© Franz Gruber

Spielentwickler

„Ich lasse mir von Apple nichts diktieren“

Beginnen wir mit jener Frage, die sie wohl nicht mehr hören können: Gibt es auch heuer wieder eine SkiChallenge?
Ja, aber Details zu Ausgabe 12 darf ich noch nicht verraten. Was jedoch offensichtlich ist: Die Grafik wird besser und es gibt Optimierungen bei den Strecken. Es ist eben wie der Skizirkus: Der Sport hat sich ja in den letzten Jahrzehnten nicht grundlegend verändert.

2004 feierte die SkiChallenge Premiere, seitdem gab es jedes Jahr eine neue Auflage. Was waren rückblickend die größten Fortschritte und Veränderungen?
Wir haben die Einbindung von Community-Features vorwärts getrieben, die Verknüpfung mit dem Web verstärkt und die Entwicklung der Grafik vorangetrieben. Wir haben die Engine ja von Anfang an bewusst am Markt vorbeiprogrammiert und auf unsere Anforderungen zugeschnitten. Die Maxime war und ist: Es muss auch am fünf Jahre alten Laptop von Tante Erna funktionieren.

Wie sehr steht die Engine im Zentrum des Entwicklungsprozesses?
Über das Jahr ist es die Hauptarbeit, unsere geringen Hardware-Anforderungen mit den hohen Erwartungen der Nutzer zu verbinden. Man muss immer fragen, was man an neuen Funktionen und Brillanz hinzufügen kann, ohne die Endgeräte zu überfordern.

Crytek steigt in Korea bei Gratis-Spielen ein und will Spieler mit ihrer hoch entwickelten Grafik-Engine gewinnen. Gerät Greentube da nicht ins Hintertreffen?
Korea ist der kompetitivste Online-Markt, den man sich vorstellen kann. Wenn Crytek das wagt, dann Gratulation. Wir nehmen diese Strömungen natürlich wahr und ernst. Grundsätzlich verfolgen sie aber ein anderes Konzept. Crytek will bestehende Spieler erreichen, jene die bereits viel Game-Erfahrung haben. Wir hingegen wollen Leute, die bislang nichts oder nur sehr selten spielen.

Punkto Gratis-Games waren sie einer der ersten am Markt. Jahre später sind nun Firmen wie Zynga in aller Munde. Wie sehen sie die Entwicklung der vergangenen Jahre. Sind Sie jetzt stolz, weil Sie es damals schon gewusst haben?
Das klingt jetzt arrogant, aber ja, ich bin stolz. Wir haben viele richtige Entscheidungen getroffen und eine davon war, auf kostenlose, werbefinanzierte Spiele zu setzen. Unser Vorteil war, dass wir aus der Online-Ecke in die Spielebranche vorstießen. Wir hatten früh viel Erfahrung mit server-basierten Spielen und damit verbundenen Aspekten wie Bezahl-Services oder Kontrollmechanismen. Wir haben Geschäftsmodelle aus dem Online-Bereich in die Spiele-Branche injiziert. Das war unser Denkvorteil gegenüber etablierten Studios.

Novomatic hat 70 Prozent von Greentube im Jahr 2010 für kolportierte 10 Millionen Euro gekauft. Zynga wird mit 6 Milliarden US-Dollar bewertet. Haben Sie zu wenig bekommen?
Die Summen des Greentube-Verkaufs werde ich nicht kommentieren. Zu Zynga kann ich nur soviel sagen: Jene Summen, die kursieren und jene Beträge, die bei den Gründern ankommen, sind zwei verschiedene Sachen. Außerdem vergisst man immer all jene Firmen, die es nicht geschafft haben. Nur weil es ein Milliarden-Unternehmen gibt, ist das nicht auf alle anderen anwendbar. Dass man am US-Kapital-Markt mehr erreichen kann, haben wir sehr früh erkannt und uns bewusst gegen ein Engagement entschieden. Um dort erfolgreich zu sein, muss man direkt an den Entscheidungsträgern andocken. Das bedeutet ein Büro zu eröffnen, um ein Netzwerk aufzubauen. Wir waren so konservativ und haben entschieden, die Firma in Österreich aufzubauen und wollen sie auch in Österreich halten.

War der Verkauf an Novomatic notwendig, um international eine wichtigere Rolle zu spielen?
So wie sich das Marktumfeld und die Risiken entwickelt haben, war es sinnvoll an eine größere Einheit anzudocken. Wir haben nicht unter Druck verhandelt, haben uns lange Zeit gelassen. Ich stehe nach wie vor zu der Entscheidung. Die Synergien laufen gut.

