Science

Durchbruch bei Kernfusion: "Mini-Stern" erzeugt 5 Sekunden Energie

Wissenschaftler*innen des britischen Kernfusionlabors JET ist eigenen Angaben zufolge ein bedeutsamer Durchbruch in der Kernfusion gelungen. JET brach, wie BBC berichtet, seinen eigenen Rekord bei der Erzeugung von Energie mittels Wasserstoffkernen.

Bei den Experimenten wurden innerhalb von 5 Sekunden 59 Megajoule Energie (11 Megawatt) erzeugt. Das ist mehr als doppelt soviel wie bei ihrem bislang erfolgreichsten Experiment 1997. "Nie zuvor hat jemand mehr Energie durch Kernfusion generiert", freut sich der Physiker und Wissenschafts-Autor Arthur Turrell gegenüber BBC.

Möglicher Schritt in Richtung alternativer Energie

Weshalb dies ein Durchbruch ist? Zugegeben, die Energiemenge ist nicht besonders groß. Sie reicht laut BBC gerade einmal aus, um etwa 60 Teekessel Wasser zum Kochen zu bringen. Die erfolgreichen Experimente werden allerdings dazu beitragen, dass in Zukunft Wissenschaftler*innen Erfolge mit größeren Kernfusionsreaktoren erzielen können. So zum Beispiel das Kernfusions-Forschungszentrum ITER in Südfrankreich.

"Diese Experimente, die wir gerade abgeschlossen haben, mussten funktionieren", sagt JET-Chef Ian Chapman. "Hätten sie nicht funktioniert, hätten wir echte Bedenken, ob ITER seine Ziele erreichen kann. Es stand viel auf dem Spiel."

"Mini-Stern in unserer Maschine"

Die Begeisterung der Wissenschaftler*innen ist nachzuvollziehen. Denn eine Kernfusion findet in der Natur nur im inneren von Sternen statt. Im Kern unserer Sonne zum Beispiel. Dort bewegen sich aufgrund großer Hitze die Atomkerne so schnell, dass sie miteinander kollidieren und verschmelzen, wodurch Energie freigesetzt wird.

"Wir haben demonstriert, dass wir einen Mini-Stern in unserer Maschine kreieren, für 5 Sekunden erhalten und dadurch hohe Leistung erzielen können", sagt Joe Milnes, Head of Operations des JET-Reaktor-Labors: "Das bringt uns wirklich in einen völlig neuen Bereich."

100 Millionen Grad Celsius

Diesen Prozess auf der Erde zu rekonstruieren ist kein einfaches Unterfangen. Denn auf ihr ist der Gravitationsdruck viel geringer als auf der Sonne, weshalb höhere Temperaturen für die Fusion benötigt werden – 100 Millionen Grad Celsius statt 10 Millionen Grad Celsius.

Es gibt keine Materialien, die dem direkten Kontakt mit solcher Hitze standhalten können. Um die Fusion im Labor zu erreichen, haben Wissenschaftler*innen, darunter JET, eine Lösung entwickelt, bei der ein überhitztes Gas oder Plasma in einem ringförmigen Magnetfeld gehalten wird.

Dieses Plasma kann allerdings rasch instabil werden. Dass die JET-Forscher*innen die Fusion über 5 Sekunden aufrecht erhalten konnten, bezeichnet Turell als verblüffend. „5 Sekunden hören sich nicht sehr lang an. Aber auf einer nuklearen Zeitskala ist das in der Tat eine sehr, sehr lange Zeit. Es ist einfach, von 5 Sekunden auf 5 Minuten oder 5 Stunden oder einen noch längeren Zeitraum zu kommen“, betont der britische Experte.

Besseres Kühlsystem für Magnete nötig

5 Sekunden waren in dem Experiment das Maximum. Danach werden die Kupfermagnete, die bei JET das Magnetfeld erzeugen, zu heiß. ITER soll ein stärkeres Kühlsystem haben und so die Kernfusion länger erhalten können.

Am ITER will man Atomkerne nicht spalten, sondern fusionieren. Wasserstoffkerne sollen verschmolzen werden, dabei entstehen Heliumkerne und Neutronen. Hier besteht auch der Unterschied zur gewöhnlichen Kernspaltung, bei der Energie gewonnen wird, indem schwere Atome, beispielsweise Uran, in leichtere Atome wie Jod oder Cäsium zerlegt werden.

Gewinnschwelle in Reichweite

Die Kernfusion ist aus mehreren Gründen nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für ein Gelingen der Energiewende interessant: Zum einen sind die Brennstoffe für die Fusion im Grunde unerschöpflich – im Gegensatz zum in der Kernspaltung verwendeten Uran. Zum anderen erzeugt man keinen langlebigen Atommüll, der über Jahrhunderte hinweg weiter gefährliche Strahlung emittiert. Und natürlich entstehen dadurch keine Treibhausgase.

Noch rentiert sich die Kernfusion nicht. Im Labor verbraucht sie mehr Energie, um die Fusion in Gang zu setzen, als sie erzeugen kann. Die JET-Experimente legen allerdings nahe, dass dessen Unwirtschaftlichkeit in Zukunft überwunden werden kann.

Das Volumen des Plasma-Gefäßes von ITER, das die Wasserstoffkerne hält, wird sehr viel größer ausfallen als das von JET. Damit könnte der französische Kernfusionsreaktor die Gewinnschwelle überschreiten. Und den Weg für andere kommerziellen Kraftwerke ebnen.

JET wird voraussichtlich 2023 außer Betrieb genommen. ITER soll 2025 mit seinen Experimenten beginnen.

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