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Interview

"Die IT-Welt muss nach europäischen Regeln spielen"

Europa spielt im Technologie-Bereich eine untergeordnete Rolle. Die einstigen europäischen Player sind entweder verschwunden, geschrumpft (Nokia) oder wurden von US-Konzernen übernommen (Skype). Die wenigen Europäer, die noch am Weltmarkt mitspielen sind SAP, Siemens und einige Hidden Champions, die am globalen Markt in Nischen erfolgreich sind. Die meisten der Top-Firmen, die das Web-Business beherrschen, wurden vor allem in den USA (einige auch in Asien) gegründet. Allen voran Google, das seit dieser Woche in einer Dachmarke namens Alphabet aufgegangen ist. Dieses Imperium wird in einigen Jahren die Weltordnung auf den Kopf stellen. Ob europäische Konzerne dann noch eine Rolle spielen werden, ist fraglich. Dabei hätte Europa durchaus Chancen wieder vorne mit dabei zu sein, sagt Helmut Fallmann, CEO eines der größten heimischen Software-Unternehmen, Fabasoft. „Wir müssen uns wieder auf die europäischen Stärken besinnen. Wir haben in Europa verlernt, die Leuchttürme zu sehen und uns an diesen Leuchttürmen zu orientieren.“

Europäische Werte

Die Europäer hätten seiner Meinung nach in zwei Bereichen die Nase vorn, nämlich in der Sicherheitstechnologie und beim Datenschutz. „Dort wo es um moderne Technologie, also die Cloud geht, spielen wir nach amerikanischen Regeln“, sagt Fallmann. „Wenn wir in Europa einen Neustart von IKT machen, müssen wir unsere Stärken in den Bereichen Sicherheit und Datenschutz sehen. Die Chance der Europäer ist, IT-Lösungen auf Basis europäischen Rechts und auf Basis europäischer Technologie anbieten zu können“, so der Fabasoft-Chef. „Wir müssen uns unserer europäischen Werte bewusst sein.“

Vereinigte Staaten von Europa

Fallmann plädiert dafür, die nationalen Schrebergärten zusammen zu legen, zu einem geeinten digitalen Europa – „Vereinigte digitale Staaten von Europa“ - , in dem europäische Regeln - von Datenschutz bis Datensicherheit - aufgestellt würden. „Das würde die europäischen Länder auf gleich bringen.“ Es geht nicht um europäischen Protektionismus, sondern darum, dass der globale Datenverkehr auf Basis europäischer Regeln gemacht passiert. Abgesehen von den „No-Spy-Klauseln“, die heute ohnehin schon standardmäßig in den Verträgen eingebaut würden, müssten sich künftig auch die Ciscos, Microsofts und Googles/Alphabets dieser Welt an diese Regeln halten. „US-Autos dürfen in Europa fahren, aber nach europäischen Gesetzen“, so Fallmann. „Auch im Bereich des IT-Sektors, wie etwa bei Cloud-Lösungen, muss es daher europäische Regeln geben.“

Airbus als Beispiel

„Wir brauchen in den relevanten IT-Bereichen auch europäische Hardware-Hersteller“, fordert Fallmann. Ein funktionierendes Beispiel sei etwa Secomo, das Fabasoft gemeinsam mit der TU Graz entwickelt hat. Secomo ist ein absolut sicheres Datenver­schlüsselungs­verfahren, die dafür notwendige Hardware wurde vom deutschen Unternehmen Utimaco entwickelt, das dafür garantiert, dass – anders als bei Geräten von US-Herstellern - absolut keine Hintertüren eingebaut werden. Die Lösung wurde vom TÜV Rheinland, die strengste und zugleich renommierteste technische Prüforganisation in den Bereichen Sicherheit – autorisiert. „Vier namhafte Player arbeiten zusammen, um ein Produkt auf den Markt zu bringen, das ein Musterbeispiel für Datensicherheit ist. Solche Produkte auf Basis europäischer Werte erwarte ich mir auch beim neuen Durchstarten von Nokia“, sagt Fallmann. „Ich bin ein optimistischer Europäer. Auch der Flugzeug-Hersteller Airbus ist aus einer Situation heraus entstanden, der US Flugzeug-Industrie etwas entgegen zu setzen.“ Airbus sei der Beweis, dass man auch in Europa grenzüberschreitend erfolgreich in Teams zusammenarbeiten könne.

Europäische IT-Kooperation

Auch auf Staatenebene hat der Fabasoft-Chef Ideen: „Die Behörden jammern, dass sie zu wenig IT-Budget haben, dabei wird in der europäischen Verwaltung am meisten für IT ausgegeben. Jeder Staat mache sein eigenes Finanz-Online-System, obwohl es den Euro gäbe, damit werde viel Geld der Steuerzahler vergeudet. „Es muss eine europäische Zusammenarbeit geben, wie wir sie übrigens auch im Bereich der Cybersicherheit brauchen. Im analogen Europa wird man die Schrebergarten-Mentalität nicht weg bringen, in der virtuellen Welt ist das sehr wohl möglich.“

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