© Kim Hong-Ji, reuters

Apps

Lokale Chat-Dienste stechen Internetriesen in Asien aus

Google, Apple, Amazon und Facebook sind von gestern, Kurznachrichtendiensten wie KakaoTalk, Line oder WeChat gehört die Zukunft - das gilt nach Ansicht von Experten zumindest für Länder in Asien, wo die WhatsApp-Konkurrenten immer stärker die Rolle der Internet-Giganten im Westen übernehmen. In China, Japan und Südkorea erleben die Chat-Dienste zur Zeit einen Boom.

Längst setzen die Apps nicht mehr ausschließlich auf das Verschicken von Kurznachrichten. Statt dessen verdienen die digitalen Dienste ihr Geld mit Werbung, der Vermittlung von Taxi-Fahrten oder auch mit gezielten Verkäufen einzelner Produkte.

"Alle Märkte außerhalb der westlichen Welt experimentieren damit", sagt Dmitry Levit, der sich in die Kommunikations-Plattform mig33 eingekauft hat. In den meisten asiatischen Ländern ist das Mobiltelefon die wichtigste und zum Teil auch einzige Möglichkeit, ins Internet zu kommen. Vor allem in den nördlichen Staaten Asiens gibt es zugleich immer mehr junge Leute mit wachsenden Einkommen, die über Chat-Dienste vernetzt sind. Ist ein Dienst erst weit genug verbreitet, läuft ein Großteil der Kommunikation über ihn. Damit wird er zum strategischen Nadelöhr, sagt Marshall Van Alstyne von der Universität in Boston.

"Deshalb hat sich Microsoft vor Netscape gefürchtet und Facebook vor Instagram, deshalb hat AT&T gegen Apple verloren und sich Apple wegen Google Maps Sorgen gemacht: In jedem der Fälle schob sich eine neue Plattform zwischen eine bestehende und den Verbraucher", erläutert Van Alstyne. Und wer die Kommunikation zwischen den Nutzern kontrolliere, beherrsche auch die Einnahmequelle.

Hype

Wie wichtig die Kurznachrichten-Apps sind, sei spätestens durch die 19-Milliarden-Dollar (13,8 Mrd. Euro) schwere Übernahme von Whatsapp durch Facebook klargeworden, betont Carolina Milanesi vom Institut Kantar Worldpanel. Die Expertin rechnet mit weiteren Übernahmen und Kooperationen in der Branche, denn in den aufstrebenden asiatischen Ländern erlauben vor allem diese App-Dienste den Zugang zu den Konsumenten. Facebook und Google sind dagegen deutlich weniger präsent als im Westen.

Den exklusiven Zugang zum Verbraucher nutzen die Anbieter bereits aus: In China können die mehr als 270 Millionen aktiven Nutzer der Plattform WeChat schon längst Taxis buchen, Handy-Konten wieder aufladen oder auch in Anlageprodukte investieren. Als der zur größten Internetfirma des Landes Tencent gehörende Chat-Dienst eine Bezahlfunktion einführte, um die traditionellen Geldgeschenke zum Chinesischen Neujahrsfest auch via Smartphone übermitteln zu können, koppelten einer Umfrage zufolge drei von vier Nutzern ihr Bankkonto an ihr WeChat-Profil.

"Blitz-Verkäufe"

Die wachsende Rolle solcher Apps als Vertriebskanal hatte auch der japanische Milliardär Hiroshi Mikitani im Blick, als seine Firma Rakuten den Internet-Telefonie-Dienst Viber für 900 Mio. Dollar kaufte. In kleineren Schwellenländern habe Japans größter Onlinehändler Schwierigkeiten gehabt, Kunden zu erreichen. Das soll nun die Skype-Konkurrenz ermöglichen. Der südkoreanische Mobilfunkanbieter Naver will sich ebenfalls ein Stück vom Kuchen sichern und bietet über seinen japanischen WhatsApp-Rivalen Line sogenannte "Blitz-Verkäufe" an. Mit Erfolg: mehr als fünf Millionen Nutzer sprangen auf Angebote wie etwa Lippenstifte von L'Oreal an. Zunächst war der SMS-Dienst Line für etwas ganz anderes entwickelt worden: Nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami in Japan im März 2011 sollte trotz zerstörter Telefonkabel kommuniziert werden können.

Weil die Dienste aber oft nur in ihren jeweiligen Heimatländern Erfolg haben, sind sie weit davon entfernt, die Großen der Branche herauszufordern. In Südkorea ist die Smartphone-App KakaoTalk auf neun von zehn Handys installiert. In anderen Ländern müht sich der WhatsApp-Konkurrent aber, Kunden zu gewinnen. Vergleichbar geht es Line außerhalb von Japan und WeChat jenseits der chinesischen Grenzen. Vor allem in Europa und den USA läuft der Weg zum Kunden im Netz nach wie vor über die großen Plattformen.

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