© Cliffhanger

Games

„Es muss eine romantische Verbindung geben“

Der klassische Handel ist tot, die Ära der großen Konsolen- und PC-Spiele ist vorbei. Außer Jugendlichen habe niemand mehr Zeit, sich stundenlang mit komplexen Games auseinanderzusetzen. Viele spielen ein paar Stunden und rühren den mit Millionen-Dollar-Aufwand produzierten Titel nicht mehr an. So die feste Überzeugung von Michael Paeck. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jan Wagner, den er aus seiner Zeit bei JoWood kennt, hat er 2006 die Firma Cliffhanger gegründet. Vier Jahre lang haben sie als Producer-Team Spiele wie Spellforce oder Risen begleitet und umgesetzt. 2010 haben sie jedoch das traditionelle PC-Geschäft an den Nagel gehängt.

„Wir machen nur mehr Online-Projekte. Das ist die Zukunft", sagt Paeck, der morgen Donnerstag im Zuge der Subotron ProGames die Firma vorstellt. Sein Team hat dabei eine ganz genau Zielgruppe im Auge: Männer, in ihren 30gern, die mit Spielen groß wurden, jetzt aber kaum noch Zeit zum Spielen haben. Ihnen will man Titel bieten, die sie zwischen Job, Familie und andere Freizeitaktivitäten einschieben können. Dabei geht es laut Paeck aber nicht um simple Spaß-Titel. „Wir machen anspruchsvolle Spiele mit guter Grafik für ein erwachsenes, spielerfahrenes Publikum", so der Firmenchef.

Bekannte Namen und Welten
Um als Nachzügler im Free-2-Play und Online-Bereich schnell Fuß fassen zu können, wird auf Lizenzen gesetzt. „Wir haben überlegt, was wir damals gerne gespielt haben und dann nach Games gesucht, die Spaß machten und Nostalgie-Gefühle auslösen. Es muss eine romantische Verbindung geben", so Paeck. Fündig ist man bei Jagged Alliance, Deadlands und Shadowrun geworden. Die Lizenz zu Game of Thrones hat ihnen im letzten Moment Bigpoint weggeschnappt. Ein weitere Vorteil der Marken-Strategie: „Wir haben kein beliebiges Setting und sind nicht austauschbar."

Das erste Online-Spiel von Cliffhanger ist Jagged Alliance Online. Im Gegensatz zum PC-Games „Back in Action" setzt ihr Titel auf alte Werte. „Wir haben das Spielprinzip kaum verändert. Das Spiel ist rundenbasiert und bietet alles, was man an Jagged Alliance liebt", so Paeck. Es gibt einen Single-Player-Modus mit rund 120 Missionen sowie einen Multi-Player-Part. Obwohl Micro-Payments Geld in die Kassa spülen sollen, ist es auch möglich, das Spiel ohne Investitionen zu beenden. Man arbeite auch eng mit der Fan-Gemeinde zusammen und binde sie in den Entwicklungsprozess ein. Aus diesem Grund wurde die Beta-Version sehr früh gestartet, um viel Feedback zu sammeln. Zudem wurde – und das ist für ein Österreichisches Studio ungewöhnlich – ein Datenanalyst angestellt.

Datenanalyst durchleuchtet Spiel
„Wir tracken jeden Klick, jede Aktion und Bewegung. Wir wissen genau, wie viele Schuss welcher Spieler mit welcher Spielfigur abgefeuert hat und warum er wann in welchem Level ausgestiegen ist", so der Firmenchef. Die Aufgabe des Analysten, ein studierter Mathematiker, ist nach Mustern zu suchen und aus den Datenbergen sinnvolle Informationen zu extrahieren. Diese fließen dann zurück in den Design-Prozess, um das Spiel zu verbessern. „Ursprünglich sind wir von kurzen Spieleinheiten ausgegangen. Die Beta zeigte, dass der Großteil seltener, dafür aber deutlich länger spielt. Wir mussten das komplette Missions-Design umstellen und viele Annahmen revidieren", erzählt Paeck.

Der Großteil der Arbeit des 22-köpfigen Teams wird in Österreich erledigt, es wird auch mit heimischen Firmen, etwa bei der Grafik, kooperiert. In Ausland wird so gut wie nichts ausgelagert. Die Erfahrungen bei den PC-Produktionen haben Paeck Effizienz gelehrt, Outsourcing passt ihm daher nicht ins Konzept. Es mache vieles komplizierter und verlangsame Prozesse.

Auf dem Weg zur Unabhängigkeit
Im Gegensatz zu anderen Studios versucht Cliffhanger eine zudem Abhängigkeit von großen Plattformen zu vermeiden. „Wir betreiben unsere eigenen Server, die Daten gehören nur uns. Auch das Kundenservice erledigen wir", so Paeck. Auf Facebook sei man nur für Marketing vertreten, auch Google+ und andere Netzwerken nützt man lediglich für Werbung und Kundenakquise. „Wir wollen unabhängig und flexibel bleiben", so Paeck. Mittelfristig will er mit keinem Publisher mehr zusammenarbeiten und alles selbst in die Hand nehmen.

Um das zu erreichen,  fährt die Firma einen strikten Zeitplan. Im Juli soll Jagged Alliance Online die Beta verlassen. Gleich danach wird die Produktion für Shadowrun, ebenfalls ein rundenbasiertes Strategiespiel, hochgefahren - weshalb aktuell Mitarbeiter gesucht werden. An einem noch nicht näher bekannten Spiel wird die Arbeit ebenfalls in Kürze aufgenommen. Danach folgt schließlich das Western-Game Deadlands. „Wir wollen so viele Spiele veröffentlichen, wie nur möglich, um Erfahrungen zu sammeln. Zwei Games pro Jahr ist unser Ziel, sonst dümpeln wir ewig dahin."

Am Donnerstag, den 7.6.2012, spricht Michael Paeck im Zuge der Vortragsreihe Subotron Pro Games über die Entstehung von Cliffhanger. Der Firmenchef, der zuvor  bei Jowwod tätig war, wird über die Erfahrungen mit Jagged Alliance sprechen. Der Vortrag, der von der WKW gefördert wird, startet um 19 Uhr im Wiener Museumsquartier, im Raum D der Electric Avenue. Der Eintritt ist gratis.

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Benjamin Sterbenz

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