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Interview

Innovationen: "Was vor allem fehlt, sind Mut und Tatkraft"

Das Motto des heurigen Austrian Innovation Forums lautet „Champions of Innovation“. Am 12. Oktober treffen sich Vertreter zahlreicher namhafter Unternehmen (Details siehe unten) bei der Tagung in Wien. Die futurezone hat vorab mit Initiator Helmut Blocher gesprochen.

Was macht ein innovatives Unternehmen aus?
Helmut Blocher: Innovationsführer schaffen beides: Sie werden laufen im Tagesgeschäft besser und erfinden sich andererseits immer wieder neu. Dazu gehört die grundsätzliche Bereitschaft, mit neuen Produkten und Lösungen bisherigen Umsatz zu kannibalisieren oder ganz aufzugeben. Nehmen wir etwa die Mark Metallwarenfabrik als Beispiel. Das oberösterreichische Unternehmen hat vor fast 100 Jahren als Erzeuger von Metallteilen für die Schuhindustrie begonnen und gilt als Erfinder der Schischuhschnalle. Heute ist das Unternehmen weltweit führend in der Metallumformtechnik, vor allem für die Automobilindustrie. Das Unternehmen erzeugt über 2 Milliarden Teile pro Jahr und verfolgt dabei eine Null-Fehler-Strategie. Gleichzeitig ist Mark gefordert, darüber nachzudenken, wohin sich die Automobilindustrie entwickelt und was das Unternehmen in Zukunft für diese Industrie leisten kann. Christina Rami-Mark, die Geschäftsführerin der Mark Metallwarenfabrik, wird darüber beim nächsten Austrian Innovation Forum am 12. Oktober 2017 in Wien sprechen.

Es sind eben nicht die ganz Großen, die Österreichs Wirtschaft tragen. Es sind erfolgreiche kleine und mittlere Unternehmen wie Mark, die für den Wohlstand hierzulande verantwortlich sind.

Mehr als die Hälfte der österreichischen Unternehmen hat in einer Umfrage angegeben, ihr Geschäftsmodell in den nächsten zehn Jahren ändern zu wollen. Sind die Unternehmen dafür gerüstet?
Was vor allem fehlt, sind Mut und Tatkraft, in die Umsetzung zu kommen. Natürlich tun sich hier Start-ups leichter, weil sie ja per Definition erst ein Geschäftsmodell entwickeln. Ein solches über Bord zu werfen und ein neues zu etablieren, birgt natürlich Risiken, aber ohne Risiko gibt es kein Unternehmertum. Wenn man sein Geschäft nicht selbst weiterentwickelt, macht es eben ein anderer, unter Umständen gleich für eine ganze Branche. Wer beispielsweise immer nur verkauft hat, wird Bedenken haben, künftig auch zu vermieten oder bestimmte Leistungslevels kostenlos zu erbringen, um den Kunden Lust auf mehr zu machen.

Wie kann Innovation in Unternehmen gefördert werden?
Es gibt keine einfachen Rezepte mehr. Hatten die erfolgreichen Familienbetriebe in den 60er, 70er- und auch noch in den 80er-Jahren oft noch eine „grüne Wiese“ vor sich, sind die Märkte heute hart umkämpft und der Mitbewerb kann von überall her kommen. Im Kern geht es um ein neues Mindset. Wir reden viel von Agilität, Fehlerkultur und Risikobereitschaft, aber hierzulande ist davon in der Praxis oft wenig zu spüren. Auch in einem eigentümergeführten, erfolgreichen Mittelstandsbetrieb ist es mit der Bereitschaft der Mitarbeiter, Fehler zu kommunizieren, nicht weit her, wenn die Chefin oder der Chef scheinbar niemals welche machen. Nach einer aktuellen Studie von Haufe-Lexware sagen 70% der Führungskräfte, dass ihre Unternehmen agil seien, aber nur 30 % der Mitarbeiter. Ich bin geneigt, hier eher den Mitarbeitern zu glauben. Es ist Zeit für ein neues Verständnis von Führung. Etwa wenn es darum geht, enge Kontrolle und Steuerung in innovationsnahen Bereichen aufzugeben, und einen angstfreien Raum für die Realisierung von Ideen zu schaffen.

