© Social Science Research Council

Urheberrecht

Raubkopien: Ursache ist zu hoher Kaufpreis

Die Argumente der Vertreter der Musik- und Filmbranche sind seit Jahren festgefahren. Wenn es um die starke Verbreitung von Raubkopien in Schwellenländern geht, wird vor allem die dominante Rolle des Organisierten Verbrechens unterstrichen. Im großen Stil werden Filme, Musik und Software vertrieben, was zu Einbußen bei den Konzernen führt. Eine Argumentation, die schlüssig klingt, allerdings von einer 440 Seiten lange Studie des „Social Science Research Council“ widerlegt wird. Drei Jahre lang forschten 35 Wissenschaftler für das Buch „Media Piracy in Emerging Economies“ in den sechs Schwellenländern Südafrika, Russland, Brasilien, Mexiko, Bolivien und Indien.

Das Ergebnis: Hauptgrund für die starke Verbreitung von Raubkopien ist der hohe Kaufpreis der Originale. Im Vergleich zum Durchschnittseinkommen ist der Preis von Software, Filmen und Musik in Schwellenländern zehn Mal so hoch wie in Europa oder den USA. Sie sind Luxusgüter. Die lokale Bevölkerung wird durch den hohen Preis indirekt gezwungen, zu den günstigeren Raubkopien zu greifen. Zudem hat es die Industrie in diesen Ländern bislang verabsäumt, legale Märkte aufzubauen. Das Angebot an offiziellen Vertriebsstellen sei der Studie zufolge klein und unterentwickelt, das Problem somit hausgemacht. Da sich die global agierenden Konzerne in den Ländern auf legaler Ebene meist keiner Konkurrenz stellen müssen, besteht kein Anlass Preise zu senken und in Wettstreit zu treten. Zwecks Umsatzmaximierung werde das westliche Preisniveau beibehalten. Da der illegale Markt ignoriert wird, habe dieser wiederum leichtes Spiel.

Lokale Firmen haben bessere Chancen
Im Gegensatz zu global agierenden Konzernen stellt die Studie lokalen Firmen weit bessere Chancen aus, gegen den illegalen Markt zu bestehen. Ortsansässige Unternehmen engagierten sich stärker und gingen auf die vorhandenen Gegebenheiten weit besser ein. Da sich ihre Inhalte fast ausschließlich auf den dortigen Markt richten, treten sie eher – und erfolgreicher - in Konkurrenz mit den illegalen Angeboten. Als Beispiel wird etwa Indien und dessen Filmindustrie angeführt. Im Gegensatz zu Hollywood-Studies tritt die dortige Branche teilweise direkt in Konkurrenz mit den illegalen Angeboten. Bei Software wäre wiederum überlegenswert, auf andere Geschäftsmodelle umzusteigen; etwa wie Google Gratis-Services gegen Werbung anzubieten.

Organisiertes Verbrechen nicht involviert
Dass beim Vertrieb und Verkauf der Kopien das Organisierte Verbrechen oder Terroristen eine große Rolle spielen, verneint die Studie. Der Grund hierfür ist ein banaler, marktwirtschaftlicher: Der niedrige oder nicht existente Verkaufspreis der Raubkopien bringe keinen Gewinn, das Business sei nicht rentabel, weshalb dieser Geschäftszweig nicht verfolgt wird. Argumente, die Raubkopien mit kriminellen Organisationen zusammenbringen, basierten der Studie zufolge ausschließlich auf Jahrzehnte alten Geschichten und unbelegten Anekdoten.

Die Studie zeigt des weiteren, dass rechtliche Maßnahmen in den Schwellenländern kaum Auswirkungen haben. Zwar nimmt die Unterhaltungsindustrie via Lobbying auf die Gesetzgebung erfolgreich Einfluss, bei der Umsetzung und Verfolgung messe Justiz wie Exekutive den Urheberrechtsverstößen hingegen wenig Gewicht bei. Auch wenn bei Urheberrechtsverstößen immer längere Freiheitsstrafen drohen, werden diese selten verhängt. Das Bekämpfen von schweren Verbrechen wie etwa Mord habe für die positive Entwicklung des Landes einen weit größeren Wert als das Verfolgen von Raubkopierern und das Zufriedenstellen ausländischer Rechteinhaber.

Strengere Gesetze ohne Wirkung
Zudem zeigen die Untersuchungen, dass strengere Gesetze die Verbreitung von Raubkopien und das Wachsen illegaler Märkte nicht unterbinden oder eindämmen. Grundsätzlich plädieren die Studienautoren dafür, von strengeren Strafen und Überwachungsmaßnahmen abzusehen und sich vom Gesetz als Bekämpfungsmethode abzuwenden. Stattdessen sollten sich Unterhaltungskonzerne den geänderten Wettbewerbsbedingungen stellen und ihre engstirnigen Geschäftsmodelle überdenken.

Weiters zeigt die Untersuchung, dass Aufklärungsprogramme, etwa in Schulen, wirkungslos sind. In den sechs Ländern sind zwar 300 Kampagnen am Laufen, diese haben am bestehenden Bild nichts geändert. In den Ländern sind Raubkopien nicht stigmatisiert, vielmehr sei das Laden oder Kaufen von Kopien ein ganz normaler Bestandteil des Alltags.

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Benjamin Sterbenz

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