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Datenanalyse

Big Data: "Wenn der Druck wächst, steigt die Kreativität"

Wie definieren Sie Big Data?
Es gibt keine klare Definition, das ist auch ein Problem für die Branche. Wenn der Ausdruck Big Data irgendwetwas bedeutet, dann ist das die Verfügbarkeit weit detaillierterer Daten. In einigen Fällen werden diese detaillierten Daten genutzt, um alte Probleme anzugehen, in anderen Fällen wird versucht, völlig neue Fragestellungen zu beantworten.

Zum Beispiel?
Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel aus dem Handel. Vor 20 Jahren waren Transaktionsdaten zentral. Solche Daten geben darüber Auskunft wer was an einem bestimmten Tag in einem bestimmten Laden gekauft hat. Wenn Sie diese Daten hatten, waren Sie vorne mit dabei. E-Commerce-Seiten im Web wissen heute nicht nur was Sie gekauft haben. Sie wissen auch, ob Sie den Artikel als Geschenk gekauft, wie oft Sie ihn sich davor angesehen haben oder ob sie davor Besprechungen des Artikels gelesen und ob sie von ihnen beeinflusst worden sind. Sie wissen auch, ob Sie den Artikel bereits in ihrem Einkaufskorb hatten und wieder entfernt haben und was Sie dazu veranlasst hat, ihn doch zu kaufen. Sie haben also viel mehr Informationen, die viel granularer sind.

Was wird mit den Daten gemacht?
Transaktionsdaten wurden dazu benutzt, um das Verhalten von Kunden zu beeinflussen. Mithilfe der granularen Interaktionsdaten will man Kunden nicht mehr beeinflussen, sondern ihr Verhalten messen und nahezu in Echtzeit analyiseren. Das gilt für eine ganze Reihe von Branchen. Nehmen Sie etwa die Telekommunikationsbranche. Vor 20 Jahren ging es darum, wer wen angerufen hat. Heute können wir den gesamten Netzwerkverkehr analysieren. Wir können herausfinden, warum Anrufe abgebrochen sind, oder wann die Verbindung schlecht war. Wenn ihre Anrufe 15 Mal abgebrochen sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie den Anbieter wechseln. Solche Daten stehen heute in einer ganzen Reihe von Branchen zur Verfügung. Dazu kommt, dass an immer mehr Dingen Sensoren angebracht sind.

Wie kommen solche Sensordaten zum Einsatz?
Sensordaten sind der neue Hype. Für sich alleine genommen, sind sie aber fast nutzlos. Wenn man sie aber mit anderen Daten kombiniert, können sie sehr wertvoll sein. Bei Siemens kommen Sensordaten etwa zur Planung von Wartungsarbeiten zum Einsatz. Man versucht damit vorauszusagen, wann Teile abgenutzt und wann sie zu Bruch gehen werden. Dazu ist es unbedingt notwendig sie mit historischen Betriebsdaten oder Aufzeichnungen von Reperaturen zu kombinieren. Es geht darum Prozesse effizienter zu gestalten. Fragen, die sich dabei stellen sind etwa, ob man die Maschinen mit geringerer Leistung weiterbetreibt oder ob es günstiger kommt, sie stundenlang abzuschalten, um die Teile zu tauschen. Wir sehen auch zunehmend Anwendungsfälle, bei denen es um die Optimierung von Produktionsprozessen geht. Anstatt nach fixen Kapazitäten zu produzieren, wird die Produktion auf die Nachfrage und die Preise abgestimmt.

Wie sieht es mit Konsumprodukten aus?
Sehen Sie sich die großen Smartphone-Hersteller an. Die Art, wie die Geräte funktionieren, basiert auf dem Verständnis, wie sie genutzt werden. Solche Prozesse sind auch für die Sicherheit relevant. Allerdings wirft das auch ethische Fragestellungen auf. Wenn Audi oder BMW Nutzungsdaten ihrer Autos sammeln, können sie dazu genutzt werden, um bestimmte Funktionen zugänglicher zu machen oder die Autos zu verbessern. Die Daten verraten allerdings auch, wann die Geschwindigkeit übertreten und gegen Parkverbote verstoßen wurde.

Gibt es beim Einsatz von Big Data Unterschiede nach Branchen. In welchen Bereichen kommen Sie zum Einsatz?
Die kurze Antwort ist, in allen. Natürlich gibt es unterschiedliche Ausprägungen in unterschiedlichen Bereichen und Regionen. Die kreativsten und innovativsten Lösungen finden Sie in Märkten, in denen der kommerzielle Druck am höchsten ist. Asiatische Telekommunikationsunternehmen etwa sind sehr innovativ.

Inwiefern?
Nehmen wir den pakistanischen Markt. Dort war es sehr teuer Mobilfunkmasten und Sendestationen zu betrieben, es gab viele Stromausfälle und die Betreiber mussten sicherstellen, dass die Masten trotzdem mit Energie versorgt werden. Die Netzwerkkapazitäten mussten dem Bedarf angepasst werden und umgekehrt. Es konnte also passieren, dass Sie - wenn Sie im Einzugsbereich bestimmter Sendemasten waren - eine SMS von ihrem Anbieter bekommen, dass Sie darauf hingewiesen hat, dass Anrufe derzeit nur die Hälfte kosten oder SMS gratis versand werden können. Datenanalysen geben uns eine Vielzahl an Möglichkeiten. Wo immer der Druck auf die Unternehmen steigt, steigt auch die Kreativität im Umgang mit Daten. Letztlich geht es immer darum, die Umsätze zu erhöhen und die Kosten zu reduzieren.

Welche Fragen sollten sich Unternehmen stellen, bevor Sie Big Data einsetzen?
Unternehmen sollten sich also zu allererst Fragen, welche Probleme sie mit Datenanalysen lösen wollen und welche Gelegenheiten sich für sie daraus ergeben. Das klingt sehr einfach, ist es aber nicht. Es ist erstaunlich wie viele Unternehmen große Summen in Big Data-Technologie investiert haben, ohne zu wissen, wofür sie sie einsetzen wollen. Der Hype um Big Data hat wohl idazu geführt, dass so etwas wie ein sozialer Druck auf viele Unternehmen entstanden ist.

Martin Wilcox ist Leiter des Big Data Centre of Excellence beim Datenbank- und Datenanalyseunternehmen Teradata. Mit der futurezone sprach Wilcox, der Physik und Astronomie studierte und auch lange Zeit als Datenanalyst im Großhandel tätig war, am Rande der Teradata Partners Konferenz, die Anfang September in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia stattfand.

Disclaimer: Die Reisekosten zur Teradata Partners Konferenz in Atlanta wurden von Teradata bezahlt.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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