Science

Wie Roboterhund Spot Baustellen scannen soll

Mit einem kurzen Ruck richtet sich der wuchtige Roboter auf. Im Marschschritt geht  er die Umgebung ab, bleibt vor einer Person stehen und neigt neugierig seinen „Kopf“. Der 1,10 Meter lange und 60 Zentimeter hohe Roboterhund heißt Spot. Er wird von Boston Dynamics hergestellt, für knapp 70.000 Euro. In den vergangenen Jahren sorgte er unter anderem mit lustigen Tanzvideos für Aufsehen. 

Im Wiener Büro der Forschungseinrichtung VRVis will man dem Roboter hingegen eine nützliche Aufgabe übertragen. Er soll zukünftig Baustellen abgehen und scannen können. So soll eine komplette Dokumentation des Bauprozesses entstehen. Momentan wird das händisch gemacht. „Wöchentlich nimmt man 360-Grad-Fotos auf, die sich dann niemand anschaut“, erklärt Thomas Ortner, der das Forschungsprojekt am VRVis leitet. Spot soll diese repetitive Arbeit revolutionieren.

Kies und Stiegen

Begonnen hat das Projekt im Mai 2021. Spot wurde auf einer Baustelle in Perchtoldsdorf auf den Prüfstand gestellt. Dort entstehen mehrere Einfamilienhäuser. „Er kann wahnsinnig gut schwieriges Terrain überwinden, über Kieshaufen gehen und Stützpfeilern ausweichen. Enge Gänge, Stiegen und Abgründe ohne Geländer sind aber problematisch“, sagt Ortner.

Selbstständig kann der Roboterhund daher noch lange nicht gehen, sondern wird ferngesteuert. „Das größte Problem ist, ihm beizubringen, wo er ist. Er kann keine Karte zeichnen, wenn er nicht weiß, wo er ist. Und er kann nicht wissen, wo er ist, ohne eine Karte zu zeichnen.“ Dafür kommen viele Sensoren, Scanner und Kameras zum Einsatz, deren Daten zusammengebracht und gefiltert werden müssen.

Von Laserstrahlen zu Punktwolken

Der Roboter hat einen Laserscanner montiert. Während Spot über eine Baustelle spaziert, werden permanent Laserstrahlen in alle Richtungen geworfen. Je nachdem, wann sie auf ein Hindernis treffen, kann man Objekte im Raum verorten. Ein ähnliches Prinzip wird auch für autonomes Fahren genutzt (z.B. Lidar).

Diese Daten werden in einer Punktwolke visualisiert. „Objekte müssen darin gut erkennbar sein. Das ist nicht trivial, denn wir sprechen von Millionen von Punkten“, erklärt die VRVis-Forscherin Lisa Kellner. Einerseits seien die Daten sehr genau, andererseits müsse man sie ordnen, damit daraus Wände, Rohre, Fenster und Heizkörper werden. Dazu werden während der Scans auch Panoramafotos gemacht. Damit kann die Punktwolke später eingefärbt werden.

Gesamter Gebäude-Zyklus

Das Endergebnis soll ein detailliertes 3D-Modell eines Gebäudes sein, das über dessen gesamten Lebenszyklus, von der Planung bis zum Abriss, relevant ist. „Der Traum ist, dass man den Hund jeden Tag nach Bauschluss alleine alles abgehen lässt und er selbst entscheidet, wo er hingeht und was er aufnimmt, je nachdem ob sich was Relevantes verändert hat“, sagt Kellner. Schließlich soll man beispielsweise im Modell des Hauses mit einem Klick nachsehen können, wo genau Wasser- und Elektroleitungen verlaufen.

Das soll Teil der sogenannten Bauwerksdatenmodellierung (BIM) sein. Es soll die Grundlage bilden, auf die alle Personen zugreifen können, die am Bau beteiligt sind. So kann verglichen werden, ob der Baufortschritt mit dem Plan übereinstimmt. Sollte das Haus irgendwann abgerissen werden, lassen sich auch wieder verwertbare Materialien identifizieren.

Viele Herausforderungen

Allerdings gibt es noch viele offenen Fragen für die Forscher*innen. Zum Beispiel, wie man aus den Daten des Laserscanners nur relevante Informationen herausfiltert: „Eine Baustelle ist einfach chaotisch. Da werden Materialien herumgetragen, da sind Menschen unterwegs, mal steht eine Mischmaschine hier und dann wieder wo anders. Das interessiert uns für die Punktwolke ja gar nicht“, erklärt Kellner eines der Probleme, die sie lösen möchte.

Dafür sollen unter anderem neuronale Netzwerke eingesetzt, die die Punkte entsprechend interpretieren und filtern sollen. Übrig bleiben soll nur ein übersichtliches, nachvollziehbares Modell.

Ein weiter Weg

Ein bisschen drängt sich die Frage auf, ob es nicht einfacher wäre, die Baustelle mit Drohnen abzufliegen. Laut Ortner haben die aber gerade in Innenräumen zu viele Probleme. Zudem sind die vielen Sensoren und Scanner schlicht zu schwer, um sie darauf zu montieren. Trotzdem sieht er Potenzial, Drohnen und Roboter gemeinsam arbeiten zu lassen. 

Bis der Roboterhund seine Arbeit tatsächlich aufnehmen kann wird es aber noch dauern. Ortner schätzt, dass in 20 Jahren alle Herausforderungen soweit gemeistert sein werden, dass Spot kommerziell zur Baustellenbegehung eingesetzt werden kann.

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

mehr lesen