Was hindert Unternehmen daran, innovativ zu sein?
Am hinderlichsten sind die Erfolgsrezepte aus der Vergangenheit sowie die ungeschriebenen Gesetze einer Branche. Wie viele erfolgreiche Konservenhersteller haben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA den Trend Richtung Tiefkühlkost verschlafen? Alle. Was hat die Musikindustrie zunächst mit den Streaming-Diensten gemacht? Sie bekämpft. Wie viele österreichische Verlage haben bereits ein erfolgreiches Online-Geschäftsmodell? Sehr wenige. Es gibt immer Gründe, etwas nicht zu machen: „Es wurde nicht hier erfunden.“ „Das könnte ja jeder machen.“ „Es würde nicht funktionieren.“ usw. Wir leben in einem Land, in dem die Menschen es eher scheuen, Verantwortung zu übernehmen und diese gerne anderen überlassen. Wir brauchen eine nachhaltige Entwicklung zu mehr Innovationskultur.

Wie wichtig ist Technologie bei Innovationsprozessen?
Wir leben in einer disruptiven Zeit, und Technologie treibt die Entwicklung in vielen Bereichen. Wir müssen uns aber auch fragen, wohin wollen wir und sollen wir alles, was möglich ist, auch wirklich machen? Natürlich können wir uns von globalen Entwicklungen lokal nicht abschotten, aber es braucht Institutionen, in denen Technologiefolgen diskutiert und abgeschätzt werden. In den letzten Jahren wurde vor allem unter dem Schlagwort „Digitalisierung“ hauptsächlich über Technologie gesprochen. In der Umsetzung geht es aber in den Unternehmen weniger um die Technologie an sich, als um einen möglichst hohen Anteil von Mitarbeitern, die mit diesen Technologien umgehen können und die experimentierfreudig und eigenmotiviert neue Wege gehen möchten.

Das Austria Innovation Forum findet erstmals im neuen weXelerate-Start-up-Zentrum am Donaukanal statt, wo etablierte Unternehmen mit Start-ups zusammenarbeiten. Wie wichtig ist frisches Blut für alteingesessene Firmen?
Die Zusammenarbeit mit Start-ups kann sehr befruchtend sein, ist aber keineswegs ein Erfolgsgarant. Wie sich ein etabliertes Unternehmen und Start-ups gegenseitig helfen oder auch behindern, hängt sehr von der jeweiligen Kultur ab, deshalb gibt es auch keine Rezepte für die Zusammenarbeit. Bestenfalls kann man versuchen, Fehler anderer zu vermeiden. Hierzulande wird es vor allem mit Acceleratoren versucht. Wir haben praktisch keine Unternehmen, die zig oder gar hunderte Millionen in einen Startupfonds stecken können, wie woanders etwa Airbus oder Google. Unternehmen sollten sich auch Coopetition und Cross Industry-Innovation ansehen. Hier gibt es noch viel Potenzial.

Beim Austrian Innovation Forum wird auch Afrika Thema sein – was können Unternehmen von Afrika lernen?
Wir thematisieren beim Austrian Innovation Forum „Silicon Savannah“, wo eine riesige Nachfrage auf einen vernetzten Raum neuer Fähigkeiten und Technologien trifft. In Teilen Afrikas boomen Unternehmen und Wirtschaft, ein Mittelstand entsteht, doch wir bekommen das in Europa zu wenig mit. Wenn wir jetzt auf Augenhöhe beginnen, im eigenen Interesse wirtschaftlich zusammenzuarbeiten, würde das mehr bringen als so mancher gut gemeinter Ansatz der Entwicklungspolitik.

Zur Person

Helmut Blocher ist Initiator des Austrian Innovation Forums. Er ist Gründer und Geschäftsführer von SUCCUS | Wirtschaftsforen. Das Unternehmen veranstaltet Konferenzen rund um Innovation in Österreich und Deutschland.

Das Austrian Innovation Forum hat sich in den letzten Jahren als die führende Tagung für Innovation in Unternehmen in Österreich etabliert und geht am 12. Oktober 2017 bei weXelerate unter dem Motto „Champions of Innovation“ in die siebte Runde. Dabei geht es darum, wie Unternehmen mit Innovationskraft und Kundennähe Marktführer wurden, sind und werden können. Dazu gibt es Praxis pur und ungeschminkt von und mit Unternehmen wie KREISEL | HOMETEC, UNIQA, Siemens AG, niceshops Gruppe, FACILITYCOMFORT, Flughafen Wien, ENGIE Gebäudetechnik, Zühlke Engineering (Austria), MARK Metallwarenfabrik, PÖTTINGER Landtechnik, Kapsch TrafficCom und ECOTEC.

Disclaimer: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und dem Austrian Innovation Forum enstanden.

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