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Wie man Straßen und Autos leiser macht

Verkehrslärm macht krank. Allein in Europa sind 113 Millionen Menschen einer ständigen Lärmbelastung über 55 Dezibel ausgesetzt, schätzt die Europäische Umweltagentur in einer aktuellen Studie. Laute Straßen, Bahnstrecken und Flugrouten sind bei 6,5 Millionen Europäern für Schlafstörungen verantwortlich. Neben Stress und Hörbeeinträchtigungen wie Tinnitus sollen auch knapp 50.000 Herzkreislauferkrankungen auf Lärm zurückzuführen sein.

Kampf gegen laute Straßen

Aufgrund des riesigen Gesamtvolumens gilt der Straßenverkehr als größte Herausforderung. Um die gesundheitlichen Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten, empfiehlt die Weltgesundheitsbehörde WHO die Lärmbelastung durch KFZ-Verkehr im Schnitt auf unter 53 Dezibel (dB) am Tag und unter 45 Dezibel in der Nacht zu senken. Zum Vergleich: Ein normales Gespräch erreicht einen Schallpegel von 60 dB, ein Kühlschrank surrt mit ca. 40 dB.

Eine 2016 in Kraft getretene EU-Richtlinie verpflichtet Hersteller, die Geräuschemissionen ihrer Fahrzeuge in den kommenden Jahren um 25 Prozent zu senken. Der erwartete Umstieg auf leise Elektromotoren wird dabei allerdings nur teilweise helfen. Denn das Motorengeräusch ist bei PKW nur bis maximal 30 km/h, bei LKW bis 50 km/h relevant. Hauptverursacher von Lärm ist bei höheren Geschwindigkeiten das Rollgeräusch, das durch den Kontakt der Reifen zur Straße entsteht.

Leise Beläge und Reifen

Forscher tüfteln deshalb an leiseren Reifen und Straßenbelägen, um die Schallerzeugung bereits an der Quelle einzudämmen. „Das Rollgeräusch ist von zwei Faktoren abhängig. Unebenheiten in der Oberfläche bringen die Reifen zum Schwingen, was tiefe Frequenzen erzeugt. Beim Fahren wird zudem Luft unter den Reifen zusammengepresst, die beim Abrollen entweicht und mit Frequenzen über 1000 Hz hörbar ist“, sagt Lärmexperte Manfred Haider vom Austrian Institute of Technology (AIT) zur futurezone.

Das Problem dabei: Trägt man einen besonders glatten Straßenbelag auf, wird das Rollgeräusch leiser, da weniger Schwingungen im Reifen erzeugt werden. Dadurch wird aber das Problem der zusammengepressten Luft verstärkt, was wiederum zu mehr Lärm führt. Abhilfe können Texturen bieten, die eine Entlüftung unter dem Reifen ermöglichen. Das betrifft einerseits das Reifenprofil, aber auch die Fahrbahnoberfläche.

Durchlässiger Asphalt vs Betonrillen

„In Ländern wie den Niederlanden werden offenporige Asphaltbeläge verwendet, die den Schall absorbieren. Dadurch kann die Lärmemission bei neuen Belägen um mehr als 5 dB verringert werden“, erklärt Haider. In Österreich und anderen Ländern, die im Winter häufig mit Frost zu kämpfen haben, sind diese durchlässigen Asphaltmaterialien aber kaum einsetzbar, da die Haltbarkeit des Bodenbelags zu gering ist.

„Bei uns werden beispielsweise Betonrillen erprobt, welche die notwendige Griffigkeit und Stabilität bieten und der Luft trotzdem erlauben, unter dem Reifen zu entweichen“, sagt Haider. Das AIT unterstützt die Forschung mittels moderner Messmethoden. So wurde von der Forschungseinrichtung ein 3D-Oberflächen-Scanner entwickelt, der eine Abtastung der Fahrbahnoberfläche im fließenden Verkehr ermöglicht.

Schutzwände vs Grünstreifen

Genaue Messungen sind auch relevant, wenn es um die Wirksamkeit von Lärmschutzwänden geht. Denn auch die technisch beste Wand bringt wenig, wenn sie topografisch falsch platziert ist. Steht sie etwa zu weit von der Straße weg, können vor allem tiefere Frequenzen das Schallhindernis überwinden. Außerdem wurde die Schalldämmung der Wand bisher praktisch ausschließlich im Labor getestet – das AIT untersucht mit einer neuen Methode den Schallschutz nun vor Ort bei fließendem Verkehr.

Darüber hinaus wird im Computer und im Labor simuliert, ob neue Materialien, aber auch bestimmte Krümmungen von Lärmschutzwänden den Schall effizienter abhalten. Ein alternativer Zugang sind Grünstreifen, die zu einer gewissen Lärmreduktion führen können. „Die bisherige Planungsgrundlage war, dass ein Streifen mit 50 Meter dichtem Bewuchs eine geringe Reduktion der Lärmbelastung von ca. 1 dB erreichen kann. Das mag nach wenig klingen, in erster Linie geht es aber jetzt einmal darum detailliertere Messdaten zu erhalten“, sagt Haider.

Abgesehen von der objektiv recht geringen Schallreduktion kommt beim Einsatz von Grünstreifen ein paradox klingendes Phänomen zum Tragen. So haben psychoakustische Studien gezeigt, dass Menschen Lärmquellen, die sie sehen, als lauter und unangenehmer empfinden. Anders gesagt: Verschwindet der Verkehr komplett hinter einer Lärmschutzwand, wird dieser als weniger belastend empfunden, selbst wenn diese aus optischer Sicht wohl kein Gewinn für die Umgebung darstellt.

Verkehrsplanung kann Lärm vermeiden

Abgesehen von technischen Verbesserungen an Fahrzeugen, Straßen und Lärmschutzwänden kann auch verkehrsplanerisch einiges getan werden, um die Lärmbelastung für die Mehrheit der Bevölkerung einzudämmen. Die Devise lautet hier Schutz von Ruhezonen.

„Wenn ich den Autoverkehr auf einer bereits stark befahrenen Straße verdopple, steigt die Belastung um 3 dB. In einer Wohngegend, die in der Nacht allerdings nur 40 bis 45 dB aufweist, macht jedes zusätzliche Auto, das mit 50 bis 60 dB unterwegs ist, extrem viel aus“, erklärt Haider vom AIT.

Welche Maßnahmen gegen Zuglärm und laute Bahnstrecken helfen, lest ihr hier.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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