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Interview

Path-Gründer: “User sollen sich nicht als Produkt fühlen"

Eine neue Messaging-App, neue Funktionen und das Aufheben der 150-Freunde-Beschränkung - das mobile Social Network Path hat in den vergangenen Wochen einiges an seiner Plattform verändert. Zu Beginn des Jahres zählte die App rund 23 Millionen registrierter Nutzer. Die futurezone hat das Hauptquartier des US-Start-ups in San Francisco besucht und mit Gründer Dave Morin über die Neuerungen, das Geschäftsmodell und den Stellenwert von Privatsphäre bei Path gesprochen.

futurezone: Stellen Sie sich vor, Sie müssten einer Person Path erklären, die noch nie zuvor davon gehört hat, wie würden Sie ihre Plattform in wenigen Sätzen beschreiben?
Dave Morin: Path ist ein Unternehmen, dass sich auf mobile, hoch qualitative Social-Networking-Angebote konzentriert. Wir haben jetzt zwei wesentliche Produkte, die über Apples App Store und den Google Play Store verfügbar sind: Einerseits unser ursprüngliches Angebot namens Path, eine typische Social-Networking-Applikation, die auf private Kommunikation ausgerichtet ist, also speziell für den Austausch mit Freunden und Familie. Damit kann man all die üblichen Sachen machen, wie Fotos und Videos posten, Statusmeldungen schreiben oder Musik, Bücher, etc. teilen.

Und das andere Angebot?
Die zweite App ist neu, die haben wir erst kürzlich gelauncht. Sie nennt sich Talk und fungiert als Messaging-Plattform. Besonders ist dabei etwa ein Feature, das wir “Ambient Status” nennen. Darüber werden automatisch bestimmte Dinge auf Basis von Sensoren im Smartphone angezeigt - wo sich der Nutzer gerade befindet, ob er im Auto fährt, ob jemand in der Nähe ist, Musik hört, ob der User einen beinahe leeren Akku hat, ob jemand gerade im Fitness-Studio ist, etc. So weiß man etwa, wann man seine Freunde nicht stören soll, oder wundert sich nicht, wenn jemand mal nicht antwortet. Das Ganze ist natürlich Opt-in.

Damit wird aber ziemlich viel Information an die anderen Nutzer weitergegeben.
Unser Ziel ist es, damit mehr Kontext zu schaffen. Bei vielen Messagingdiensten passiert es ja, dass man reinschaut und auf einmal jede Menge alter Meldungen da hat, die zu dem Zeitpunkt vielleicht gar keinen Sinn mehr machen. Stattdessen geben wir jetzt wirklich interessante Informationen über die Freunde weiter, sodass man als User auch tatsächlich weiß, was die gerade machen und sich nicht über bestimmte Nachrichten wundern muss.

Seit dem Start von Talk gibt es in der alten Path-App keine Messaging-Funktion mehr. Wie haben die Nutzer auf diese Umstellung reagiert?
Das Feedback bisher war überwiegend positiv. Wir haben ein paar User, denen es nicht gefällt. Aber ich würde sagen, das sind weniger als ein Prozent. Der Grund, warum wir das Messaging in eine eigene App ausgelagert haben, ist, dass dieser Bereich der am schnellsten wachsende bei uns war. Außerdem wollten viele Nutzer die Möglichkeit, Nachrichten mit weniger Klicks versenden zu können. Jetzt hat man die Messagingfunktion nicht mehr versteckt, sondern direkt vor sich.

Path hat sich nun auch von der Maximal-Begrenzung von 150 Freunden pro Account, die auch ein Alleinstellungsmerkmal darstellte, verabschiedet. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?
Die Idee war ja, dass die Leute ein privates Social-Networking-Erlebnis haben konnten. Wir wollten eine Atmosphäre wie beim familiären Abendessen schaffen. Im Laufe der Zeit wurde es aber zum Nummer-eins-Wunsch unserer User, mehr Freunde haben zu können. Also haben wir vor etwa einem halben Jahr die Aufhebung der Grenze zu testen begonnen. Das Resultat war nicht, dass plötzlich alle viel mehr Freunde hinzugefügt hatten, aber die Nutzer begrüßten den Umstand einer größeren Flexibilität. Ein zweiter Punkt war, dass sich viele User anmeldeten und ihnen gar nicht bewusst war, dass es dieses Limit gab. So ist das eben manchmal, man entwickelt etwas, aber die Nutzer verstehen es dann eben nicht, was die Intention dahinter war. Wenn Leute also plötzlich unverhofft auf das Limit stießen, war das ein sehr negatives Erlebnis für sie und das wollten wir nicht.

Was Path außerdem von den meisten anderen sozialen Netzwerken unterscheidet, ist, dass es die Plattform ausschließlich als mobile App gibt. Was war der Grundgedanke dahinter?
Der mobile Markt ist groß und er wächst extrem schnell, viel schneller als der PC-Markt. Außerdem geht es uns darum, ein Produkt anzubieten, das überall das selbe Nutzererlebnis in ähnlicher Qualität liefert. Wenn es um das Erzeugen von Inhalten geht, unterscheiden sich die Plattformen Mobile und Desktop deutlich voneinander. Es ist schwer, ein Foto mit einem PC zu machen, oder wenn man an unsere neue Ambient-Status-Funktion denkt, auch die ist schwer auf einem Computer umsetzbar. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, macht es für uns einfach keinen Sinn, im Web zu agieren. Die Inhalte, die auf Path und Talk geschaffen und geteilt werden, sind an sich auf Mobile ausgelegt.

