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Start-up will Gestensteuerung ins Auto und Kinderzimmer bringen

Um zum Lieblings-TV-Sender zu wechseln, zeichnet man einfach ein Herz mit dem Finger in die Luft. Im Auto wird der nächste Song in der Playlist gestartet, wenn mit der Hand schnell eine Wischgeste nach rechts gemacht wird. Und im Kinderzimmer holt der Roboterhund seinen Spielzeugball, wenn mit dem Finger ein Kreis in die Luft gemalt wird. All das ist technisch zwar jetzt schon möglich, kommt aber kaum zum Einsatz. Einer der Gründe ist die komplexe Programmierung solcher Gesten.

„Wenn man Gesten nicht mehr programmieren muss, sondern sie einfach zeichnen, testen und speichern kann, könnten sie sich am Massenmarkt durchsetzen“, sagt Kashif Kahn, CEO und Gründer von Motion Gestures, im Gespräch mit der futurezone. Sein Start-up hat sich zum Ziel gesetzt, Gestensteuerung großflächig zu etablieren. „Gesten ergänzen dabei die Sprachsteuerung, sie ersetzen diese nicht. Das sieht man etwa bereits bei Apple sehr gut, wo man am MacBook Gesten, Sprache oder die Tastatur nutzen kann, so wie man es gerade braucht.“

Kultur spielt eine Rolle

Gesten sind aber nicht überall auf der Welt gleich. In China bedeutet eine bestimmte Handbewegung etwas ganz Anderes als in den USA oder Europa. „Die Kultur spielt eine große Rolle bei Gesten. Mit unserem System ist es möglich, in einem Produkt für verschiedene Märkte unterschiedliche Gesten zu gestalten, die den kulturellen Kontext berücksichtigen“, erklärt Kahn.

Die jeweilige Geste, wie etwa eine wischende Handbewegung oder ein Kreis, muss nicht exakt ausgeführt werden, um erkannt zu werden. Das System, das Motion Gestures entwickelt hat, erkennt die Gesten der User auch dann, wenn sie nicht sehr präzise ausgeführt werden. Kahn zeigte der bei seinem Besuch eine entsprechende Demo.

Die Geste selbst muss aber sehr wohl vorher vom Unternehmen präzise ausgearbeitet und getestet werden. Hier gab es bisher große Hürden für Firmen, diese einfach und schnell zu integrieren. Hier kommt die Entwicklung von Motion Gestures ins Spiel. Die technische Lösung soll die Gestensteuerung so einfach machen, dass sie praktisch jedes Unternehmen ohne großen Aufwand in sein Produkt integrieren kann.

So funktioniert die Gestenentwicklung

Kahn erklärt, wie Entwickler ihre Software nutzen können: „Man zeichnet eine Geste auf dem Touchscreen eines Tablets oder iPhone auf, speichert diese ab und bearbeitet sie dann am Computer mit der Veränderung von Variablen so lange, bis sie perfekt ist. Dazu sind keinerlei Programmierkenntnisse  notwendig.“ Als nächstes wird bei Motion Gestures eine künstliche Intelligenz mit maschinellem Lernen darauf trainiert, diese Geste zu erkennen. Dies dauert nur wenige Minuten. Danach kann man bereits mit einem Smartphone ausprobieren, ob die Geste zu 100 Prozent erkannt wird. Testen lässt sich diese entweder per Touch oder visuell, also in dem man die Geste vor der Smartphone-Kamera durchführt.

Das Start-up richtet sich dabei nicht an Endkonsumenten, sondern an Hersteller, die Gesten in ihre Produkte einbauen möchten. Motion Gestures will den Automotive-Bereich genauso ansprechen wie Spielzeughersteller, die möchten, dass Kinder ihren Puppen oder Plüschtieren per Gesten Befehle geben können. Auch Wearables sind ein interessanter Markt, weil es in den Produkten in der Regel kaum eingebaute Tastaturen und nur sehr kleine Touchscreens gibt und mit Gesten viel gesteuert werden könnte, sowie sämtliche „Internet of Things“-Produkte.

Waterloo statt Silicon Valley

Die Gestensteuerung von Motion Gestures kann sowohl mit Verbindung in die Cloud als auch auf Hardware-Chips wie etwa dem bei IoT-Produkten häufig eingesetzten ARM Cortex-M1-Chip, der nur einen Dollar kostet, eingesetzt werden. „Dieses Problem technisch zu lösen war nicht trivial“, meint Kahn. „Ein weiterer Vorteil unserer Technologie ist es, dass wir Gesten in Touch, Vision und Motion, in 2D oder auch 3D, produzieren können“, so der CEO des Unternehmens, das seinen Hauptstandort in Waterloo, Kanada hat – und nicht, wie man etwa annehmen könnte, im Silicon Valley.  

Das hat laut Kahn mehrere Gründe: „Waterloo ist das meistgehütete Geheimnis für technische Unternehmer. Einerseits sind die Lebenserhaltungskosten rund um ein Drittel niedriger als in den USA und es gibt sehr viele Förderungen von der Regierung. Andererseits sind die Mitarbeiter hier viel loyaler als im Silicon Valley. Dort bringt einen Techniker der Bus direkt zum nächsten Job, wenn man genug hat. Die Kanadier sind ein freundliches Volk“, erklärt Kahn, der selbst in den USA aufgewachsen ist und dort ausgebildet wurde.

Globale Lösungen

„Wir sehen uns allerdings als globales Unternehmen“, so Kahn. Man habe neben dem Hauptstandort Waterloo, wo die technische Entwicklung, stattgefunden hat, Büros in Palo Alto, Berlin, Bejing und Tokyo. Die vergangenen Jahre habe man „streng geheim“ die Technologie entwickelt und sei erst im Mai dieses Jahres an die Öffentlichkeit damit gegangen.

Firmen, die sich für das Produkt interessieren, können in einem kostenlosen Versuch die technologische Lösung ausprobieren, bevor sie diese erwerben. Es ist als Firma auch gar nicht notwendig selbst neue Gesten zu entwickeln. Man kann auch welche aus der Datenbank auswählen, die sich gerade im Aufbau befindet. Bei Integration ins Produkt gibt es ein Lizenzmodell. Motion Gesture verdient kleinere Cent-Beträge immer dann, wenn ein Kunde das Produkt mit einer Geste steuert.

In einer ersten Runde konnte Motion Gestures 1,65 Millionen US-Dollar an Seed Investment einsammeln, derzeit bereite man eine weitere Runde vor. Damit wolle man dann das Marketing-Budget vergrößern. „Gesten sind schon immer eine Form von menschlicher Kommunikation gewesen. Wir verwenden sie im täglichen Leben. Es wird daher auch ganz normal sein, Geräte auf diesem Weg zu steuern“, sagt Kahn.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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