haben werden. „Die strikte Trennung von Kabel, Mobilfunk und Festnetz in der jetzigen Form muss für das Netz der Zukunft sicherlich überwunden werden. Den User interessiert es ja nicht, welche Infrastruktur hinter seinem Webzugang steht.“
Betreiberstruktur verändert sich
Technologisch müsse man folglich Wege finden, wie zwischen den vorhandenen Ressourcen hin- und hergeschaltet werden könne, ohne dass der Service beeinträchtigt wird. „Für Betreiber bedeutet dies, dass sie zukünftig verschiedene Netztechnologien beherrschen müssen. Den reinen Mobilfunk-, Kabel- oder Festnetzbetreiber wird es mittel- bis langfristig sicher nicht mehr geben“, zeigt sich Tutschku im futurezone-Gespräch überzeugt.