Open Design: Das Ende der Massenproduktion
futurezone: Design öffnet sich den Nutzern. Was hat diese Entwicklung ins Rollen gebracht?
Paul Atkinson: Open Design wurde durch Technologien ermöglicht. Durch das Internet hat der Austausch von Ideen zugenommen und ist für viele selbstverständlich geworden. Dazu kommt, dass die Technologie des Rapid Prototypings etwa durch die zunehmende Verfügbarkeit von 3-D-Druckern für viele zugänglich wurde. Die Leute gewöhnen sich an die Vorstellung, dass sie mit Hilfe dieser Technologien selbst Objekte erzeugen können. Das hat auch dazu geführt, dass Produkte in kollaborativen Prozessen entworfen werden, an denen nicht nur professionelle Designer beteiligt sind.
Wie verändern sich dadurch die Rollen von Designer und Konsumenten?
Der Designer ist in einem solchen Umfeld nicht mehr der alleinige Autor des Entwurfs. Designer entwerfen Ideen, die von den Leuten aufgegriffen und bearbeitet werden. Designer haben nicht mehr die Kontrolle über den gesamten Prozess. Ist die Idee erst einmal veröffentlicht, wird sie heruntergeladen, von den Leuten aufgegriffen und verändert. Die Endergebnisse müssen mit der Ausgangsidee nicht notwendigerweise etwas zu tun haben.
Welche Auswirkungen hat diese Demokratisierung auf die Produktionsprozesse?
Die Vorstellung, dass ein perfektes Design in Massenproduktion geht, wird für viele Produkte nicht mehr anwendbar sein. Sie wird nur noch auf technisch aufwendige Produkte mit komplexen Herstellungsprozessen, wie etwa Autos, zutreffen. Die Zeiten, in denen kleinere, weniger komplexe Objekte in Massenproduktion hergestellt wurden, neigen sich dem Ende zu. Die Leute werden sich die Entwürfe herunterladen, sie verändern und ihren Bedürfnissen anpassen. Sie werden diese Objekte mittels 3-D-Druckern zuhause selbst herstellen oder sie in Produktionsstätten in ihrer Nähe produzieren lassen.
Haben wir ein anderes Verhältnis zu Produkten, an deren Herstellung wir persönlich beteiligt waren?
Ja, die Objekte werden wertvoller. Diese Art der Produktion ist auch nachhaltiger. Der CO2-Fußabdruck verringert sich, weil sie in der Nähe des Endverbrauchers oder von ihm selbst produziert werden. Es gibt auch weniger Müll. Die Leute behalten diese Objekte länger und werfen sie nicht einfach weg.
Welche Möglichkeiten haben Konsumenten in die Produktion einzugreifen?
Die Entscheidung über das Ausmaß, in welchem die Konsumenten am Produkt mitwirken, müssen die Designer treffen. Das ist sehr schwierig zu beantworten. Es gibt Systeme, bei denen sich die Mitwirkung der Nutzer auf einen Knopfdruck beschränkt. Es gibt aber auch Systeme, die komplett offen sind. Das kann dazu führen, dass das Endergebnis nicht mehr funktionsfähig ist. Wir müssen also einen Weg finden, der den Nutzern Spielraum zur Gestaltung gibt und der gleichzeitig auch sicherstellt, dass das Endprodukt funktioniert.
Das große Problem, das wir heute noch haben, ist dass diese 3-D-Modelling-Programme sehr komplex sind und ohne Vorwissen nur sehr schwierig zu handhaben sind. Ich glaube, dass es in Zukunft Systeme geben wird, die den Leuten leicht verständliche Interfaces bereitstellen, sodass Produkte komplett selbst entworfen werden können. Noch ist die Komplexität dieser Modelling-Interfaces aber ein wirklicher Hemmschuh.
Wenn Produkte gemeinschaftlich entworfen werden, hat das auch Auswirkungen auf das Urheberrecht. Wer hält die Rechte an diesen Produkten?
Das ist eine Frage, die ich häufig zu hören bekomme. Wie können Designer Geld verdienen, wenn sie ihre Ideen aus der Hand geben. Es werden sich neue wirtschaftliche Modelle oder vielleicht sogar neue rechtliche Rahmenbedingungen entwickeln. Es wird wohl genauso funktionieren wie Creative Commons Lizenzen. Die Designer werden festlegen, auf welche Art und unter welchen Bedingungen ihre Entwürfe verwendet werden können, unter welchen Bedingungen sie als Urheber genannt werden und unter welchen Bedingungen diese Urheberschaft eine Vergütung beinhaltet. Im Moment basiert das eher auf Vertrauen. Wie so etwas konkret aussehen wird, kann ich nicht sagen. Ich glaube aber, dass sich das organisch entwickeln wird, wenn solche Modelle weiter verbreitet sind. Diese neuen wirtschaftlichen Modelle werden aber unter Ausschluss der großen Konzerne stattfinden. Sie werden auf Abmachungen zwischen Designern und Nutzern basieren.