Haben Sie überhaupt nie darüber nachgedacht, auch eine Plattform im Web anzubieten?
Sicher haben wir das, wir haben im Laufe der Jahre tatsächlich verschiedene Webversionen von Path entworfen. Aber wir haben diesen Aspekt schließlich nicht als erfolgreich eingestuft und uns daher darauf konzentriert, im mobilen Web weiterzumachen.

Wenn Sie sich das mobile Web einmal auf einer allgemeine Ebene anschauen, welche Trends sind aus Ihrer Sicht derzeit die spannendsten?
Ich würde sagen, der Bereich kontextueller Interfaces ist wirklich wichtig. Smartphones haben so viel mehr Sensoren eingebaut als andere Geräte davor hatten - sie kennen den Aufenthaltsort, sie haben die Fähigkeit, stark personalisierte Nutzererlebnisse zu erzeugen. Sie können all diese Daten in viel stärker auf den User zugeschnittene Funktionen umsetzen. So funktioniert auch unser Ambient-Status-Feature, es berücksichtigt den Aufenthaltsort, das Wetter, ob man gerade Musik hört, ob man im Auto sitzt, ob der Akku ausgeht, usw. All diese Dinge sollten eigentlich Teil von Technologie sein, sind es aber bisher meistens noch nicht. Ich denke, es ist noch ein weiter Weg, bis unsere Interaktionen über Technik menschlicher werden.

Gibt es so etwas wie einen typischen Path-Nutzer?
Unsere Nutzer sind im Schnitt zwischen 18 und 35 Jahren alt, eher aus dem urbanen Raum - Alleinstehende ebenso wie Familien. Unser Ziel ist es natürlich, das Path-Erlebnis jedem zugänglich zu machen, der sich in irgendeiner Weise davon angesprochen fühlt.

Gibt es bestimmte Märkte, auf die sich Path derzeit besonders stark konzentriert?
Momentan sind wir auf die USA und Europa fokussiert, würde ich sagen. Aber wir werden zum Beispiel auch in Süd-Ost-Asien sehr stark angenommen, generell in Asien.

Wie verdient Path sein Geld?
Wir setzen auf ein Premium-Modell. Ein großer Teil unseres Angebots ist kostenlos, aber wir haben auch ein kostenpflichtiges Zusatzangebot. Dieses gibt etwa Zugriff auf virtuelle Güter auf unserer Plattform. Erst kürzlich haben wir zudem die Firma Talk To übernommen. Damit bieten wir einen Service an, der es Usern ermöglicht, etwa bei Fragen jeglichen Firmen eine SMS zu schicken. Auch dieses Feature wird Teil unseres Premiumangebots werden.

Gibt es bei Path auch so etwas wie ein Firmen-Motto?
Nun, zur Zeit würde ich sagen, lautet unser Motto: Qualitäts-Social-Networking. Bei Path ging es immer um: Einfachheit, Qualität und Privatssphäre. Wir versuchen wirklich, das Richtige für unsere User zu machen. Datenschutz ist bei uns mehr als nur die Kontrolle über Privatsphäreeinstellungen. Bei uns steckt dieser Gedanke im Businessmodell, daher haben wir auch nie Werbung geschaltet. Die User sollen sich nicht als Produkt fühlen. Daher setzen wir auch auf ein Premium-Geschäftsmodell. Wir sammeln keine Daten und verkaufen die an Werbetreibende. Die Daten, die wir sammeln, sammeln wir für unsere Nutzer.

Wenn wir von Privatsphäre und Datenschutz, gerade angesichts des NSA-Skandals, sprechen, ist Path ein “sicherer Ort” für seine Nutzer?
Ja, definitiv. Mit dem Start von Path Talk haben wir noch einen Schritt weiter dahin gemacht. Wir löschen jetzt nach 24 Stunden alle Informationen von unseren Servern und wir werden auch weiterhin daran arbeiten, das Messaging-Erlebnis für die Nutzer noch sicherer zu machen. Wenn es um Datenschutz geht, reden wir nicht einfach nur davon, wir unternehmen wirklich etwas.

Wurde von Behördenseite jemals um die Herausgabe von Path-Nutzerdaten angefragt?
Zu der Frage können wir uns derzeit leider nicht äußern.

Sieht sich Path als direkter Konkurrent zu anderen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter?
Ja. Auch hier gilt wieder: Unser Ansatz ist der Qualitätsansatz. Vergleichen wir es mit Autos - es gibt verschiedene Marken, die man kaufen kann, man kann einen Chevy kaufen oder einen Audi. Wir versuchen jedenfalls, jene Marke zu sein, die eine höhere Qualität bietet.

Wie sieht die Zukunft von Social Networking ganz allgemein aus?
Vor allem, wenn man sich ansieht, in welche Richtung sich das mobile Web entwickelt, denke ich, dass viele der Social-Networking-Plattformen mehr Apps launchen werden. Ich vergleiche das mit dem Entdecken von neuen Orten, Bars, Lokalen in einer Stadt. Man geht eine Zeit lang wohin, dann kommt jemand, empfiehlt etwas Neues und die Leute wechseln dorthin. Im mobilen Web ist das ähnlich, mehr als das vorher je der Fall im Internet war. Auf dem Desktop hat man sich nicht sehr oft etwas Neuem zugewandt, bei Apps geht das sehr schnell, die Leute laden jede Woche neue Apps herunter. Es gibt einfach ständig was Neues. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt eine Multi-App-Strategie verfolgen.

Wo sehen Sie Path in fünf Jahren?
Unsere Vision ist es, dass wir für unsere Qualität geschätzt werden. Und hoffentlich werden wir dann zig, wenn nicht hunderte Millionen Nutzer damit erreichen und zufriedenstellen. Aber unser Ziel ist es nicht, die Größten zu sein, sondern die mit der höchsten Qualität.

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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