Kickstarter: Game-Förderung mit Tücken
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Als binnen weniger Tage das anvisierte Ziel von 400.000 Dollar erreicht wurde, war selbst Tim Schäfer baff. Der Designer von Klassikern wie Grim Fandango oder Day of the Tentacle wählte Anfang des Jahres die Crowd-Funding-Plattform Kickstarter, um ein neues Adventure-Game zu finanzieren. Etablierten Publishern war das Projekt zu nischig, private Investoren schreckten ebenfalls zurück, weshalb eine alternative Finanzierung gesucht wurde. Der Rest ist Spiele-Geschichte. Am Ende der Lauffrist streifte die Produktion 3,3 Millionen Dollar ein, die alleine aus den Geldbörsen von Nutzern und Fans stammen. Das noch namenlose Spiel ist bis dato das bestfinanzierte Projekt in der Geschichte von Kickstarter.
Die Spielebranche geht Betteln
War Kickstarter zuvor vor allem für Indie-Filme, Musik, Kunstprojekte oder etwa Comics eine Anlaufstelle, gilt die Crowd-Funding-Plattform spätestens seit dem Millionen-Coup als Hoffnungsträger einer gesamten Branche. Die Idee Publisher, Banken oder Finanzgeber durch kleine Spenden von Fans zu ersetzen, stößt auf viel Gegenliebe. Durchschnittlich steuert ein Interessierter für ein Game-Projekt auf Kickstarter 42 US-Dollar bei – die nur fällig werden, wenn das vom Einreichenden anvisierte Spendenziel auch erreicht wird. Klappt es, bekommt man das gute Gefühl, etwas Kreatives gefördert zu haben und zeitgleich meist auch das Anrecht auf ein Gratis-Exemplar, sobald das Produkt fertig ist. Viele Designer setzen zudem auf Staffelungen: Wer mehr beisteuert, darf mit dem Designer Abend essen oder wird als Charakter im Spiel verewigt.
Spiele starten auf Kickstarter durch
Bereits 2011 konnte der Spiele-Bereich bei Kickstarter, das sich fünf Prozent eines erfolgreichen Fundings einbehält, einen Unterstützer-Zuwachs von 730 Prozent verbuchen und somit mehr potenzielle Geldgeber begeistern als jede andere Kategorie. Konnten in den ersten zwei Gründungsjahren Spiele 1,7 Millionen Dollar ergattern, hält der Bereich seit Jahresbeginn bereits bei 6,2 Millionen. Vom kleinen Indie-Studio bis hin zum frustrierten Industrie-Veteranen wird das Vorstrecken von Fan-Geldern als reizvolle Option gesehen – auch weil man so den Markt ausloten und vergeudete Arbeitszeit vermeiden kann.
„Gerade für kleinere Studios ist Crowdfunding eine spannende Möglichkeit. Man kann sondieren, ob eine Idee Anklang findet, und dann einen Nischenmarkt bedienen, für den Publisher oft nicht zu gewinnen wären", sagt Jörg Hofstätter vom Wiener Studio Ovos. Ähnlich sieht es Jurie Horneman von MiPuMi: „In den letzten Jahren ist es immer leichter geworden, herauszufinden, was Spieler haben wollen: Crowdfunding ist eine logische Weiterentwicklung davon."
Das Gesicht hinter Kickstarters Games-Rubrik
„Die Berichte über Double Fine haben zu einem weiteren Anstieg von Spieleeinreichungen geführt", sagt Kickstarter-Mitarbeiterin Cindy Au im Gespräch mit der futurezone. Sie ist für Spiele-Projekte bei Kickstarter verantwortlich und war die achte Mitarbeitern im Team der 2008 gegründeten Plattform. Schaffte bis Februar lediglich ein Spiel die 100.000-Dollar-Marke, gelang dies nach dem Double-Fine-Erfolg bereits neun Projekten. Auch große Studios seien interessiert und haben auf der vergangenen Game Developers Conference das Gespräch gesucht. Kickstarter könnte für sie eine Möglichkeit darstellen, neue Serien auszutesten. „Bei Crowd Funding schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Man bekommt Geld und Öffentlichkeit", erklärt Au die Anreize.
Digitale Games überholen Karten- und Brettspiele
Dominierten vor der spektakulären Funding-Welle noch Brett- und Kartenspiele, hat sich das Verhältnis jetzt geändert. Laut Au machen Computerspiele 50 Prozent der Spieleprojekte aus, 30 Prozent entfallen auf Brettspiele, 20 Prozent auf Kartenspiele. „Mit Stand Februar sind 1239 Games-Projekte auf der Plattform gestartet. 135.000 Leute haben sich bereit erklärt, diese zu unterstützen", sagt Au. Der Großteil der Zusagen und Finanzierung entfalle dabei auf digitale Spiele.