3-D-Drucker werden billiger. Wie lange wird es dauern, bis wir unsere eigene kleine Fabrik am Schreibstisch stehen haben werden?
Die Voraussetzungen dafür sind bereits vorhanden. Es ist nur eine Frage, wie sie von den Leuten angenommen werden. Bauanleitungen für Open-Source-Drucker wie der RepRap sind frei verfügbar. Es kostet vielleicht ein paar hundert Euro, um die Materialien zu kaufen. Wenn Sie den Drucker haben, können sie auch gleich weitere Drucker herstellen. Sie können solche Geräte sehr schnell produzieren. Es wird wohl nur noch wenige Jahre dauern, bis wir alle einen 3-D-Drucker auf dem Schreibtisch stehen haben. Die Geräte müssen aber auch noch weiterentwickelt werden und etwa die Verarbeitung verschiedener Materialien zulassen. Es wird viel experimentiert und bald werden sie nicht mehr nur noch mit Kunststoff drucken, sondern verschiedene Materialien verarbeiten können.
Sie haben sich in zahlreichen Artikeln auch mit der Geschichte des Computers beschäftigt. Sehen Sie Parallelen zu 3-D-Druckern?
Die frühe Entwicklung des Personal Computer war ziemlich subversiv. Die großen Konzerne haben die Vorteile nicht erkannt, die die Öffnung dieser Technologie für die Allgemeinheit bringt. PCs sind nicht aus Mainframe-Computern hervorgegangen, sondern wurden von Elektronik-Enthusiasten in der Garage entwickelt, die es als ihre Aufgabe sahen, die Möglichkeiten des Computers allen zur Verfügung zu stellen. Das hat auch die Computer-Entwicklung beschleunigt, weil plötzlich so viele Leute darin involviert waren.
Das passiert nun auch mit dem Design. Open Design und digitale Herstellungsmethoden ermöglichen es allen, Produkte zu entwerfen und herzustellen. Freie Open-Source-3-D-Drucker wie der RepRap geben den Leuten die Möglichkeit Dinge selbst zu erzeugen. Weil diese Geräte gemeinschaftlich weiterentwickelt werden, geht die Entwicklung auch sehr schnell. Die kollaborativen Möglichkeiten der Amateure sind denen eines einzelnen professionellen Designers weit überlegen.
Sie haben sich auch designhistorisch mit frühen Tablet-PCs beschäftigt, die Ende der 80er Jahre erstmals präsentiert wurden. Warum blieb diesen Computern im Gegensatz zum iPad der Durchbruch versagt?
Tablet Computer wurden damals für Manager entwickelt, die aber nicht damit arbeiten wollten. Die Nutzung war sehr umständlich. Sie mussten mit einem Stift auf einer Glasoberfläche schreiben. Das war sehr gewöhnungsbedürftig. Apple hat das Problem der Benutzeroberfläche mit der Touchscreen-Technologie und der gestenbasierenden Steuerung gelöst. Sie haben ein Interface entwickelt, das intuitiv ist und das im Gegensatz zu den frühen Tablet-PCs auch funktioniert. Das iPad richtet sich auch nicht an Business-Kunden sondern an die Allgemeinheit. Es wird nicht dazu verwendet, um Dokumente zu erstellen, sondern um Inhalte zu konsumieren. Es ist eine Unterhaltungstechnologie. Und natürlich ist es auch ein sehr cooles Produkt.
Wie wird sich unser Verhältnis zu Computern verändern?
Wie sich Technologien entwickeln, ist vergleichsweise einfach vorherzusagen. Aber wie sie genutzt werden, ist sehr schwierig zu prognostizieren. Wir können etwa sagen, dass wir 3-D-Desktop-Printer haben werden, mit denen wir selbst Objekte herstellen können. Ob sie allerdings von den Leuten angenommen werden, ist offen. Ich habe aus meiner Auseinandersetzung mit der Geschichte des Computers vor allem eines gelernt. Die Tatsache, dass ein Produkt existiert, bedeutet nicht, dass es von den Leuten auch genutzt wird.
Paul Atkinson ist Industrial Designer und Designhistoriker. Er lehrt an der Sheffield Hallam University Design und veröffentlicht in zahlreichen internationalen Designzeitschriften. Am Montag war Atkinson im Rahmen des von der steirischen Kreativwirtschaftsstelle Creative Industries Styria (CIS) veranstalteten Design Monats in Graz zu Gast, wo er über die Produktionsstätten der Zukunft sprach.
Links:
Paul Atkinson
Im Rahmen des Design Monats Graz wird am Mittwoch, den 1. Juni, im Open-Design-Showroom Pop-Up-Store in der Jakoministraße 30 - 32, der vom niederländischen Forscher Peter Troxler herausgegebene Sammelband "Open Design Now" präsentiert, in dem auch Peter Atkinson mit einem Beitrag vertreten ist. Davor, von 15.00 bis 17.00 Uhr, widmet sich ein Workshop dem Thema "Arbeiten mit Open Design"
Links:
Open Design Now