Buffalo: „Stadt des Lichts“ kämpft gegen den Rost
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Kaum etwas symbolisiert den Verfall von Buffalo besser als die bildhaften Attribute, die der Stadt im Nordwesten des Bundesstaats New Yorks über die Jahre zuteilwurden. Als Pionier der elektrischen Straßenbeleuchtung wurde Buffalo Anfang des vorigen Jahrhunderts als „Stadt des Lichts“ gefeiert. Auch die Bezeichnung „Stadt der guten Nachbarn“ am wirtschaftlichen Höhepunkt in den 1950er-Jahren zeugte vom damaligen Boom. Neben der günstigen Energieversorgung durch die Kraftwerke am Niagara hatte die Stadt vor allem vom Eriekanal profitiert, der bis in die 1950er-Jahre die wichtigste Transportverbindung von New York City und dem Atlantik zu den Großen Seen war.
Stadt im Rostgürtel
Der darauffolgende schnelle Niedergang der ehemaligen Industrie-Vorzeigestädte wie Detroit, Cleveland oder Cincinnati machte auch vor Buffalo nicht halt und verwandelte die gesamte Region um die Großen Seen in den berühmt-berüchtigten „Rostgürtel“ („Rust Belt“). Zahllose Initiativen und Finanzspritzen, um die maroden Stahl- und Produktionsanlagen zu revitalisieren und die Abwanderung von Firmen und Bevölkerung zu stoppen, scheiterten. Gegen Produktions-Billigländer wie China und Mexico, aber auch andere US-Bundesstaaten mit niedrigeren Steuern und geringeren Arbeiterprivilegien war die Region chancenlos.
Strategischer Gesamtplan
„Der Unterschied zu früheren Initiativen ist, dass es nicht um ein einzelnes Vorzeigeprojekt geht, das die Erwartungen einer ganzen Region niemals erfüllen kann. Vielmehr geht es um einen strategischen Gesamtplan, der die Vorzüge der Region ausnützt und sich der Schwächen ebenso bewusst ist“, erklärt Howard Zemsky im Gespräch mit der futurezone in Buffalo. Zemsky zeichnet für die wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Bundesstaates New York verantwortlich, dessen Budget von 142 Milliarden Dollar selbst reiche Volkswirtschaften wie Österreich mühelos in den Schatten stellt.
Stadtverdichtung
Dass die riesige Solar-Fabrik unweit des Stadtkerns gebaut wird, entspricht der neuen Denkweise, die auf innerstädtische Verdichtung statt Zersiedelung setzt. „Vor fünf Jahren hätte man die Fabrik sicher irgendwo auf eine grüne Wiese außerhalb der Stadt gebaut, was vermutlich sogar einfacher gewesen wäre. Das fördert allerdings erst recht Armut und Zersiedelung, da Menschen ohne Autos gar keine Möglichkeit haben, diesen Arbeitsplatz zu erreichen“, erläutert Zemsky. Auch Start-ups sollen in der Stadt gehalten werden – sie müssen keine Steuern zahlen, wenn sie in einem Radius von maximal 1,5 Kilometer zum Uni-Campus ihre Zelte aufschlagen.
Erfolgsgeschichte Silicon Valley
„Das Silicon Valley ist auch nicht per Zufall entstanden oder weil nur dort fähige Leute leben. Der Auslöser war, dass der Bundesstaat dort investierte und die Start-up-Szene eng an die Universitäten gebunden war“, sagt David Doyle vom SUNY Polytechnic Institute, das als überregionale universitäre Einrichtung stark in das Solarprojekt in Buffalo eingebunden ist und dort auch die wichtigsten Technologie-Hubs im Bereich Medizintechnik und IT betreibt und verantwortet. „Der Gegensatz könnte nicht größer sein: Aus der Stadt der 1950er-Jahren mit den rauchenden Schornsteinen wird nun ein Ort des 21. Jahrhunderts, der sich auf grüne Energie spezialisiert“, so Doyle zur futurezone.
Kanada als Chance
Es müsse folglich gelingen, dass Touristen länger auf der US-Seite als in Kanada verweilen und dort ihr Urlaubsgeld ausgeben. Die unmittelbare Nähe zu Kanada werten die Wirtschaftsstrategen aber eher als Chance denn als unmittelbare Konkurrenz für die US-Region. „Die Löhne und Produktionskosten sind in Kanada weitaus höher als bei uns. Neben Exportmöglichkeiten für unsere Unternehmen ist unsere Region folglich auch für kanadische Firmen interessant, die ihre Waren im weitaus größeren US-Markt produzieren und vertreiben wollen“, sagt Zemsky.
Tourismus hofft auf Aufschwung
„In welch kurzer Zeit sich Buffalo zum Positiven verändert hat, ist in der Tat verblüffend. Dass von dieser ‚Wiedergeburt‘ der Stadt die gesamte Region profitiert, liegt auf der Hand“, meint auch Don Vidler, der ein Familienunternehmen im Städtchen East Aurora, etwa 30 Kilometer außerhalb der Stadt, betreibt. Der seit 1930 existierende Gemischtwarenhandel „Vidler’s 5 & 10“ ist aufgrund seiner langen Geschichte mittlerweile selbst zu einer überregionalen Tourismus-Attraktion geworden. Viele, gerade auch kanadische Besucher, die das neue Buffalo sehen wollen, würden die Gelegenheit nutzen, um anschließend einen Ausflug in eine traditionelle US-Kleinstadt zu unternehmen.
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