Die Millionen-Coups häufen sich - wenn man ein Star ist
Nach Double Fine bittet aktuell das Spiel Wasteland 2 erfolgreich um Gelder. Statt der angepeilten 900.000 Dollar konnten bis dato knapp zwei Millionen eingesammelt werden. Das Spiel, die Fortsetzung eines Spieleklassikers, ist das vierte Projekte auf Kickstarter, das die Millionen-Grenze durchbrach. Vergangene Woche wiederum riefen US-Entwickler Fans auf, in ein Remake des Adventures Leisure Suit Larry aus den 1980ern zu investieren. Angepeiltes Ziel: 500.000 Dollar. Wie schon bei Tim Schäfers Double Fine wird bei beiden Projekt hervorgehoben, dass Programmierer und Designer von damals wieder mit an Bord sind. Denn das Werben mit großen Namen erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Finanzierung deutlich.
„Crowdfunding funktioniert gut für Stardesigner die hohes Ansehen haben. Ich weiß nicht, ob das für uns so gut funktioniert", sagt Harald Riegler von Sproing, Österreichs größtem Studio. Für das Linzer Team Pro3 Games ist das Crowd-Funding-Modell zwar eine attraktive Option, man teilt jedoch die von Riegler geäußerten Bedenken. „Wenn man den entsprechenden Status in einer Community hat, sitzt man auf einer Geldquelle, sofern man sich die Arbeit macht, diese Community auch bei der Stange zu halten. Als Start-up ist es hingegen schwierig, einen derartigen Hype zu generieren", sagt Michael Plank von Pro3 Games
Bekanntheitsgrad und Ansehen entscheiden über Erfolg
„Je mehr Fans man hat, desto mehr Geld bekommt man", weiß Au von Kickstarter. Auch Greg Rice, Sprecher von Double Fine, bestätigt, dass eine große Fanbasis hilft, Gelder aufzustellen. Hinzu komme, dass Industrie-Veteranen meist gute Kontakte zu Medien hätten, die dann bei der Bewerbung des Projekts helfen und für mehr Öffentlichkeit sorgen. Je besser das Marketing, desto mehr Spenden, lautet auch hier die Regel. „Für uns ist es eine echte Überlegung ein Projekt auf diese Weise zu finanzieren. Das unmittelbare Problem dabei ist, dass in Europa Crowdfunding noch nicht sehr etabliert ist. Es hat erst später im Entwicklungszyklus einer Firma Sinn auf Crowdfunding zu setzen, da es enormen Marketingaufwand benötigt und ein existierendes Netzwerk sehr hilfreich ist", sagt etwa auch Martin Pichlmair vom Wiener Studio Broken Rules.
Präsentation und Marketing sind extrem wichtig
Überhaupt ist die richtige Präsentation das Um und Auf, um Fans zu einer Unterstützungserklärung zu bewegen. Au berät Firmen, die sich bei Kickstarter bewerben und entscheidet auch mit, ob ein Projekt genommen wird. Zu den Voraussetzungen zählt, dass der Einreichende US-Staatsbürger ist und ein realistisches Finanzierungsziel sowie eine Laufzeit bei Kickstarter nennt. Des weiteren muss es sich um etwas Kreatives handeln, wobei die Definition hiervon sehr breit ausgelegt ist. Für die Einreichung selbst, die über ein Formular läuft, gehören ein Trailer zum Spiel sowie Artworks zum Standard. Laut Au muss etwas Greifbares, etwas Konkretes vorhanden sein.
Tipps für mehr Erfolg auf Kickstarter
„Bei Kickstarter geht es um die Geschichte hinter dem Projekt, nicht um das Geld. Jene, die nur um Geld fragen, scheitern oft. Jene, die etwas erzählen und Nutzer daran teilhaben lassen, sind erfolgreicher", so Au. Sie rät bei der Vorstellung auf der Webseite durchaus persönlich zu sein, um potenzielle Geldgeber zu begeistern. Korrekte, aber langweile Geschäftsmodelle finden keine Anhänger. Man müsse die Leidenschaft und die Personen dahinter spüren. Was man noch im Hinterkopf behalten sollte: Die Plattform wird sowohl bei der Einreichung als auch der Unterstützung vor allem von Städtern genutzt. Man richtet sich daher an ein urbanes Publikum. „Je mehr Einblick man gewährt und je offener man sich präsentiert, desto höher ist die Erfolgschance", sagt Au. Dabei mache es auch nichts aus, Schwäche zu zeigen. „Wenn man etwas abändert, wird das akzeptiert, solange man es der Community erklärt", sagt Au. Man müsse mit den Geldgebern konstant kommunizieren und ihnen vermitteln, dass man es ernst meint.
