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Internationalisierung

Start-ups: “Österreich fehlt die Risikokultur”

Wo sind junge, österreichische IT-Firmen besser aufgehoben - im eigenen Land, im Silicon Valley oder doch in Berlin oder London? Wo findet man die geeigneten Investoren und wie risikofreudig sind die heimischen Business Angels? Diesen Fragen widmete sich das Podium zum Thema "Internationalsierung der IT-Start-ups" auf dem diesjährigen Exporttag der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), der am Donnerstag in Wien über die Bühne ging.

Laut dem Fachverband UBIT der WKÖ erzielte die IT-Branche in Österreich im Jahr 2011 Umsätze in Höhe von 14 Milliarden Euro und eine Wachstumsrate von zehn Prozent, für 2012 werden sechs Prozent Wachstum erwartet. Doch nach wie vor mangelt es in Österreich an Risikokapitalbereitstellung, wie auch Michael Love, Moderator der Diskussionsrunde und zuständig für Internationale Technologiekooperationen bei der Außenwirtschaft der WKÖ, eingangs erwähnt. "Der Markt für diese Branche ist die Welt", sagt Love. Daher gibt die Wirtschaftskammer im Rahmen der Initiative Go Silicon Valley (futurezone-Berichte

und
) jungen Firmen seit drei Jahren die Möglichkeit, sich für einen dreimonatigen Aufenthalt im kalifornischen IT-Mekka zu qualifizieren und dort die notwendigen Kontakte zu knüpfen.

Alternativen
Doch nicht immer ist alles Gold, was glänzt, das gilt auch für den großen amerikanischen Traum und nicht für jede Firma muss das Silicon Valley zwingend der richtige Ort sein, um erfolgreich zu werden. So startet die WKÖ nun auch ähnliche Programme für die Standorte London und Berlin - die beiden europäischen Städte, die derzeit als die großen Start-up-Hubs in Europa gelten. "In London ist der Drive genauso da wie im Silicon Valley", sagt Maria-Katharine Traunfellner vom Außenwirtschaftscenter London.

Es gebe derzeit zwei wichtige Cluster. Einerseits das sogenannte "goldene Dreieck" zwischen London, Oxford und Cambridge, wo sich aufgrund der Nähe zu den renommierten Universitäten sehr viele gut ausgebildete Leute ansiedeln und auch Start-ups gründen. Als zweiter wichtiger Cluster hat sich laut Traunfellner die Tech City im Norden Londons gebildet, wo sich ebenfalls immer mehr IT-Firmen finden. Die großen Firmen blieben dort zwar noch aus, aber zuletzt habe immerhin Google seine Unterstützung für den Hub angekündigt, ebenso wie Cisco, so Traunfellner.

Mit der Initiative "Go Cambridge" wird die WKÖ heimischen Firmen ab Ende des Jahres nun auch die Möglichkeit bieten, sich für einen Aufenthalt in London zu bewerben.

"Das Denken und die Art sich zu präsentieren, ist in den USA völlig anders als hierzulande", sagt Johann Kausl vom Außenwirtschaftscenter Berlin. Die Dimensionen, in denen von Beginn an gedacht und kalkuliert wird, seien um ein Vielfaches größer. "In Deutschland fangen viele Start-ups aber zunächst einmal oft lieber mit kleinen Teams an und sind daher im Denken wohl auch näher an Österreich dran", so Kausl. Daher sei Berlin sicherlich für so manch heimisches Unternehmen die bessere Wahl als das Silicon Valley. "Ganz zu Beginn, in der tatsächlichen Start-up-Phase ist es zudem oft leichter in Berlin Geld zu bekommen als in den USA", so Kausl weiter. Das ändere sich allerdings wiederum, wenn es um das Großwerden eines Unternehmens gehe, da seien die amerikanischen Geldgeber eher bereit zu investieren.

Wo gibt es einen Markt?
Auch Thomas Werner von Solve Direct, der mit seiner Firma bereits selbst im Silicon Valley war, macht darauf aufmerksam, dass in den USA ein völlig anderes Denken herrscht. "Ein bereits bestehendes Unternehmen, das dorthin geht, muss erst einmal herausfinden, wie die Leute dort ticken und muss sich dort erst einmal verständlich machen." Klarmachen müsse man sich aber auch, dass dort täglich "zehntausend andere Firmen bei den Investoren vorsprechen", wie Christian Köstler von der Firma Lixto ergänzt. Er war 2010 bei der Go Silicon Valley Initiative dabei und hat gelernt, dass es zunächst um die Frage gehe: "Wo finden ich für mein Unternehmen einen Markt vor?"

Köstler rät zudem jedem Start-up, das ins Silicon Valley gehen will, sich zunächst mit jenen auszutauschen, die schon dort waren und Erfahrung gesammelt haben. "Eines sollte man auch wissen, die Kontakte werden dort nach Dienstschluss in den Bars geknüpft, wo irrsinnige viele Leute aus der Szene aufeinander treffen", so Köstler.

Österreich ohne Risikofreude
Als einer der nächsten geht Markus Roth von der Jungen Wirtschaft mit seiner Firma Creative Bits im Rahmen der WKÖ-Initiative in die USA. Er will dort "die große Investorenszene ansprechen". "Österreichische Investoren sind zwar schnell begeistert, fragen aber dann sofort: Was habt ihr schon verkauft? Kommt dann wieder, wenn ihr was verkauft habt", kritisiert Roth. "Es gibt hierzulande derzeit einfach keine Risikokultur und kein Risikoverständnis, weder in der Bevölkerung noch in der Politik", so Roth. Crowdfunding etwa werde derzeit seitens der Politik als unwichtig abgetan und damit die Zeichen der Zeit verkannt, meint Roth.

Auch wenn Business Angels und Risikofreude hierzulande noch rar sind, der Investor Klaus Matzka glaubt an den Standort Wien. "Auch Wien kann ein Start-up-Hub sein wie London oder Berlin. Wien war früher einmal ein wirtschaftliches Machtzentrum und ist auch heute ein guter Standort, der ein gutes Umfeld bietet", sagt Matzka. Auch Ausbildung und Forschung seien gut und es gebe eine Förderlandschaft, die teils jene Lücke wettmache, die anders wo Business Angels füllen. "Wenn bessere Rahmenbedingungen in Österreich geschaffen werden und sich mehr Investoren hier ansiedeln, dann kann auch Wien zu einem tollen IT-Standort werden", sagt Matzka und ergänzt: "Die ganze Welt kocht nur mit Wasser."

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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