In einem Interview gaben Sie auf die Frage, wofür würden Sie ihren letzten Cent ausgeben, zu Protokoll: Für die Unabhängigkeit. Widerspricht das nicht dem Verkauf an Novomatic?
Diese Aussage war auf mich persönlich bezogen Der Verkauf hat mir durchaus mehr Unabhängigkeit gebracht. Jetzt kann ich, aber auch die Firma wieder freier agieren.

Sind alle Mitarbeiter in Österreich stationiert oder nutzen Sie billige Arbeitskräfte im Ausland?
Wir haben keine billige oder banale Arbeit, die man auslagern kann. Wir sind stolz, dass wir nichts outsourcen und uns Fachkräfte durch Innovation und Wachstum leisten können.

2008 bekamen Sie eine Förderung von Departure. Sind öffentliche Gelder für die Spiele-Hersteller genauso wichtig wie für die Film-Branche?
Für uns war die Förderung damals ein wichtiges Werkzeug, um Innovation abzusichern. Es war Geld für ein Forschungsprojekt außerhalb der normalen Produktionsabläufe. Was uns  definitiv mehr gebracht hat, war die Unterstützung des AWS beim Aufbau des Unternehmens. Jungunternehmen lege ich diese Strukturhilfe ans Herz.

Welche Tipps haben Sie für Jungunternehmer noch parat?
Man muss sich bewusst sein, auf was man sich einlässt. Es ist ein Geschäft mit hohem Risiko und fordert extreme Flexibilität. Eine solide Geschäftsplanung ist auch entscheidend. Am wichtigsten ist jedoch, unabhängig und selbst bestimmt zu bleiben. Junge Leute sind bereit unglaubliche Abhängigkeiten von strukturellen Plattformen einzugehen, sei dies nun z.B. Apple oder Facebook. Damit gebe ich einen wesentlichen Teil der Kontrolle über mein Produkt und meine Kunden ab. Nur um einen Anfangserfolg zu verbuchen, liefert man alles, was Wachstum bringt, jemandem anderen aus.

Diese Gutgläubigkeit der jungen Designer wundert mich. Die von den Medien hoch geschriebenen Erfolgsgeschichten werden nicht hinterfragt, man lässt sich blenden. Niemand fragt welchen Preis die Abhängigkeit hat. Niemand hakt nach, was mit den hochgejubelten Buden nach drei Jahren eigentlich passiert ist. Das Wachstum der Plattformen und Aggregatoren passiert auf Kosten der Kreativität des Einzelnen, auf dem Rücken des idealistischen Jungunternehmers. Das ist gefährlich und macht mir Sorgen.

Was schlagen Sie dann alternativ vor?
Den Long Tail darf man im Internet nicht unterschätzen. Das geht schon. Zudem kann man sich Einzelpartnerschaften suchen, etwa indem man wie wir mit Medienhäusern kooperiert. Diese bekommen Content, man selbst mehr Bekanntheit. Sein geistiges Eigentum, die Kundendaten und die Eigenständigkeit behält man so bei sich. Bei neuen Spielen kann man dann Kunden leicht erreichen und muss nicht bei Plattformen um Daten betteln.

Greentube wird demnach wohl nicht Spiele für Facebook machen.
Wir schalten dort Werbung und haben eine Facebook-Seite. Damit belassen wir es zur Zeit. Wir beobachten die Entwicklung unter Anderem bei Facebook und Google+ und werden unsere Entscheidungen nach dieser Entwicklung ausrichten.

Für Apples App-Store werden sie dann wohl auch nicht tätig?
Nicht in dem Umfang in dem das möglich wäre – in einzelnen Fällen schon. Dafür gibt es drei Gründe: Ich habe keinen vollen Zugang zu den Kundendaten. Des weiteren lasse ich mir von Apple nicht diktieren, was ich tun darf. Schließlich sehe ich nicht ein, warum ich 30 Prozent des Gewinns abgeben muss.

Facebook liefert Nutzerdaten über seine Schnittstellen. Haben Sie daran kein Interesse?
Der Filterungsgrad ist uns zu hoch. Wir haben seit Jahren sehr exakte Daten über unsere Nutzer. Wieso sollen wir uns mit minderwertigem Material abgeben. Wir haben früh begonnen, Aktionen der Nutzer zu messen und zu analysieren. Das Problem war anfangs aus diesen Datenbergen relevante Informationen zu generieren, was wir nun sehr gut können. Online-Spiele sind der ideale Weg, zu verstehen, was ein Nutzer will und wo es ihn hinzieht.