Ihrer Erfahrung nach formulieren viele Entwickler die Ziele zu ungenau oder legen die Hürde unrealistisch hoch. Au rät daher zu warten. Einige Monate mehr Arbeit vor der Kickstarter-Veröffentlichung können mitunter entscheidend sein. Das Projekt sei dann konkreter, was die Erfolgschancen erhöht. Zudem habe man dann mehr Zeit für die Community-Betreuung auf Kickstarter. „Viele unterschätzen den Aufwand, das Projekt und sind dann überfordert", sagt Au. Laut der Spiele-Beauftragten sollte man dann starten, wenn man sich wohl fühlt, das Projekt auf die Internet-Gemeinde und somit die Welt loszulassen.
Öffentliche Fördertöpfe oder Geld von Spieler?
Seit der Gründung von Kickstarter 2008 wurden von Nutzern mehr als 150 Millionen US-Dollar (ca. 37 Millionen/Jahr) für alle Projekte zugesichert – was in etwa dem jährlichen Budget des National Endowment for the Arts, der zentralen Kunstförderstelle in den USA, gleichkommt. Au gibt jedoch zu bedenken, dass es in den USA vergleichsweise wenige öffentliche Förderstellen für Kunst gebe und diese auch nicht über große Budgets verfügen. Kanada aber auch viele europäische Länder unterstützen Kunst und Kultur mit deutlich mehr öffentlichen Geldern. Das Bundesministerium für Kunst und Kultur in Österreich gibt beispielsweise dieses Jahr 430 Millionen Euro aus. Zusätzlich gibt es auf Länderebene Förderstellen, wie etwa in Wien Departure, das sich auf Creative Industries spezialisiert hat, und 2012 vier Millionen Euros investiert.
Die Konkurrenz: Tristesse abseits von Kickstarter
Dass die Plattform gerade aufgrund der schlechten Fördersituation der USA floriert, streitet Au nicht ab. Ob dies ein Grund ist, warum Kickstarter bis dato nur in den USA nutzbar ist, will Au nicht kommentieren. Ein Blick auf Crowd-Funding-Plattformen wie etwa IndieGoGo, die auch in Europa agieren, zeigt nur geringes Interesse seitens der Nutzer. Dagegen spricht, dass Kickstarter in den USA alle anderen Konkurrenz-Angebote ganz klar abdrängt. Egal ob Crowdtilt (banales, alltägliches), Inkubato, Pling, StartNext (Kunst), RocketHub & Petridish (Wissenschaft), 8-Bit-Funding sowie Look At My Game (Videospiele) oder Respekt.net (Österreich) – die erzielten Beträge sowie die Anzahl der Projekte liegen klar hinter dem Primus Kickstarter zurück.
Ernüchterung bei kleinen Indie-Studios
Bei all der Euphorie gibt Au schließlich zu bedenken, dass die Millionen-Erfolge die Ausnahme darstellen. „Im Schnitt schafft ein Spiel eine Summe von 11.200 US-Dollar", sagt Au. Zum Vergleich: Broken Rules hat von Departure 300.000 Euro bekommen, Pro3 Games von dem Kapitalgeber HwkForward auch knapp 300.000 Euro.
Zudem scheitern Computerspiele oft, die angepeilten Ziele zu erreichen. Während die Erfolgsrate der gesamten Plattform als auch bei Brettspielen bei 45 Prozent liegt, schaffen es bei Computerspielen nur 25 Prozent der vorgestellten Projekte. Der von dem österreichischen Studio C-Arena entwickelte CA Football Manager etwa, der von Firmenchef Martin Langhammer über persönliche Kontakte in den USA bei Kickstarter eingereicht wurde, hält aktuell bei 12 US-Dollar und ist weit von den anvisierten 20.000 US-Dollar entfernt. Entsprechend ernüchtert steht er dem Kickstarter-Experiment gegenüber.
Die harte Realität des Marktes
Am Konzept von Kickstarter wird zudem kritisiert, dass es sich um eine Vorbestellung eines Produkts, nicht um eine Förderung von Kunst - im Sinne von L`art pour L`art - handelt. Die Projekte hängen vom Interesse der Nutzer und somit vom Markt ab. Wenn etwas nicht den Geschmack trifft, wird es im Gegensatz zu staatlicher Förderung nicht unterstützt. „Die User, in dem Fall die Finanzers, könnten auf diese Art sehr mächtig werden und Entwickler gewaltig unter Druck setzen", sagt Helmut Hutterer von Social Spiel.
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