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"Welt ist reif für interaktives Einkaufen"

Sandra S. hat wieder lange gearbeitet. Die Geschäfte haben längst zu, doch gerade jetzt würde sich die Buchhalterin gern noch ein wenig Ablenkung gönnen. In ihrem Lieblingsstore für Handtaschen kann Sandra S. via interaktivem Schaufenster auch nach Ladenschluss einkaufen. Sandra S. stellt sich vor das Schaufenster und deutet mit ihrem Zeigefinger auf eine bestimmte Handtasche. Diese wird beleuchtet und auf einem Bildschirm darüber tauchen Informationen zur Tasche wie etwa Preis, Größe, Gewicht oder die Farbe auf. Sandra S. gefällt, was sie sieht, und sie schlägt sofort zu und kauft die Tasche mit ihrem Smartphone.

Was derzeit noch wie Zukunftsmusik klingt, könnte schon bald Realität werden. Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut hat eine Lösung für ein derartiges "interaktives Einkaufserlebnis" entwickelt, das berührungslos funktioniert. Dadurch ist das System geschützt, die Scheibe des Schaufensters sowie die Finger bleiben sauber. "Unsere Lösung ist marktreif", erklärte Paul Chojecki, Geschäftsfeldleiter für Berührungslose Interaktion des Fraunhofer Instituts, gegenüber der futurezone. Derzeit sei man auf der Suche nach Partnern.

Testbetrieb
Im Adidas-Shop in Paris wird das System bereits eingeschränkt genutzt. Dort können Menschen in einem Spiegel virtuell neue Schuhe anprobieren. In der bayrischen Staatsbibliothek kann man sich per Gesten durch Bücher aus dem Mittelalter navigieren. Doch tatsächlich Einkaufen kann man bislang damit noch nicht. Unter anderem deshalb, weil mobiles Bezahlen in weiten Teilen Europas noch nicht sehr gebräuchlich ist.

"Die Welt ist für interaktive Shopping-Erlebnisse und mobile Bezahlmethoden wie NFC reif. Im asiatischen Raum gibt es bereits gute Beispiele für die Umsetzung einzelner Komponenten solcher Systeme. Nun müssen wir auch in Europa solche Lösungen sinnvoll zusammensetzen und implementieren", meint Chojecki. Die Nachfrage sei auf jeden Fall bereits "sehr groß" und das Feedback "sehr positiv". "Unser System bietet den Betreibern einen Mehrwert, welcher die Investition rechtfertigt", so der Fraunhofer-Experte.

Lizenzgebühren und Hardware-Kosten
Die Investitionen für Shop-Betreiber wären im konkreten Anwendungsfall einerseits die Lizenzgebühren, die an Fraunhofer zu zahlen sind. Andererseits werden zwei kleine Kameras benötigt, die am Schaufenster die Position der Hände, des Gesichts und der Augen des Passanten erfassen, sowie ein Display, wobei die Lösung mit allen Displays kompatibel ist.

Wenn eine mobile Bezahlfunktion Bestandteil des Systems sein soll, muss auch noch ein Terminal angeschafft werden. "Die NFC-Bezahlung ist dabei kein Teil unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Wir implementieren Schnittstellen zu bestehenden Systemen und setzen auf Kooperationen mit Unternehmen, die NFC-Lösungen anbieten", erklärt Chojecki. In den letzten Monaten habe man gute Kontakte zu verschiedenen Partnern aufgebaut, welche mobile Bezahlsysteme mit verschiedenen Technologien anbieten.

Wie funktioniert es?
Doch wie funktioniert das berührungslose Shoppen? Augen, Hände und Gesicht von Kunden werden mit vier Kameras, die als Sensoren dienen, erfasst. Hier bietet Fraunhofer neben einer hauseigenen Technologie auch die Integration der Kinect-Steuerung an. Eine Bildbearbeitungssoftware berechnet die Koordinaten und wandelt sie in Computerbefehle um. Die Bildbearbeitungssoftware erkennt in Folge sowohl die Gesten einer Hand, das Zeigen des Fingers auf einen bestimmten Knopf, sowie das "Umblättern", um zum nächsten Produkt zu gelangen.

Was derzeit bereits mit Kinect funktioniert, könnte künftig auch mit anderen Sensoren klappen. "In unsere Abteilung forschen und entwickeln wir bereits seit über 12 Jahren Systeme mit berührungsloser Steuerung. Dabei nehmen wir kontinuierlich jeden neuen Sensor in unser Portfolio auf", erklärt Chojecki. "Wir testen die Sensoren auf Ihre Eignung in verschiedenen Bereichen und beraten unsere Kunden bei der Auswahl eines, für deren Anwendungskontext geeigneten Sensors."

"Shopper-Insights helfen Betreibern"
Welche Shops besonders von der Lösung profitieren könnten, wollte Chojecki nicht verraten. "Bei den Einsatzmöglichkeiten sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt", so der Experte. Allerdings biete die Lösung auch im Bereich eCommerce interessante Möglichkeiten. So lassen sich die Anzahl der Passanten, der Betrachter, der Interagierenden und Käufer erfassen. Ebenso können die beliebtesten Produkte im jeweiligen Schaufenster erfasst werden. "Diese Shopper-Insights können den Betreibern dabei helfen, besser auf Ihre Kunden einzugehen", so der Experte.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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