Sind die Erkenntnisse wirklich neu oder bekommen sie nur banale Allgemeinplätze?
Schon früh habe ich mich mit Datamining intensiv beschäftigt. Ich bin überzeugt, dass man wertvolle Schlüsse ziehen kann, wenn man weiß, wie man es angeht. Dies hilft dann beim Design und der Vermarktung. Wir können Kundenströme genau analysieren und erkennen etwa anhand des Verhaltens, wenn jemand eines Spiels überdrüssig wird und können Gegenmaßnahmen, etwa in Form von Gratis-Runde, einleiten, um ihn zu halten. Allerdings steht das Produkt immer im Vordergrund. Die besten Daten werden ein schlechtes Produkt nicht retten.

Ein Blick auf ihre Homepage zeigt generische Titel wie Schnapsen, Bingo oder etwa Jewel Magic. Wie kann man mit solchen austauschbaren Produkten bestehen?
Bei Schnapsen waren wir die ersten und haben eine riesige, treue Kundebasis. Das ist wichtig, da die Spiele von den menschlichen Gegner leben. Deshalb kommen die Spieler auch zu uns. Bei den anderen Produkten war es einfach eine Marketing-Schlacht, bei der uns unsere Expertise bei der Datenanalyse geholfen hat. Schließlich nimmt man gewisse Spieltypen  auf, damit man sie hat und die Kunden nicht zur Konkurrenz laufen. Es ist ja kein Aufwand. Spiele wie Jewel Magic sind kein Wunderwerk der Technik.

Wie teilen sich bei Greentube die Bereiche 3D-Spiele, Kartenspiele und Casino-Games auf?
Es ist alles sehr ausgewogen, es gibt keine Übergewichtung eines Bereichs. Durch den neuen Partner wird es natürlich eine leichte Bewegung hin zu Glückspielen geben.

Was ist der Reiz, Slot-Maschinen ins Virtuelle zu holen? Für deren Bedienung ist seitens der Spieler ja weder Geschicklichkeit noch Intelligenz notwendig. Sogar die Haptik des Hebels oder die bunten Plastikknöpfe geht verloren.
Es wird gespielt und ist populär. Wir betrachten das wertfrei. Wenn es Leute wollen, setzen wir es mit dem langjährigen Know-How von Novomatic bestmöglich um.

Wo bessert man da nach?
Wie bei allen Spielen wird die Grafik verbessert. Es geht darum, ein plastischeres Spielerlebnis zu schaffen, ohne aber den Kunden dabei zu nerven. Gerade bei Casino-Games, bei denen es viel Wiederholung gibt, muss man in diesem Punkt sehr aufpassen.

Konsumenten dürften sich auch mit einfacher Grafik zufrieden geben, wenn man etwa Spiele wie Farmville betrachtet.
Allgemeine Aussagen darf man hier nicht treffen. Das kommt immer auf das Produkt an. Ein simples Spiel in 2D kann optisch simpler sein, solange das Konzept und der Spaß passt. Von einem 3D-Spiel hingegen erwartet man grundsätzlich mehr.

Wo kann man, abseits der Grafik, Fortschritte bei Spielen erwarten. Womit wird experimentiert?
Wir schauen uns Konzepte wie Bewegungssteuerung oder Augmented Reality an. Allerdings immer mit dem Hintergedanken, was wir tatsächlich brauchen können und was wirtschaftlich Sinn macht und in den kommenden Jahre die Jobs bezahlt. Man muss immer eine Balance zwischen Innovation und Standardgeschäft finden. Das ist auch für die Mitarbeiter gut, da sie durch das Experimentieren mit Neuem Abwechslung bekommen, geistig fit bleiben und in keine Routine verfallen.

Eberhard Dürrschmid ist einer der Gründer von Greentube. Der promovierte Biologe beschäftige sich früh mit Datamining und übertrug sein Wissen in den Gaming-Markt. Zu den bekanntesten Spielen zählen Webschnapsen sowie die SkiChallenge. 2010 kaufte Novomatic 70 Prozent an Greentube, um sich im Bereich Casino-Games im Web zu stärken. Aktuell werden 160 Mitarbeiter beschäftigt.

Heute, Donnerstag, spricht Dürrschmid um 1900h im Wiener Museumsquartier im Zuge der Veranstaltungsreihe Subotron ProGames über den Werdegang von Greentube sowie aktuelle Markttrends.

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Benjamin Sterbenz

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